Jens Gnisa warnt vor dem Ende der Gerechtigkeit

Das neue Buch „Das Ende der Gerechtigkeit“ von Jens Gnisa handelt vom Ringen der Politik und der Justiz um das Recht. Zu oft sind sie dabei Gegner. Jens Gnisa kritisiert: „Unser Volksvertreter sind dabei, eine der wichtigsten Säulen der Demokratie, die unabhängige Rechtsprechung, einstürzen zu lassen.“ Seiner Meinung nach haben das Recht und seine sorgsame Pflege außerhalb der Justiz nur noch wenige Fürsprecher. Jens Gnisa gibt zwar zu, dass das Recht manchmal unbequem, oft sperrig und häufig langsam ist, aber dennoch ist es in einer funktionierenden Demokratie einfach unentbehrlich. Recht kann nur mit einer unbestechlichen Justiz funktionieren. Und obwohl Deutschland hier Meilensteine setzt, verliert die Bevölkerung mehr und mehr ihr Vertrauen in den Rechtsstaat. Jens Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2016 Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

Viele Menschen akzeptieren das Recht nicht mehr

Jens Gnisa klagt an: „Unser Staat hat aufgehört, sich durchsetzen zu wollen. Das ist eine fatale Entwicklung. Denn Recht, das nicht durchgesetzt wird, findet keine Beachtung. Die Menschen respektieren es nicht mehr.“ Und dies obwohl das gesamte Recht in Deutschland die wichtigsten Grundsätze einer humanen Gesellschaft berücksichtigt: Menschenwürde, Menschlichkeit und die Gleichheit aller. Das Grundgesetzt als oberstes Gesetz sichert das allen Bürgern zu. Jedes andere Gesetz hat diese Werte zu berücksichtigen, darüber wacht das Bundesverfassungsgericht.

Viele Bürger verstehen nicht, dass moralische Argumentation im Gerichtssaal nichts zu suchen hat, weil sie Ausfluss des Zeitgeistes sind und damit keine stabile Grundlage des Rechts. Juristen erschließen sich immer zuerst den Sachverhalt und versuchen dies völlig frei von Wertungen zu tun. Der Sachverhalt sollte möglichst lückenlos und unverfälscht von zu frühen Bewertungen sein. Steht dieser, legt der Jurist eine rechtliche Schablone darüber. Im Zivilrecht beispielsweise sucht er nach einer Vorschrift, die das Begehren der Partei erfüllt, die Anspruchsgrundlage.

Nur über das Recht lässt sich Willkür verhindern

In einem der Kapitel seines Buches „Das Ende der Gerechtigkeit“ unterzieht Jens Gnisa die Urteile der Bürger über die Strafjustiz einem Faktencheck. Zum Beispiel den Vorwurf, dass die Straftaten zunehmen und nichts dagegen unternommen wird. Jens Gnisa schreibt: „Das stimmt nicht: Bis 2014 war der Trend eindeutig und überwiegend erfreulich: Die Zahl der polizeilich registrierten Straftaten war stark gesunken.“ Trotzdem hatten viele Bürger schon vor dem Flüchtlingsstrom den Eindruck gehabt, die Kriminalität steige seit Jahren an. Wahrnehmung und Wirklichkeit klaffen also auseinander.

Auf den letzten Seiten ruft Jens Gnisa zur Rettung des Rechtsstaats auf. Er beschreibt, was die Politik, die Justiz und die Bürger ändern müssen. Denn eine unabhängige Justiz und stabile Rechtssicherheit sind die Garanten des Rechtsstaats – der einzigen Staatsform, die in Zeiten multiethnischer, multikultureller und multireligiöser Globalisierung längerfristig Bestand haben kann. Und eines sollte jedem Bürger klar sein: Nur über das Recht lässt sich Willkür verhindern und Freiheit auf der Basis von Sicherheit durchsetzen.

Das Ende der Gerechtigkeit
Ein Richter schlägt Alarm
Jens Gnisa
Verlag: Herder
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten, 2. Auflage : 2017
ISBN: 978-3-451-37729-7, 24,00 Euro

Von Hans Klumbies