Jens Gnisa warnt vor dem Ende der Gerechtigkeit

Das neue Buch „Das Ende der Gerechtigkeit“ von Jens Gnisa handelt vom Ringen der Politik und der Justiz um das Recht. Zu oft sind sie dabei Gegner. Jens Gnisa kritisiert: „Unser Volksvertreter sind dabei, eine der wichtigsten Säulen der Demokratie, die unabhängige Rechtsprechung, einstürzen zu lassen.“ Seiner Meinung nach haben das Recht und seine sorgsame Pflege außerhalb der Justiz nur noch wenige Fürsprecher. Jens Gnisa gibt zwar zu, dass das Recht manchmal unbequem, oft sperrig und häufig langsam ist, aber dennoch ist es in einer funktionierenden Demokratie einfach unentbehrlich. Recht kann nur mit einer unbestechlichen Justiz funktionieren. Und obwohl Deutschland hier Meilensteine setzt, verliert die Bevölkerung mehr und mehr ihr Vertrauen in den Rechtsstaat. Jens Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2016 Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

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Die Welt ist von Friedrich Nietzsche und Karl Marx geprägt

Der berühmte deutsche Soziologe Max Weber sagte einst zu einem Studenten: „Die Redlichkeit eines heutigen Gelehrten, und vor allem eines heutigen Philosophen, kann man daran messen, wie er sich zu Friedrich Nietzsche und Karl Marx stellt. Wer nicht zugibt, dass er gewichtige Teile seiner eigenen Arbeit nicht leisten könnte, ohne die Arbeit, die diese beiden getan haben, beschwindelt sich selbst und andere. Die Welt, in der wir selber geistig existieren, ist weitgehend eine von Karl Marx und Friedrich Nietzsche geprägte Welt.“ Andreas Urs Sommer zitiert Oswald Spengler, der im Vorwort seines Bestsellers „Untergang des Abendlandes“ schreibt: „Von Johann Wolfgang von Goethe habe ich die Methode, von Friedrich Nietzsche die Fragestellungen.“ Andreas Urs Sommer lehrt Philosophie an der Universität Freiburg i. B. und leitet die Forschungsstelle Nietzsche-Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

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Im Existenzialismus ist der Mensch zur Freiheit verurteilt

Wer den Existenzialismus als bloße Modeerscheinung betrachtet, der irrt sich gewaltig. In seinem Kern möchte er das Denken auf das konkrete Leben zurückführen. Die Grundeinsicht der Moderne, dass Gott tot ist und der Mensch in der Welt keinen Sinn finden kann, betrachteten die Existentialisten nicht als Bürde, sondern als Chance. Catherine Newmark, Chefredakteurin der Sonderausgabe des Philosophie Magazins „Die Existenzialisten“ schreibt in ihrem Vorwort: „Sie folgerten daraus, dass jeder Mensch vollkommen frei ist, sein eigenes Schicksal zu gestalten.“ Eine starke Anziehungskraft übte der Existenzialismus auf die Emanzipationsbewegungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus, welche die Gesellschaften des Westens nachhaltig verändert haben. Sie reichen vom Antikolonialismus über die Studentenrevolte der 60iger Jahre bis zum Feminismus und zur Schwulenbewegung. Auch in der Gegenwart haben die Gedanken der Existenzialisten wieder eine herausragende Aktualität. Denn die Freiheit, die jeder Einzelne besitzt, ist untrennbar mit der Verantwortung für sich selbst und die Welt verbunden.

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Über moralische Werte herrscht eine deprimierende Sprachlosigkeit

Viele Menschen hören sich oft so an, als seien ästhetische Urteile rein subjektiv, weshalb sie nicht öffentlich in Frage gestellt werden können. Diese Anschauung hat eine lange Tradition: „Über Geschmack lässt sich nicht streiten“, meinten schon die alten Römer. Matthew B. Crawford stellt fest: „Aber in Wirklichkeit denken wir anders. Wer in der Öffentlichkeit ein positives ästhetisches Urteil fällt, geht ein Risiko ein.“ Denn in Wirklichkeit sagt er: „Das hier ist gut.“ In einer 2008 durchgeführten Studie befragten die Soziologen Christian Smith und seine Kollegen von der University of Notre Dame 230 junge Amerikaner zur Bedeutung moralischer Werte für ihre Lebensführung. Sie fanden nichts so Spektakuläres wie moralische Verkommenheit, sondern stießen vielmehr auf deprimierende Sprachlosigkeit. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Der Mensch kann von illusionären Erinnerungen getäuscht werden

In einem bahnbrechenden Aufsatz aus dem Jahr 1975 prägten John Flavell und Henry Wellman von der Minnesota University „Metagedächtnis“ (metamemory), um auf eine wichtige Fähigkeit hinzuweisen, mit der alle Menschen ausgestattet sind und die bei der Selbstkorrektur des Gedächtnisses eine entscheidende Rolle spielt. Julia Shaw erklärt: „Unter Metagedächtnis versteht man, dass das Individuum wahrnimmt und weiß, dass es ein Gedächtnis hat. Dazu gehört auch unser Wissen um unsere Erinnerungsfähigkeit und ein Verständnis für Strategien, die unser Gedächtnis verbessern können. Und es umfasst unsere Fähigkeit, zu überwachen, woran wir uns korrekt erinnern können, und unsere Erinnerungen zu analysieren, um ihre Plausibilität zu bestätigen.“ Wenn man sich also selbst auf die Schliche kommt und merkt, dass eine der persönlichen Erinnerungen falsch ist, dann nutzt man sein Metagedächtnis. Die Rechtspsychologin Julia Shaw lehrt und forscht an der London South Bank University.

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Im frühen 21. Jahrhundert war die Zukunft ausgesperrt

Was würde sich ein Historiker, der im 22. Jahrhundert fragen, wenn er über das frühe 21. Jahrhundert forscht? Er würde wahrscheinlich zwei Dinge nicht verstehen. Philipp Blom spekuliert: „Einerseits würde er sehen, dass die beginnende Erderwärmung längst wissenschaftlich erfasst war und beobachtet wurde, dass die damaligen Gesellschaften aber nur sehr langsam und zögerlich auf diese enorme Transformation reagieren.“ Anderseits würde er sehen, dass die Digitalisierung bereits angefangen hatte, tief in wirtschaftliche Zusammenhänge, soziale Strukturen und politische Machtgefüge einzugreifen und sie neu zu formen, aber dass auch diese Entwicklung nur kleinteilige und häufig rein symbolische Reaktionen nach sich zog. In den damaligen Gesellschaften, so könnte er schließen, drehte sich aus schwer erklärlichen Gründen alles um die Verwaltung von Erwartungshaltungen und um die Verteidigung von Privilegien. Die Zukunft war im Grunde ausgesperrt worden. Philipp Blom studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Wien und Oxford und lebt als Schriftsteller und Historiker in Wien.

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Luxus geht über das Notwendige hinaus

Als Luxus bezeichnet man – und das scheint unstrittig wie sinnvoll zu sein – „jeden Aufwand, der über das Notwendige hinausgeht“. Dies ist die klassische Definition, die der Soziologe Werner Sombart in seinem berühmten Buch „Luxus und Kapitalismus“ von 1913 gegeben hat. Lambert Wiesing ergänzt: „Luxusgüter sind demnach die Dinge und Lebensweisen, mit denen die Vorstellungen vom Notwendigen, vom Sinnvollen, vom Normalen und Angemessenen gesprengt werden.“ Die Kontexte und die Situationen mögen sich ändern; was einmal Luxus war, muss nicht immer Luxus bleiben. Doch in jedem Fall gilt: Wenn etwas in einer Situation Luxus ist, dann deshalb, weil dieses Etwas mit einem übertriebenen, verschwenderischen, irrationalen und überflüssigen Aufwand verbunden ist. Prof. Dr. Lambert Wiesing ist lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena Bildtheorie und Phänomenologie und ist geschäftsführender Direktor des Instituts für Philosophie.

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Selbstvermesser wollen ihren Körper total kontrollieren

Der anspruchsvolle Vermesser des eigenen Selbst wird in aller Regel von seinem hohen Kontrollbedürfnis angetrieben. Den allgegenwärtigen Ungewissheiten setzt der Selbstvermesser sein Verlangen nach Körperkontrolle entgegen. Ernst-Dieter Lantermann fügt hinzu: „Was er kontrollieren kann, wird für ihn zu einem Ort verlässlicher Gewissheit, was sich seiner Kontrolle entzieht, zu einem Ort gefährlicher Ungewissheiten.“ Der Selbstvermesser schwört auf eine Strategie der Reduktion seiner Unsicherheit, die in der Forschung als „Kontrollmaximierung“ bekannt ist. Hintergrund dieser Strategie ist die Überzeugung, dass die irritierenden Unsicherheiten, die ein Leben in diesen Zeiten prägen, nur durch eine maximale Kontrolle ihrer Ursachen, Verläufe und Konsequenzen beherrscht und schließlich in Orte neuer Gewissheiten verwandelt werden können. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Es gibt keine postfaktische Gesellschaft

Simon Hadler plädiert in seinem neuen Buch „Wirklich wahr!“ dafür, den Kampf um die Auslegung von Fakten, Datenmaterial und Statistiken weniger erbittert zu führen. Denn Fakten sind hart und biegsam zugleich, logisch und absurd, sinnstiftend und sinnlos. Man sollte sie nicht als Waffen einsetzen, sondern lernen, wieder lustvoll und mit Verstand und wachem Geist zu argumentieren. Zudem sollte man sich nicht von den aufgeregten Medien in ein vermeintliches Drama hetzen lassen, welches das wahre Leben in keinster Weise widerspiegelt. Denn auf lange Sicht ist es herzlich egal, was irgendjemand tut oder sein lässt. Am Ende wird sich niemand daran erinnern können. Es ist ja schon die große Zumutung des Lebens, sich der eigenen Endlichkeit bewusst zu sein. Simon Hadler ist seit 1999 Redakteur bei ORF.at, seit 2009 leitender Kulturredakteur.

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David Gelernter kennt die Themen des Traums

In Träumen ist eine endlose Zahl von Themen möglich, aber bestimmte Motive sind als Grundbestandteile anderer Gefühle allgegenwärtig. David Gelernter nennt ein Beispiel: „Das wichtigste davon ist eine bestimmte Form des Heimwehs, die Sehnsucht nach einer Heimat, die es nicht mehr gibt und nie mehr geben wird.“ Die Trauer um den Verlust der Heimatwelt, die Sehnsucht nach einer verlorenen Heimat, ist in gewisser Weise ein Zeichen, dass man Glück gehabt hat; wer sie erlebt, denkt voller Liebe oder Zuneigung – oder zumindest mit Nostalgie – an das vergangene Leben. Aber die Sehnsucht nach verlorener Heimat findet man selbst bei Menschen, die eine schlimme Kindheit hatten. Sie ist ein machtvoller und nahezu universeller Impuls, der nicht nur den eigenen Erinnerungen zugrunde liegt. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Sex hat als Machtmittel weitgehend ausgedient

Die patriarchale Autorität dominiert die Sexualität. In einer patriarchalischen Gesellschaft wird die Erotik als schlecht, unmoralisch und verwerflich gebrandmarkt, und die Frau gleich mit dazu, weil sie die Begierden aus dem Mann herauskitzelt. Paul Verhaeghe weiß: „Mit dieser Rollenverteilung wies das Patriarchat der Frau unbeabsichtigt eine ordentliche Portion Macht zu, von der „femme fatale“ bis zum „Schatz, heute nicht, ich habe Kopfschmerzen“. Und diese Macht wiederum erklärt die männliche Aggression gegen die Frau.“ Sex kann auch als Waffe eingesetzt werden, auch wenn dies mittlerweile aus der Mode gekommen ist, weil sie die moderne Haltung zur Sexualität dank Emanzipation und Pille völlig verändert hat. In der Menschheitsgeschichte jedoch kann eine Frau erst seit einem halben Jahrhundert unbekümmert Sex genießen und somit auch unmissverständlich danach verlangen. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Das Glück folgt nicht den Prinzipien der ökonomischen Maximierung

Selbst Geld als möglicher Maßstab für die Bedingung eines glücklichen Lebens ist kein hinreichendes Kriterium. Zumindest nicht dann, wenn ein Grundmaß an finanzieller Sicherheit gewährleistet ist. Die amerikanischen Glücksforscher Ed Diener und sein Sohn Robert Biswas-Diener haben in einer Studie gezeigt, dass das Glücksniveau nicht mit dem eigenen Wohlstand steigt. Auch Untersuchungen des griechischen Volkswirts Stavros Drakopoulos bestätigen diese Erkenntnis, der in seinen Forschungen den Zusammenhang von Werten und Wirtschaftstheorie herausarbeitet. Ina Schmidt ergänzt: „Diese Forschungen zeigen, dass wir, um glücklich sein zu können, zwar keine finanzielle Not leiden oder ständig finanzielle Sorgen mit uns herumtragen dürfen, sich das Glück aber dennoch einfach nicht an die Prinzipien ökonomischer Maximierung halten will.“ Ina Schmidt gründete 2005 die „denkraeume“, eine Initiative, in der sie in Vorträgen, Workshops und Seminaren philosophische Themen und Begriffe für die heutige Lebenswelt verständlich macht.

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Bei Burn-out gibt es mehr als 130 Symptome

Weltweit wird an Verfahren gearbeitet, um Burn-out präzise diagnostizieren zu können. Doch die Wissenschaftler sind sich untereinander nicht einig. Mehr als 130 Symptome wurden bislang festgestellt – eine klare medizinische Definition des Begriffes fehlt bis heute. Klaus Biedermann erklärt: „Burn-out wird im ICD-10, der internationalen Klassifikation der Erkrankungen, nach wie vor nicht als eigenständiges Krankheitsbild geführt. Dr. Manfred Lütz spricht da eher von einer Befindlichkeitsstörung.“ Wie immer man dieses Phänomen auch nennen mag – inzwischen leiden Millionen Menschen daran. Allein in Deutschland schätzt man die Zahl der Betroffenen auf neun Millionen. Mehreren Untersuchungen zufolge gehört fast ein Drittel aller Ärzte dazu. Dr. phil. Klaus Biedermann leitet seit mehr als 30 Jahren Selbsterfahrungskurse und Burn-In-Seminare in seiner Sommerakademie auf der Insel Korfu.

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Seine primäre Heimat kann kein Mensch wählen

Heimat ist ein Zufall. Sie fällt einem Menschen zu und ist immer schon da. Man kann seine Heimat nicht verantworten, wie man auch nichts kann für das Faktum seiner Geburt. Christian Schüle fügt hinzu: „Der Mensch kann seine primäre Heimat nicht wählen, was er wählt, ist ein Zuhause. Oder eine zweite, dritte, vierte, Wahlheimat.“ Heimat ist Schicksal, wohingegen Wahlheimat das Ergebnis einer Befreiung vom Schicksal der Heimat ist; die gewählte Heimat ist frei vom Verhängnis einer auferlegten Zuschreibung der Identität. Heimat hingegen trägt manchmal schwer an der Unfreiheit einer nicht gehabten Wahl, an diesem Ort, in dieser Zeit geboren worden zu sein. Christian Schüle ist freier Autor und Publizist. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt er Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

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Sex ist gefährlich und mit Schmerz verbunden

Sex kann einzigartige Empfindungen der Lust erzeugen, aus Fremden Liebende werden lassen und einer Zweierbeziehung Dauer und Leidenschaft verleihen. In den Medien wird er oft als harmloses Vergnügen präsentiert, das für Fitness, Gesundheit und Wellness sorgt. Ihn darf nichts stören, weder Eifersucht noch Liebeskummer, noch Scham, noch die Angst vor dem Versagen. Thomas Junker fügt hinzu: „Für die negativen Seiten hat man oft die traditionelle, vor allem die religiöse Sexualmoral verantwortlich gemacht und sich von einer liberaleren Gesellschaft eine bessere, angst- und stressfreiere Sexualität erhofft.“ Ganz falsch ist das sicher nicht. Aber es ist für Thomas Junker auch nicht die ganze Wahrheit. Denn die Tatsache, dass Sex gefährlich, anstrengend und mit Schmerz verbunden ist, liegt in seiner biologischen Natur.“ Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.

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Emotionen bestimmen die sozialen Interaktionen im Alltagsleben

Menschen verstehen, was andere fühlen, indem sie aufmerksam ihren Emotionen folgen, die die sozialen Interaktionen im Alltagsleben bestimmen. Eine Person drückt ihre Emotionen aus, indem sie ihre Gesichtsmuskeln zusammenzieht, den Ton wechselt, die Körperhaltung ändert, den Kopf hebt oder senkt, bestimmte Gesten macht oder den Blick und die Berührungen ein wenig variiert. Dacher Keltner ergänzt: „Diese emotionalen Signale dauern gewöhnlich nur ein paar Sekunden, bilden aber die Grundlage dafür, wie sich die Menschen miteinander verbinden. Die Emotionen geben uns Informationen über den Gemütszustand der Menschen, über ihre Absichten und ihre moralische Haltung in der jeweiligen Situation.“ Die eigenen Emotionen lösen bei anderen Menschen ganz bestimmte Reaktionen aus. Dacher Keltner ist Professor für Psychologie an der University of California in Berkeley und Fakultätsdirektor des UC Berkeley Greater Good Science Center.

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Eyal Winter stellt das Gefangenendilemma vor

Das sogenannte „Gefangenendilemma“ ist das vielleicht meiststrapazierte Paradox in der sozialwissenschaftlichen Literatur. Eyal Winter betrachtet kurz die Elemente des Gefangenendilemmas: „Zwei des Bankraubs Verdächtigte werden verhaftet. Der Polizei fehlt es jedoch an ausreichenden Beweisen. Ohne Geständnis von mindestens einem der Tatverdächtigen muss die Polizei beide zwangsläufig freilassen.“ Beide Gefangenen sind in separaten Zellen eingesperrt. Dabei bietet man jedem folgenden Deal an: Wenn einer von beiden gesteht, während der andere schweigt, wird der Geständige freigelassen. Der Nichtgeständige wird verurteilt und muss eine fünfjährige Haftstrafe verbüßen. Wenn beide gestehen, werden beide verurteilt, allerdings nur zu vier Jahren Gefängnis. Die Verdächtigen wissen auch, dass die Polizei sie nicht des Bankraubs überführen kann, wenn beide schweigen, sondern sie nur wegen Raserei bei der Verfolgung belangen kann, wofür sie einen Monat absitzen müssten. Eyal Winter ist Professor für Ökonomie und Leiter des Zentrums für Rationalität an der Hebräischen Universität von Jerusalem.

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Der Gebildete scheint aus der Zeit gefallen zu sein

Alle reden von Bildung. Nur mit ihr lässt sich in rohstoffarmen Ländern wie Deutschland und Österreich der Wohlstand von heute auch in Zukunft erhalten. Während das Schlagwort Bildung jeden Tag in vielen Medien an vorderster Stelle steht, ist der Gebildete, das eigentliche Ziel aller Bildungsanstrengungen, nicht nur aus dem Wortschatz verschwunden. Es scheint sogar so, als hätte sich jeder ernsthafte Bildungsanspruch zu einem Ärgernis entwickelt. Die Gründe dafür nennt Konrad Paul Liessmann in seinem neuen Buch „Bildung als Provokation“. Um zu fundierten Ergebnissen zu gelangen, hat er die Parteienlandschaft und soziale Netzwerke untersucht. Außerdem geht er der Frage nach, warum es für viele Menschen so unangenehm ist, gebildeten Personen zu begegnen. Konrad Paul Liessmann ist Professor am Institut für Philosophie der Universität Wien.

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Die Moderne ist die Zeit der universellen Sichtbarkeit

Da mit dem Tod Gottes kein zentrales Sinnprojekt mehr auszumachen ist, und es also auch keine zentrale Steuerungsinstanz gibt, kann die Gesellschaft nur funktionieren, wenn die Steuerung dem Einzelnen übertragen wird. Maximilian Probst ergänzt: „Das tut der Einzelne umso eher und vollständiger, je stärker er das Gefühl hat, selbst diese Steuerung zu wollen und ihre Ausrichtung zu bestimmen.“ So wie Hans-Georg Gadamer meinte, die Selbstbestimmung des Individuums sei „nur ein Flackern im Stromkreis des geschichtlichen Lebens“, so erscheint nun auch die eigene Freiheit, die eigene Freigeistigkeit als irrlichternde Chimäre im gesellschaftlichen Ganzen. Für Michel Foucault erscheinen die Menschen nur frei, wenn sie vergessen, dass sie lediglich frei sind, das zu tun, was die Gesellschaft ohnehin von ihnen verlangt. Der Journalist Maximilian Probst schreibt seit 2011 vorwiegend für die Wochenzeitung die „Zeit“.

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Das Thema eines Traums ist ein Gefühl

Beim Träumen hat der bewusste Geist den Gedächtnishahn weit geöffnet, und die Erinnerungen strömen hinaus. Das eine führt zum anderen. Beängstigende oder schmerzliche Erinnerungen tauchen auf. Der bewusste Geist kann nur noch eines tun: Er improvisiert aus dem vorhandenen Material eine zusammenhängende Handlung oder versucht es zumindest. Der amerikanische Traumforscher Allan Hobson bezeichnet die Traumgedanken zusammenfassend als „unlogisch, bizarr“. Diese weitverbreitete Auffassung ist nach der Überzeugung von David Gelernter nicht ganz richtig: „Wie im Wachzustand, so sind unsere bewussten Gedanken auch im Traum ein rationaler Versuch, der Realität einen Sinn zu geben.“ Wenn ein Mensch schläft, besteht die Realität aus dem inneren Bereich des Bewusstseins – und dann präsentiert sie dem Schlafenden eine Reihe von Erinnerungen, die in ihrer Abfolge wahrscheinlich keinen Sinn ergeben und auch jeweils schadhaft oder entstellt sein können. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Skeptiker werden von ihren Mitmenschen oft negativ bewertet

Pyrrhon aus dem griechischen Elis (ca. 360 – 270 v. Chr.) und seine Nachfolger professionalisieren das Zweifeln zur grundsätzlichen Skepsis, bei der heute ein deutlich negativer Beiklang mitschwingt. Ludger Pfeil nennt den Grund: „Der Skeptiker steht in unserer Welt der Effizienzanbetung, in der dem schnellen Entscheiden und Handeln gehuldigt wird, im Generalverdacht, zu lange zu zögern und damit den ganzen Betrieb aufzuhalten.“ Nicht wirklich zu Recht, denn aus eigener Erfahrung kann man wie die alten Griechen wissen: Die Dinge sind in Wirklichkeit nicht unbedingt so, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Vieles nickt man leichtfertig ab, weil es die anderen behaupten, weil die Gewohnheit dazu verleitet oder schlicht weil es so in den eigenen Kram passt. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Der Mensch muss das Wesen seiner Existenz selbst bestimmen

Søren Kierkegaard vertritt die Ansicht, dass alle Menschen und Situationen einzigartig sind, sodass auch die Entscheidungen und Verpflichtungen ganz individuell getroffen werden müssen. Søren Kierkegaard erhebt auch den Anspruch, den Einzelnen und das Allgemeine zusammenzubringen. Die Pflicht ist für ihn nicht etwas, das sich aus den Abwägungen der Vernunft erschließt, sondern auch etwas Gefühltes, für das vor allem die Tiefe als Maßstab gilt. Søren Kierkegaard schreibt: „Und beim Ethischen kommt es ja nicht auf die Mannigfaltigkeit der Pflichten, sondern auf ihre Intensität an.“ Ludger Pfeil stellt fest: „Viele Menschen fühlen sich heute nicht mehr in gleicher Weise an Prinzipien gebunden, die ihnen von Autoritäten vorgegeben werden, sondern wollen von Fall zu Fall eigenständig entscheiden, was das Richtige in einer bestimmten Situation darstellt.“ Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Der Wille ist der Ursprung des Selbstbewusstseins

Mit jedem Entschluss wird etwas „ent-schlossen“, was vorher „ver-schlossen war: das Selbst. Es steht also immer wieder neu zum willentlichen Entschluss an. Das freie Selbst drückt sich permanent aus, äußert sich ständig. Anja Förster und Peter Kreuz erklären: „Das Individuum versichert sich durch sein Wollen und Tun seiner Identität. Ich will, ich kann, ich tue – dadurch entsteht erst das Ich, das sich durch sein Wollen, Können und Tun selbst erfährt.“ Deswegen ist der Wille der eigentliche Ursprung des Selbstbewusstseins. Die Energie für die Taten des freien Menschen kommt von innen. Nur dann erfährt sich der Mensch als eigenständig und für-sich-stehend. Denn wenn ein Mensch aus innerem Antrieb heraus in die Welt wirkt, dann wird er auf Widerstände stoßen. Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.

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Salman Rushdie legt mit „Golden House“ einen Gesellschaftsroman vor

Der Schriftsteller Salman Rushdie, der sich mit seinem Buch „Die Satanischen Verse“ im Alleingang mit islamistischen Fundamentalisten anlegte, hat jetzt einen Roman über das Amerika des vergangenen Jahrzehnts geschrieben. Er trägt den Titel „Golden House“ und ist ein Gesellschaftsroman: Ein indischer Milliardär, der sich Nero Golden nennt, kommt Anfang 2009 mit seinen Söhnen nach New York. Zur gleichen Zeit lebt dort ein anderer Milliardär, denn alle Joker nennen, in Anspielung auf den Bösewicht der Batman-Comics. Dieser Joker fasst irgendwann einmal den Plan, Präsident der USA zu werden. Niemand nimmt seine politischen Ambitionen ernst. Doch es kommt anders. Der Joker wird Präsident und stellt anschließend die Grundlage des freien Amerika infrage. Hauptthema des Buchs sind die schwankenden, ungewissen Identitäten aller Figuren.

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Optimisten sind Pessimisten haushoch überlegen

Jens Weidner vertritt in seinem Buch „Optimismus“, dass es Optimisten besser geht, weil zu zufriedener, hoffnungsvoller, erfolgreicher und den Pessimisten damit haushoch überlegen sind. Der Autor hat keinen klassischen Ratgeber geschrieben, der dem Leser sagt, was er tun oder lassen soll, aber es liefert alle Zutaten, die man braucht, um ein Optimist zu werden und zu bleiben. Denn der Optimismus kommt nicht von allein, man muss schon dafür arbeiten. Und wer es im Leben ganz weit bringen möchte, sollte möglichst viel Energie darauf verwenden, ein herausragender Optimist zu werden, der sich durch nichts erschüttern lässt. Mit einer optimistischen Einstellung zum Leben lassen sich hohe Ziele mit höherer Wahrscheinlichkeit erreichen, denn der Glaube ans Gelingen kann Berge versetzen. Jens Weidner ist Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie.

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