Das Smartphone entdinglicht die Welt

Das Smartphone ist der Hauptinfomat der Gegenwart. Byung-Chul Han erklärt: „Es macht nicht nur viele Dinge überflüssig, sondern entdinglicht die Welt, indem es sie auf Informationen reduziert. Auch das Dingliche am Smartphone tritt zurück zugunsten Informationen.“ Man nimmt es nicht eigens wahr. Dem Aussehen nach unterscheiden sich Smartphones kaum voneinander. Die Menschen blicken durch sie hindurch in die Infosphäre. Eine analoge Uhr versorgt sie zwar mit zeitbezogenen Informationen, aber sie ist kein Infomat, sondern ein Ding, ja auch ein Schmuck. Das Dingliche ist ihr zentraler Bestandteil. Die von Informationen und Infomaten beherrschte Gesellschaft ist schmucklos. Schmuck bedeutet ursprünglich prächtige Kleidung. Undinge sind nackt. Charakteristisch für die Dinge ist das Dekorative, das Ornamentale. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Weiterlesen

Viele Menschen sind Knechte ihres Smartphones

Das Smartphone erweist sich als mobiles Arbeitslager, in dem sich viele Menschen freiwillig einsperren. Das Smartphone ist ferner ein „Pornophone“. Byung-Chul Han erklärt: „Wir entblößen uns freiwillig. So funktioniert es wie ein mobiler Beichtstuhl. Es setzt die sakrale Herrschaft des Beichtstuhls in einer anderen Form fort.“ Jede Herrschaft hat ihre eigenen Devotionalien. Der Theologe Ernst Troeltsch spricht von den „die Volksphantasie fesselnden Devotionalien“. Sie stabilisieren die Herrschaft, indem sie sie habitualisieren und im Körper verankern. Devot heißt unterwürfig. Das Smartphone etabliert sich als Devotionalie des neoliberalen Regimes. Als Apparat der Unterwerfung gleicht es dem Rosenkranz, der genauso mobil und handlich ist wie das digitale Gadget. „Like“ ist das digitale Amen. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Weiterlesen

Fortschritt ist ein zweischneidiges Schwert

Der Medienethiker Paul Virilio prognostiziert in seinen Essay „Rasender Stillstand“ die Auslöschung der menschlichen Zivilisation durch deren erfundene Technologien. Rüdiger Maas weiß: „Virilio ist dabei aber kein Technologiekritiker. Ganz im Gegenteil. Die Folgen des technologischen Fortschritts betrachtet er als positiv, nur wurden die Heilsversprechen um positiven technologischen Folgen zur Propaganda.“ Das Problem dabei ist, dass man bei all den Versprechen der permanenten technologischen Weltverbesserung die negativen Folgen der Technologie außer Acht lässt. Denn Fortschritt ist ein zweischneidiges Schwert. Oder wie es Virilio ausdrücken würde: „Die Erfindung des Schiffs war gleichzeitig die Erfindung des Schiffwracks.“ Der Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa fordert von den Menschen daher Entschleunigung. Rüdiger Maas studierte in Deutschland und Japan Psychologie. Er ist Gründer und Leiter eines Instituts für Generationenforschung.

Weiterlesen

Die Smartphones arbeiten im Akkord

Computer-Logik ist ansteckend. Immer mehr Leute tröten ihre Entweder-Oder-Thesen heraus. Kaum versucht man, das Gesagte oder Gepostete zu verstehen, kaum hat sich ein Hauch von Ahnung in einem geformt, wird man auch schon wieder unterbrochen. Rebekka Reinhard erläutert: „Denn die Smartphones arbeiten im Akkord, produzieren Aktion und Reaktion am laufenden Band. Breaking News strukturieren den Alltag, auch wenn Sie nicht am Newsdesk einer Zeitungsredaktion sitzen.“ Schon wieder hat irgendwer irgendwas gesagt! Die Unterbrechung kommt ganz automatisch. Was sagt Markus Söder, was sagen Spiegel Online und Anne Will? Echt oder Fake, war oder falsch? Wer mithalten will, muss denken: hart, schnell und emotional. Für die geduldige, kritische hinterfragende Auseinandersetzung mit Fakten hat man längst eine virtuelle Gedenkstätte eingerichtet. Philosophin Rebekka Reinhard war, bis zur Einstellung der Zeitschrift, stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

Weiterlesen

Die Digitalisierung beendet das Ding-Paradigma

Die industrielle Revolution verfestigt und erweitert die Dingsphäre. Sie entfernt die Menschen von der Natur und vom Handwerk. Byung-Chul Han betont: „Erst die Digitalisierung beendet das Ding-Paradigma. Sie unterwirft die Dinge den Informationen. Hardwares sind devote Unterlagen der Softwares. Sie sind sekundär gegenüber Informationen. Ihre Miniaturisierung lässt sie immer weiter schrumpfen.“ Das Internet der Dinge macht diese zu Informationsterminals. Der 3D-Drucker erweitert die Dinge in ihrem Sein. Sie werden zu materiellen Derivaten der Information degradiert. Was wird aus Dingen, wenn sie von Informationen durchdrungen werden? Die Informatisierung macht aus Dingen „Infomate“, nämlich Akteure, die Informationen verarbeiten. Das Auto der Zukunft wird kein Ding mehr sein, mit dem sich Phantasmen von Macht und Besitz verbinden. Byung-Chul Han ist ein koreanisch-deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Autor. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Weiterlesen

Die Digitalisierung ist eine Herausforderung

Im Zuge der digitalen Revolution erleben die Menschen heute einen öffentlichkeitswirksamen Bewusstseinswandel. Immer wieder liest man von den Herausforderungen der Digitalisierung und den Gefahren. Aber es gibt auch Hoffnungen, die mit dem technischen Fortschritt wie der künstlichen Intelligenz verbunden sind. Markus Gabriel ergänzt: „Aus unserer alltäglichen Erfahrung kennen wir den Eindruck einer zunehmenden gesellschaftlichen Beschleunigung.“ Das hängt sicherlich mit dem exponentiellen Wachstum der Rechenleistungen der Computer zusammen. In diesem Kontext wirkt „die These vom erweiterten Geist“ besonders plausibel. Sie besagt, dass die menschliche psychologische und mentale Wirklichkeit längst nicht mehr auf den Leib eines Menschen beschränkt ist. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

Weiterlesen

Das Smartphone bestimmt das Leben

Berlin im Jahr 2020. Über das Smartphone verwalten und gestalten inzwischen viele Menschen ihr Leben. Andreas Barthelmess behauptet: „Nicht nur Musik und Messages und sonstigen Digitalkram, sondern unser gesamtes Leben. Wir haben es immer in der Tasche, immer dabei: unser Smartphone, unser Leben. Und so geht es nicht nur uns, sondern auch den Menschen in Madrid und Madras, Mumbai und Moskau.“ Im digitalen Zeitalter ist scheinbar alles immer und überall. Und mit dem Smartphone hat man zugleich immer alles in der Hand, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne. Alles ist immer überall und gleichzeitig supernah. Ist das Smartphone vielleicht inzwischen zu nah an die Menschen herangerückt? Die Antwort lautet: ja. Dabei muss man allerdings Digitalisierung, Netz und Smartphone differenzieren. Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.

Weiterlesen

Die Demokratie braucht keine Nachrichtenflut

Interessanterweise lebten die geistigen Väter der modernen Demokratie wie Jean-Jacques Rousseau, David Hume, John Locke und Montesquieu in einer Zeit vor der Nachrichtenschwemme. Dennoch gab es damals einen gehaltvollen politischen Diskurs. Einerseits wurde er über Bücher, Pamphlete, Essays, Debattierklubs und öffentliche Versammlungen geführt. Anderseits schossen überall politische Salons aus dem Boden, die zu einem lebhaften politischen Diskurs beitrugen. Interessanterweise führten diese Begegnungsstätten meist Frauen. Rolf Dobelli fügt hinzu: „Die großen demokratischen Umwälzungen der letzten vierhundert Jahre brauchten keine Tagesschau, keine Nachrichtenportale und keine News-Feeds.“ Dazu zählen die Amerikanische Revolution, die Französische Revolution, die Revolutionen von 1848 und der Fall der DDR. Der Bestsellerautor Rolf Dobelli ist durch seine Sachbücher „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“ weltweit bekannt geworden.

Weiterlesen

Der Kampf um die Wortmacht hat begonnen

Ohne dass viele Menschen es überhaupt bemerken, stecken sie mitten in einem großen Kampf. Dabei geht es um die Form, die Bedingungen und die Grenzen der globalen Redefreiheit. Sowohl in den Smartphones in ihren Taschen und vielleicht auch in ihren Köpfen. Timothy Garton Ash nennt dieses Ringen den Kampf um die Wortmacht. Wie das Wort „Rede“ in „Redefreiheit“ schließt der Begriff „Wort“ in „Wortmacht“ offensichtlich viel mehr mit ein als nur Worte. Timothy Garton Ash erklärt: „Er umfasst auch Bilder, Töne, Symbole, Informationen und Wissen sowie Kommunikationsstrukturen und Kommunikationsnetze.“ Der spanische Soziologe Manuel Castells spricht von der „Kommunikationsmacht“. Aber Timothy Garton Ash ist das kurze Wort lieber als das lange, besonders weil ohnehin jede Bezeichnung nur einen Teil des Ganzen erfasst. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

Weiterlesen

Wahr und falsch sind kaum mehr zu unterscheiden

In seinem neuen Buch „Undinge“ vertritt Byung-Chul Han die These, dass die rapide steigende Informationsflut die Menschen in eine postfaktische Gesellschaft stürzt. In vielen Fällen ist sogar die Unterscheidung zwischen wahr und falsch aufgehoben. Informationen zirkulieren nun ohne jeden Realitätsbezug in einem hyperrealen Raum. Byung-Chul Han stellt fest: „Die Welt wird zusehends unfassbarer, wolkiger und gespenstischer.“ Schon vor Jahrzehnten stellte der Medientheoretiker Vilém Flusser fest, dass Undinge von allen Seiten in die Umwelt der Menschen eindringen. Weil sie die Dinge verdrängen, nennt man sie Undinge. Byung-Chul Han entwickelt in „Undinge“ sowohl eine Philosophie des Smartphones als auch eine Kritik der künstlichen Intelligenz aus ungewohnter Perspektive. Byung-Chul Han ist ein koreanisch-deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Autor. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Weiterlesen

Jeder Mensch kann Schönheit wahrnehmen

Die Suche nach Schönheit kennt Wege der Übung. Wer von einem Lob der Meisterschaft ausgeht, für den liegt es nahe, die buddhistische Tradition zu betrachten. Einige ihrer Aspekte haben großen Einfluss auf die Fähigkeit, Schönheit wahrzunehmen und zu schaffen. Frank Berzbach nennt ein Beispiel: „Geradezu ein Trend wurde ein isolierter Aspekt des Edlen achtfachen Pfades.“ Im Pali-Kanon findet sich der Begriff „sati“, und meist wird er mit Achtsamkeit übersetzt. Gewahrsein, Umsicht, Bewusstheit oder Wachheit bezeichnen ihn aber besser. Damit ist weder Wellness noch Entspannung gemeint. Man versteht darunter, die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit wertfrei im gegenwärtigen Moment zu halten. Zugleich darf man allerdings nicht die eigenen Gedanken, Gefühle und den Körper aus dem Blick verlieren. Dr. Frank Berzbach unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln.

Weiterlesen

Das Smartphone ändert den Bezug zur Welt

Das Smartphone ist permanent zur Hand und ändert dadurch den Bezug der Menschen zur Welt. Andreas Barthelmess erklärt: „Was fern war, ist plötzlich nah, und das heißt: Von nun an ist alles nah.“ Über Facetime oder WhatsApp telefonieren die Menschen aus dem WLAN heraus eben mal kostenlos mit einem Freund in New York oder Paris. Doch wie das Smartphone den Menschen die Ferne nahe bringt, so entfernt es ihnen umgekehrt die Nähe. In der U-Bahn schauen viele Menschen auf das Display ihres Smartphones, aber nicht in die Gesichter der Mitfahrenden. Wenn man eine Adresse sucht, fragen wir Google Maps, aber nicht einen Anwohner hinter dem nächsten Gartenzaun. Das Restaurant in Venedig empfiehlt tripadvisor, und schon wieder entgeht dem Reisenden ein Gespräch mit einem Einheimischen. Andreas Barthelmess ist Ökonom, Start-up-Unternehmer und Publizist.

Weiterlesen

Tätige Freiheit ist keine Faulheit

Wer auf die antike Tradition zurückblickt, kann unter anderem folgendes erkennen: Die klassische „Oase“, das, was als das höchst Anstrebenswerte galt, war, von jeglicher Arbeit frei zu sein, um „Muße“ zu haben. Diese benötigte man für die wirklich wichtigen Dinge wie Philosophie, Politik und Kunst. Dazu braucht man zuerst einmal Freiheit vom Werk, von der Arbeit und vom Dauerstress. Sophie Loidolt ergänzt: „Erst dadurch öffnen sich die anderen Tätigkeitsräume des Betrachtens und des Erscheinens vor und mit anderen.“ Diese hervorgebrachte tätige Freiheit „zu“ ist daher keine Faulheit. Sie ist nur eine andere Form des Tätigseins als Arbeiten. Wer heutzutage Muße hat, wird leicht als dumpfer, aber keineswegs aufsässiger Typ angesehen. Prof. Dr. Sophie Loidolt ist Gastprofessorin am Philosophieinstitut der Universität Kassel und Mitglied der „Jungen Akademie“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Weiterlesen

Kein Mensch kann multitasken

Die Meinungen der Menschen über aktuelle Ereignisse wurden und werden zutiefst vom Internet beeinflusst. Viele Menschen lassen sich auf einen ständigen Nachrichtenstrom ein, der zweifellos beeinflusst, wie sie die Welt sehen, und auch prägt, auf welche Weise sie einander ihre Erfahrungen mit der Welt mitteilen. Julia Shaw weiß: „Soziale Medien steigern unsere Möglichkeiten, unabhängige Bestätigungen dafür zu finden, dass unsere Erinnerungen stichhaltig sind, haben aber auch das Potenzial, sie zu verfälschen und zu verzerren.“ Menschen denken über Dinge nach, die sich gerade ereignet haben, sie dokumentieren Dinge, von denen sie denken, sie würden die meisten Likes bekommen, sie filtern ihr Leben so, dass es erstrebenswert und interessant aussieht. Die Rechtspsychologin Julia Shaw lehrt und forscht an der London South Bank University.

Weiterlesen

Roboter sind den Menschen überlegen

Computer und Roboter verändern den Alltag der Deutschen in einem Tempo, das den meisten Menschen den Atem raubt. Gerade entsteht eine Wirtschaft, in der Maschinen den Menschen überlegen sind. Alexander Hagelüken nennt Beispiele: „Schachcomputer schlagen den Weltmeister, Algorithmen ersetzen Anwälte und Software diagnostiziert Patienten.“ Maschinen können den Menschen aus dem Zentrum der Berufswelt verdrängen. Die Briten Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne schätzen, Maschinen könnten in den nächsten zwei Dekade jeden zweiten Programmierer überflüssig machen und 95 Prozent aller Sachbearbeiter. Aber wovon sollen die Überflüssigen leben? Deutschland ist wie andere Staaten schon deutlich ungleicher geworden. Eine Weltherrschaft der Roboter könnte diesen Trend verschlimmern. Und das ist nur eine der Aussichten auf die Zukunft, die skeptisch stimmen. Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.

Weiterlesen

Ein Mensch ohne Besitz ist wenig wert

Der beste Wegbereiter eines Burn-out ist das Ego eines Menschen. Ein solches Ego lebt nach dem Motto: Mehr haben wollen, besser sein als andere, immer mehr Dinge auf einmal tun können, Gewinner sein, sich anstrengen für Anerkennung, stärker sein. Klaus Biedermann stellt fest: „Solche Dinge werden uns von Kindesbeinen an ständig eingetrichtert und sind in einer Konsumgesellschaft Grundvoraussetzung für deren Funktionieren. Wir bekommen vorgelebt, gezeigt und gesagt, dass ein Mensch, der nichts besitzt oder nichts leistet, wenig wert ist.“ Mehr noch: Man darf sich sogar über ihn lustig machen. Irgendwann übernehmen Besitz und Leistungsstreben die Herrschaft über das gesamte Leben eines Menschen, obwohl ihm rational durchaus klar ist, dass er nackt kam und mit leeren Taschen wieder gehen wird. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

Weiterlesen

Einsamkeit hängt eng mit Stress zusammen

Wer mitten im Berufsleben steht und viel mit Leuten zu tun hat, möchte am Wochenende wahrscheinlich abschalten, sich „ausklinken“ und die Seele baumeln lassen. Auch den Chef möchte er am Wochenende nicht sehen. Manfred Spitzer erläutert: „Ein solcher Mensch, der die Einsamkeit sucht, um dem Stress zu entgehen, käme wahrscheinlich nicht auf den Gedanken, dass Einsamkeit mit Stress eng zusammenhängt.“ Akute Einsamkeit muss Stress auslösen, denn sie stellte im Laufe der menschlichen Entwicklung immer schon den größten denkbaren Notfall dar. Auf sich allein gestellt, ist das Gemeinschaftswesen Mensch nicht überlebensfähig, insofern leuchte tes ein, dass das Leben in einer Gemeinschaft das Stressniveau senkt. Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen.

Weiterlesen

Der Minimalismus beschränkt sich nicht nur auf Gegenstände

Das Wegwerfen von Dingen ist kein Ziel an sich. Fumio Sasaki hält Minimalismus für eine Methode, um herauszufinden, was einem wirklich etwas bedeutet. Minimalismus ist seiner Meinung nach nur der Prolog einer ganz persönlichen Geschichte, die jeder selbst schreiben muss. Übrigens beschränkt sich der Minimalismus nicht nur auf Gegenstände. In der hektischen Welt der Gegenwart ist alles derart kompliziert, dass sich der Minimalismus inzwischen auch auf weitere Gebiete ausbreitet. Fumio Sasaki schreibt: „Minimalismus ist der Versuch, das Nicht-Essenzielle zur Seite zu schieben, um das wirklich Wichtige besser würdigen können. Diese einfache Idee lässt sich auf alle Facetten des Lebens anwenden.“ Steve Jobs hält Fumio Sasaki für das Musterexemplar eines Minimalisten. Mutter Teresa ebenfalls. Fumio Sasaki arbeitete als Cheflektor des japanischen Verlages Wani Books, bevor er freier Autor wurde.

Weiterlesen

Heutzutage dreht sich alles um Erlebnisse und Ablenkung

Die meisten Konsumenten kommen kaum noch zu sich, weil andere längst da sind, um sie abzufüllen. Händler der Aufmerksamkeit beballern sie mit gezielter Werbung, schießen ihre Gehirne sturmreif. Die Menschen kaufen und werfen weg. Sie ordnen ein und sortieren aus. Sie leben in einer Zeit, in der sich alles um Erlebnisse und Ablenkung dreht, die mit Werbung betäubt und mit Daten wuchert. Gerald Hüther ergänzt: „Und immer wieder der bange Blick auf den Bildschirm, ob es blinkt. Oder brummt. Denn wir leben in einer aufgeregten Zeit. Das Smartphone macht, dass wir keine Sekunde mehr nichts zu tun haben. Wer mit wem was hat.“ Wenn man will, bekommt man so ziemlich alles mit. Gerald Hüther zählt zu den bekanntesten Hirnforschern in Deutschland.

Weiterlesen

Vernetzung ist das wesentliche Element der Globalisierung

Das Symbol der heutigen Zeit, des Zeitalters der Hirnforschung und der Digitalisierung, ist das Web, das Netz. In Netzen verfängt sich, was in der Luft schwirrt oder im Wasser umherschwimmt. Netze verbinden, sie spannen Fäden zwischen Orten, die ansonsten wenig miteinander zu tun haben. Georg Milzner schreibt: „Man begreift die Bedeutung, die wir der Vernetzung zuschreiben, nur dann richtig, wenn man erkennt, dass die Metapher des Netzes tatsächlich unsere Kultur des beginnenden 21. Jahrhunderts prägt. Vernetztes Denken ist das Symbol eines autoritätsfreien Diskurses. Netzwerke haben keine Hierarchien, nur Knotenpunkte.“ Vernetzung ist das wesentliche Element der Globalisierung; Konzerne bilden Netzwerke aus, die ohne die neuen Kommunikationsmöglichkeiten nicht möglich wären. Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

Weiterlesen

Furchtbare Bilder können einen Menschen schwer belasten

Viele Menschen unterschätzen die belastende und Angst auslösende Wirkung von Bildern. Davor kann Georg Pieper nur ausdrücklich warnen: „Wenn wir Bilder von einem schrecklichen Ereignis sehen, tragen wir sie noch lange als Ballast im Kopf mit uns herum.“ Sie wirken wie eine Bremse, weil sie immer wieder vor dem inneren Auge auftauchen und Alarm auslösen: „Vorsicht, Lebensgefahr!“ Bei schwer zu ertragenden Bildern empfiehlt Georg Pieper deshalb: „Wegschauen beziehungsweise ausschalten oder wegklicken.“ Wie stark furchtbare Bilder einen Menschen belasten können, kennt Georg Pieper von Lokführern. Ihnen passiert es immer wieder, dass sich jemand in Selbstmordabsicht auf die Gleise begibt. In der Regel kommt der Zug nicht mehr rechtzeitig zum Stehen, wie er bei hohem Tempo einen sehr langen Bremsweg hat. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

Weiterlesen

In den reichen Gesellschaften wird die Arbeit knapper

Wirtschaftswachstum, das auf Ausbeutung beruht – dieses Geschäftsmodell ist längst an seine Grenzen gelangt. Der Planet Erde, auf dessen äußerster Kruste die Menschheit ihre Existenz beschreitet, scheint nicht mehr willens zu sein, die Kapriolen der Menschen zu ertragen. Phillip Blom schreibt: „Smartphones und Internet haben Informationen, Gerüchte und Propaganda globalisiert, riesige Menschenströme sind auf der Flucht vor dem Tod und auf der Suche nach einem Leben.“ In den reichen Gesellschaften selbst wird die Arbeit knapper. Das wird nur deswegen noch nicht deutlicher sichtbar, weil noch genug Geld da ist, es zu verbergen. Arbeitslose werden umdeklariert oder nicht gezählt, aber ihre Zahl wächst stetig, und wer einen neuen Job findet, das der Arbeitsplatz morgen schon wieder verschwunden sein kann. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

Weiterlesen

Selbstkompetenz ist wichtiger als Medienkompetenz

In seinem Buch „Digitale Hysterie“ hat Georg Milzner darauf hingewiesen, dass Selbstkompetenz heute wichtiger sein muss als Medienkompetenz. Die Angleichung an den Rhythmus der Maschinen setzt seiner Meinung nach fundamentale menschliche Prozesse außer Kraft oder blockiert, stört oder verhindert die Herausbildung dessen, was man ein „reifes Selbst“ nennt. Doch wer meint, das Fehlen von Selbstaufmerksamkeit und Selbstkompetenz lasse sich ausschließlich mit Smartphone und Co. erklären, verkennt, dass das Problem in seinen Wurzeln viel älter ist. Der Kunsthistoriker Jonathan Crary verortet den Ursprung der Probleme mit der Aufmerksamkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: „Einerseits versprach das Maschinenzeitalter neuartige Chancen der Selbstpräsentation und des schnellen Geldmachens, andererseits schuf die ständig anwachsende Summe an Möglichkeiten ein neuartige Atmosphäre der Überreizung.“ Georg Milzner ist Diplompsychologe und arbeitet in eigener Praxis als Psychotherapeut.

Weiterlesen

Jeder Mensch sollte sein subjektives Erleben kennen

Eine beredte Verteidigung der Praxis der Introspektion, die so gewaltig aus der Mode gekommen ist, verfasste Ralph Waldo Emerson. Sein Ratschlag an einen jungen Autor lautet: „Wenn er in die Geheimnisse seines eigenen Geistes hinabgestiegen ist, erfährt er, dass er damit auch in die Geheimnisse aller Geister eingetaucht ist.“ Edmund Husserl und andere Phänomenologen machen eines deutlich: Die Introspektion aufzugeben heißt, gegenüber dem subjektiven Erleben die Waffen zu strecken.“ David Gelernter erläutert: „Um zu verstehen, müssen wir zunächst unser eigenes subjektives Erleben kennen. Wir müssen es auf systematische, disziplinierte Weise kennenlernen.“ Das Ziel muss transzendentale Einsicht im Sinne Edmund Husserls sein: in den kleinen, heimischen Vorfällen, die ein Mensch in seinem eigenen Geist erlebt, nicht weniger zu sehen als die Gestalt des Geistes. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

Weiterlesen

Es gibt keine postfaktische Gesellschaft

Simon Hadler plädiert in seinem neuen Buch „Wirklich wahr!“ dafür, den Kampf um die Auslegung von Fakten, Datenmaterial und Statistiken weniger erbittert zu führen. Denn Fakten sind hart und biegsam zugleich, logisch und absurd, sinnstiftend und sinnlos. Man sollte sie nicht als Waffen einsetzen, sondern lernen, wieder lustvoll und mit Verstand und wachem Geist zu argumentieren. Zudem sollte man sich nicht von den aufgeregten Medien in ein vermeintliches Drama hetzen lassen, welches das wahre Leben in keinster Weise widerspiegelt. Denn auf lange Sicht ist es herzlich egal, was irgendjemand tut oder sein lässt. Am Ende wird sich niemand daran erinnern können. Es ist ja schon die große Zumutung des Lebens, sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu sein. Simon Hadler ist seit 1999 Redakteur bei ORF.at, seit 2009 leitender Kulturredakteur.

Weiterlesen