Die Frühromantik will Poesie und Mythologie miteinander verbinden

Zu den zentralen Forderungen der Frühromantik gehört die nach einer neuen Mythologie. Dadurch unterschied sich die frühromantische Bewegung an einem entscheidenden Punkt von der Aufklärung, zu der sonst durchaus Verbindungslinien bestanden. Gerade die Skepsis gegen den Mythos gehörte zu den entscheidenden Elementen der aufklärerischen Weltanschauung. Die Frühromantiker versuchten, Poesie und Mythologie wieder miteinander zu verbinden. Friedrich Schlegel schrieb in seinem „Gespräch über die Poesie“ (1800) folgendes: „Dann das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter.“ Auch Friedrich Wilhelm Joseph Schelling wandte sich in seiner „Philosophie der Kunst“ (1802/03) ausführlich dem Verhältnis von Dichtung und Mythologie zu.

Friedrich Schlegel prägte den Begriff „romantische Ironie“

Und Friedrich Schlegel wies in seiner Schrift „Über Sprache und Weisheit der Inder“ (1808) auf den reichen Schatz der fernöstlichen Mythologie und Dichtung hin. Eine weitere wichtige Gemeinsamkeit frühromantischer Dichtungsauffassung liegt in einer ganz speziellen ästhetischen Verfahrensweise. Friedrich Schlegel hat dafür den Begriff „romantische Ironie“ geprägt. Damit ist eine bestimmte Art der Reflexion und des Empfindens gemeint, die er als „Agilität“, das heißt als Beweglichkeit der Phantasie und der Reflexion bezeichnet hat.

Friedrich Schlegel schrieb: „Die Ironie entspringt aus der Vereinigung von Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie. Sie enthält und erregt ein Gefühl von dem unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und Bedingten, der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung.“ Ironie ist ein durchgängiges poetisches Prinzip, das Friedrich Schlegel immer wieder definitorisch umkreist hat, ohne es jedoch eindeutig zu bestimmen.

Die Romantik ist auch Ergänzung der Bewegung der Aufklärung

Die Definitionen selbst sind Ausdruck eben jener romantischen Ironie, die sich auf Eindeutigkeit nicht festlegt: „Ironie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles, was zugleich gut und groß ist.“ Eine dritte entscheidende Gemeinsamkeit liegt in der Aufwertung des Irrationalen, das in der Aufklärung verdrängt und tabuisiert worden ist. Die Aufklärung hatte sich darauf konzentriert, für das bürgerliche Individuum im Medium der Literatur ein Modell von Subjektivität und Identität zu entwerfen, das durch Abgrenzungen gegen innere und äußere Natur gekennzeichnet war.

Die Romantiker hingegen brachten die von der Aufklärung vernachlässigten Wunsch- und Triebstrukturen zum Sprechen. Sie ließen sich auf Erfahrungen wie Wahnsinn, Krankheit, Schwärmerei, Sinnlichkeit und Müßiggang ein, die in der Aufklärung verfemt waren. Dabei ist die Romantik aber nicht nur Opposition, sondern auch Ergänzung der Bewegung der Aufklärung um die Dimensionen, die im Rationalitätsdiskurs ausgeblendet worden waren. Die Bemühungen um das deutsche Volksliedgut, um die deutschen Sagen und Märchen, das Anknüpfen an volkstümliche Formen in der eigenen Dichtung und die Ausbildung einer satirischen Dichtung machen deutlich, dass Bezüge zur aufklärerischen Dichtung durchaus vorhanden waren. Quelle: „Deutsche Literaturgeschichte“ aus dem Verlag J. B. Metzler

Von Hans Klumbies