Verschiebung und Verdichtung gestalten den Traum

Der Traum ist für Sigmund Freud das Ergebnis einer „sekundären Bearbeitung“ von Erfahrungsresten, die er in seiner „Bilderschrift“ gleichzeitig „verdichtet“ und „verschiebt“, das heißt: konzentriert und umlenkt. Sigmund Freud schreibt: „Traumverschiebung und Traumverdichtung sind die beiden Werkmeister, deren Tätigkeit wir die Gestaltung des Traumes hauptsächlich zuschreiben dürfen.“ Der Traum sei knapp, armselig, lakonisch im Vergleich zu dem Umfang und zur Reichhaltigkeit der Traumgedanken. Der Traum fülle niedergeschrieben eine halbe Seite; die Analyse, in der die Traumgedanken enthalten seien, bedürfe das sechs-, acht-, zwölffache an Schriftraum. Peter-André Alt ergänzt: „Der Traum ist überbestimmt, denn er entsteht aus der Konzentration, die im Verdichtungsprozess stattfindet.“ Dabei kommt es häufig zu einer direkten Veranschaulichung der in einem Wort bezeichneten Bedeutung. Peter-André Alt ist Professor für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der Freien Universität Berlin.

Im Traum ist alles nach einer ganz eigenen Logik geordnet

Der Traum behandelt Wörter wie Dinge, die er bildhaft erscheinen lässt. Über die Verschiebung bemerkte Sigmund Freud: „Was in den Traumgedanken offenbar der wesentlichste Inhalt ist, braucht im Traum gar nicht vertreten zu sein. Der Traum ist gleichsam anders zentriert, sein Inhalt um andere Elemente als Mittelpunkt geordnet als die Traumgedanken.“ Während die Verdichtung eine Überbestimmung leistet und dadurch die Interpretation erschwert, verhindert die Verschiebung ein direktes Verstehen durch Schaffung neuer Zusammenhänge.

Beide Aspekte der Traumarbeit fordern also die Deutung heraus, indem sie eine ursprüngliche Aussage verändern. Sie erzwingen die Unterscheidung zwischen Inhalt und Gedanken des Traums, die für Sigmund Freud wesentlich bleibt. Die Traumarbeit wirke als Pressung, bei der die Stücke gedreht, zerbröckelt und zusammengeschoben werden, etwa wie treibendes Eis. Im Traum ist nichts, wie es scheint, und alles geordnet nach einer neuen, ganz eigenen Logik. Selbst das Denken bildet im Traum ein Material jenseits üblicher intellektueller Tätigkeit.

Die Bildsprache des Traums drückt eine psychische Botschaft aus

Im Jahr 1905 sollte Sigmund Freud schreiben, der Traum sei ein Unternehmer, der sein Kapital aus den Wünschen des Unbewussten beziehe; das gilt auch für die geistigen Wendungen, denen er sich hingibt, und die Ideen, die er produziert. Verdichtung und Verschiebung sind gebunden an das, was Sigmund Freud „Rücksicht auf Darstellbarkeit“ nannte. Der Traum muss stets lesbar bleiben, seine Bildsprache ist nicht nach innen gerichtet, sondern dient der Expression einer psychischen Botschaft. Sie darf nicht direkt vermittelt werden, da sie über Verdichtung und Verschiebung läuft.

Der Traum verändert dank seiner Darstellungsweise logische Verhältnisse, indem er durch Reihung die Kette von Ursachen und Wirkungen, durch Zusammenziehung die Gemeinsamkeiten von Dingen und Erinnerungen zum Ausdruck bringt. Alternativen, These und Gegenrede oder komplexe Zahlenrelationen kann er nur in serieller Form umsetzen. Auch die „Mischbildung“ im Traum gehört zu den Effekten dieser Tendenz. Wenn Menschen sich verwandeln, Personen einander ablösen und ineinander übergehen, so entspricht das exakt der Logik der inneren Verwandtschaft. Quelle: „Sigmund Freud“ von Peter-André Alt

Von Hans Klumbies