Die schwache Wahlbeteiligung der jungen Generation in Großbritannien, der unter anderem zum Austritt des Landes aus der Europäischen Union (EU) führte, ließ eine alte Debatte büer die sogenannte „Generation Y“ wieder aufleben: Die zwischen 1985 und 2000 geborenen seien angepasst, verwöhnt, spießig, mutlos und vor allem unpolitisch. Während ihre Groß- und Elterngeneration Ende der Sechzigerjahre regelmäßig auf die Straße ging und gegen bestehende Konventionen rebellierte, machen es sich junge Erwachsene heute lieber in ihrem privaten Schneckenhaus bequem. Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier beschäftigt sich seit Jahren mit den Wünschen und Sorgen von Heranwachsenden. In den Umfragen von 2016 mit mehr als tausend österreichischen jungen Menschen stach eine Zahl hervor: 75 Prozent sehnen sich nach einem Halt im Leben – nach einem verlässlichen Lebensentwurf, einer planbaren Zukunft.
Die jungen Menschen leben in einer permanenten Krisensituation
Bernhard Heinzlmaier stellt fest: „Die jungen Leute sind auf der Suche nach einem sicheren Grund unter ihren Füßen. Alles ist schnell und flüssig, nichts hat Bestand. Es ist schwierig, vom Status quo auf die Zukunft zu schließen. Das ist das Grundgefühl der Generation.“ Schuld sind nicht zuletzt die vielen Krisen, mit denen die „Millennials“ aufgewachsen sein: Zuerst 9/11, dann die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, weitere Terroranschläge, Bildungskrise, EU-Krise, Euro-Krise. Bernhard Heinzlmaier erklärt: „Die jungen Menschen leben in einer permanenten Krisensituation, jeden Tag wird ihnen von einer neuen berichtet.“
Der Jugendforscher fügt hinzu: „In so einer Phase der totalen Unsicherheit kann es keine Aufbruchsstimmung geben. Die Jungen haben den Glauben an die Gesellschaft verloren. Sie glauben nicht, dass sie etwas bewirken können, Politik interessiert sie nicht. Das Einzige, dass sie selber beeinflussen können, ist das individuelle, private Leben – sei es die Familie, Freunde oder der Körper.“ Der Nationalratsabgeordneter der Grünen, Julian Schmid, ergänzt: „Viele haben das Gefühl, die Politik ist wie ein Karussell – man steht außerhalb und schaut zu, wie es sich um sich selber dreht.“
Gesellschaftliches Engagement ist auch in NGOs oder Vereinen möglich
Julian Schmid fährt fort: „Das stimmt auch. Die alte Politik denkt zu kurzfristig, schaut nur auf die nächste Wahl – das turnt ab. Macht es aber nicht weniger wichtig, dass man aktiv wird.“ Gesellschaftliches Engagement bedeutet heute nicht mehr bedingt, einer Partei beizutreten, sondern auch NGOs oder Vereinen.“ Manche verorten in der Schule die Wurzel allen Übels, wo Kinder früh lernen, sich einem standardisierten System anzupassen. Gleichzeitig wird der Ruf nach kritischen, neugierigen und engagierten jungen Menschen immer lauter.
Die Familienpsychologin Theresia Kosicek ist davon überzeugt, dass das nicht zusammenpasst: „Die Aufforderung: >Spure so, wie das System es will und hinterfrage gleichzeitig kritisch!< zu erfüllen, ist schwierig.“ Für die Expertin stellt sich die Frage: „Darf ich in diesem Bildungssystem, das Menschen >bildet<, tatsächlich überlegen, was mir Freude macht, was mich erfüllt – oder werde ich angehalten, mir zu überlegen, was mich am ehesten vorwärtsbringt? Und oft sind es nicht die Worte, die Kinder hören, sondern die Rahmenbedingungen, Zugangsbestimmungen zu Ausbildungen oder Benotungsschlüssel, die ihnen >beibringen<, was zählt.“ Von Hans Klumbies