Der Traum ist der „Königsweg“ zum Unbewussten

Träume spielen sich nach Sigmund Freuds Auffassung nicht im Unbewussten ab, sondern im Gegenteil im Bewusstsein. Ihre Verbindung zum Unbewussten ist seiner Meinung nach anderer Natur. Philipp Hübl erklärt: „Die Trauminhalte, die bizarren Bilder und Eindrücke in Träumen, haben Sigmund Freud zufolge ihren Ursprung im Unbewussten. Um dem näher zu kommen, muss man die Inhalte der Träume sorgfältig analysieren, denn darin zeigen sich die unbewussten Wünsche.“ Weil Wünsche sich im Schlaf besonders auffällig umformen, hielt Sigmund Freud den Traum für den „Königsweg“ zum Unbewussten. Im Traum brodeln die Energien des Es so stark, dass der Zensor überlastet ist. Am Tag kann er zwar fast alle geheimen Wünsche zurückhalten, doch jetzt drängen sie mit Macht ins Bewusstsein. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

Allan Hobson hält Träume für Halluzinationen

Als Wächter des Schlafes bleibt dem Zensor die einzige Möglichkeit, die geheimen Wünsche zu verschieben oder symbolisch umzuwandeln. Der Traum hat dabei die Funktion, den Schlaf zu behüten, denn gelangten die Wünsche in ihrer rohen Kraft unverhüllt ins Traumbewusstsein, entstünde ein Alptraum, und der Schlafende würde sofort erwachen. In der zeitgenössischen Traumforschung geht so gut wie niemand mehr davon aus, dass Träume die Funktion haben, den Schlaf zu erhalten, oder dass sie geheime Botschaften transportieren.

So hält der Amerikaner Allan Hobson, einer der führenden Forscher, Träume für Halluzinationen, die einer vorübergehenden harmlosen Psychose ähneln. Viel spricht eher dafür, dass Träume ein funktionsloses Nebenprodukt der Evolution sind oder allenfalls Grundthemen der Menschheit durchspielen wie Kämpfen, Jagen, Fliehen und Essen. Philipp Hübl ergänzt: „Träume verraten Forschern viel darüber, wie unser assoziatives Gedächtnis funktioniert, aber kaum etwas über die Sorgen und Ängste der Träumenden.“

Verdrängte Wünschen kommen durch Versprecher wieder zum Vorschein

Neben Träumen hielt Sigmund Freud die Untersuchung von Fehleistungen für einen weiteren Pfad ins dunkle Seelenleben. Auch am Tage würden die Menschen ihre Wünsche verdrängen, aber sie kämen zum Beispiel als Versprecher wieder zum Vorschein. Diese Beobachtung ist zuerst einmal nicht abwegig. Im Alltag gehen einem Menschen viele Gedanken durch den Kopf, die er lieber nicht aussprechen sollte. In der zeitgenössischen Psychologie nennt man dieses Phänomen ironisches Verhalten.

Über die Triebe sagt Sigmund Freud folgendes: „Die Trieblehre ist sozusagen unsere Mythologie. Die Triebe sind mythische Wesen, großartig in ihrer Bestimmtheit.“ Der Patient erzählt dem Psychoanalytiker eine Geschichte, und der wiederum interpretiert sie durch eine neue Geschichte, indem er Mythen in seine Novelle hineinliest. Daher ist es fraglich, ob in der Symboldeutung überhaupt noch die Funktion liegen kann, das Seelenleben eines Menschen offenzulegen. Neben der Beliebigkeit der symbolischen Interpretation entspringt das zweite Hauptproblem von Sigmund Freuds obskurer Triebtheorie aus der unklaren Verwendungsweise der Wörter „Trieb“ und „Wunsch“. Quelle: „Der Untergrund des Denkens“ von Philipp Hübl

Von Hans Klumbies