Richard Thaler hat als einer der ersten Ökonomen gezeigt, dass das Handeln von Menschen oft unvernünftig ist und damit traditionelle Grundannahmen der Ökonomie auf den Kopf gestellt. In seinem neuen Buch „Misbehaving“ erklärt er anhand vieler Beispiele aus Beruf und Alltag, warum das Konzept des rational handelnden Homo oeconomicus ein fataler Irrglaube ist. Dabei wirft er einen ebenso klugen wie amüsanten Blick auf die psychologischen Grundlagen menschlicher Entscheidungen. Die Kernpromisse der Wirtschaftstheorie lautet, dass Menschen sich so entscheiden, dass sie ihren Nutzen optimieren. Außerdem wird angenommen, dass der Homo Oeconomicus keine verzerrten Entscheidungen trifft. Das heißt, er trifft seine Entscheidungen auf der Grundlage dessen, was Ökonomen „rationale Erwartungen“ nennen. Richard Thaler ist Professor für Behavorial Science and Economics an der University of Chicago. 2017 erhielt er für seine Forschungen zur Wirtschaftspsychologie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.
Die Prämissen der Wirtschaftstheorie sind fehlerhaft
Allerdings gibt es ein Problem: Die Prämissen, auf denen die Wirtschaftstheorie beruht, sind laut Richard Thaler fehlerhaft. Jeder weiß, dass die Welt nicht nur von der Spezies Homo oeconomicus – Richard Thaler nennt sie Econs – bevölkert ist, sondern von fehlbaren Menschen. Deshalb fordert Richard Thaler: „Wir brauchen einen differenzierten Ansatz in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, der die Existenz und Bedeutung realer Menschen aus Fleisch und Blut anerkennt.“ Wobei man nicht damit aufhören muss, abstrakte Modelle zu erfinden, die das Verhalten fiktiver Econs beschreiben.
Mitte der Neunzigerjahre verfolgten Verhaltensökonomen vor allem zwei Ziele. Das erste war ein empirisches: Sie wollten Anomalien sowohl im Verhalten von Einzelpersonen und Unternehmen als auch bei Marktpreisen aufspüren und dokumentieren. Das zweite bestand darin, die Theorie weiterzuentwickeln. Denn Ökonomen würden das Fachgebiet erst dann ernst nehmen, wenn es über formale mathematische Modelle verfügte, die die neu hinzukommenden psychologischen Befunde integrieren konnten.
Richard Thaler sieht die Zukunft der Wirtschaftswissenschaften sehr optimistisch
Seit Richard Thaler vor rund 40 Jahren mit seinen Forschungen begann, hat sich viel geändert. Die Verhaltensökonomik ist nicht länger eine Randdisziplin, und es gilt nicht mehr als verpönt, in einem wirtschaftswissenschaftlichen Aufsatz von ganz normalen Menschen zu schreiben, zumindest nicht bei den meisten Menschen unter 50. Richard Thaler gewöhnt sich langsam an die Vorstellung, dass die Verhaltensökonomik Teil der herrschenden Lehre in den Wirtschaftswissenschaften wird. Aber die Ausarbeitung einer differenzierteren Version der Volkswirtschaftslehre, in der fehlbare Menschen im Mittelpunkt stehen, ist noch lange nicht abgeschlossen.
Richard Thaler fasst zusammen: „Auch wenn ich in diesem Buch hin und wieder mit Ökonomen hart ins Gericht gegangen bin, sehe ich die Zukunft der Wirtschaftswissenschaft doch sehr optimistisch.“ Besonders zuversichtlich stimmt ihn dabei die Tatsache, dass Ökonomen, die sich selbst nicht als „verhaltensorientiert“ bezeichnen würden, in den letzten Jahren einige der besten verhaltensökonomischen Aufsätze publiziert haben. Diese Wirtschaftswissenschaftler wie beispielsweise Justine Hastings und Jesse Shaprio leisten schlichtweg solide empirische Arbeit und interpretieren die Ergebnisse unvoreingenommen.
Misbehaving
Was uns die Verhaltensökonomik über unsere Entscheidungen verrät
Richard Thaler
Verlag: Siedler
Gebundene Ausgabe: 510 Seiten, Auflage: 2018
ISBN: 978-3-8275-0120-2, 28,00 Euro
Von Hans Klumbies