Im Juli 2016 beherrschten erneut grausame Attentate die Schlagzeilen. In Nizza, Würzburg und Ansbach setzten junge Männer die islamische Ideologie in Gewalttaten um und verbreiteten Angst, Unsicherheit und Wut in der Gesellschaft. Ahmad Mansour stellt klar: „Wer versucht, seine islamistische Ideologie mit Gewalt und Angst durchzusetzen, ist ein Fall für Polizei und Sicherheitskräfte.“ Aber für eine andere, viel größere Gruppe sind alle zuständig, da liegt die Verantwortung bei der ganzen Gesellschaft. Es sind Jugendliche, die vielleicht den Salafismus ablehnen, aber die Werte der deutschen Gesellschaft und der Demokratie nicht teilen. Dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind oder dass Eltern ihre Kinder ohne Gewalt erziehen müssen, stellen sie für sich selbst in Frage; sie nehmen sich die Freiheit, allein über ihre eigenen Lebensmaximen zu entscheiden, auch über ihr Sexualverhalten und den Umgang mit ihrem Partner. Ahmad Mansour ist Psychologe und Fachmann für Extremismus.
Die ganze Gesellschaft muss der Generation Allah ihre Aufmerksamkeit widmen
Diese „Generation Allah“ wie sie Ahmad Mansour nennt, bildet die Basis für den Extremismus. Wenn der Extremismusexperte von dieser Generation spricht, meint er diejenigen, die nicht im Fokus des Verfassungsschutzes sind, für die aber ideologische Inhalte und Werte wie selbstverständlich Teil ihrer Identität geworden sind. Ahmad Mansour fügt hinzu: „Mitunter mögen es nur Bruchstücke eines Weltbildes sein, aber bereits diese legen den Grundstein für ein Denken, das leicht in den Islamismus umschlagen kann.
Es bildet sich bei diesen Jugendlichen eine Persönlichkeit heraus, die viel mit patriarchalischen Strukturen, mit einer tabuisierten Sexualität, mit strengen Geschlechterrollen zu tun hat. Ahmad Mansour redet dabei von einem Gottesbild, das durch Angst und Strafe gekennzeichnet ist; von einer heiligen Schrift, die nicht interpretiert werden darf, sondern einzuhalten ist. Er redet von Antisemitismus, Feindbilder und Verschwörungstheorien. Jugendlichen, die sich davon gefangen nehmen lassen, muss die ganze Gesellschaft ihre Aufmerksamkeit widmen. Noch sind die allermeisten zu erreichen.
Die Schulen müssen kritisches Denken einüben
Die Schule ist für Ahmad Mansour der zentrale Ort für diese Aufklärungsarbeit. Das heißt natürlich nicht, dass sie der einzige Ort ist – Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe –, aber nur in der Schule besteht die Möglichkeit, jungen Menschen mit unterschiedlichen familiären, sozialen und religiösen Hintergründen über einen längeren Zeitraum zusammenzubringen und sie für die demokratische Gesellschaft und ihre Werte zu interessieren und zu gewinnen. In Deutschland und überall in Europa muss man verstehen, dass Schulen nicht nur Bildung vermitteln, sondern dass sie für „marginalisierte Gruppen“ vor allem dem sozialen Lernen, der Sozialisation dienen und zwar oft als einzige Institution.
In der Schule können, dort müssen Kinder erfahren, dass es Raum für Denken und Fragen, Spielen und Lernen gibt, dass Kritik aufregend und Demokratie spannend sein kann. Hier können sie sich mit ethischen und politischen Fragen beschäftigen. Wer einmal gelernt hat, seine eigene Position zu hinterfragen, ist weitaus besser immunisiert gegen Extremismus. Ahmad Mansour fordert: „Die Schulen müssen kritisches Denken einüben. Nicht nur Lehrer, wir alle müssen in einer differenzierten Art und Weise über politische Ereignisse wie den Bürgerkrieg in Syrien und den Nahostkonflikt reden und dürfen solche heiklen Themen nicht übergehen. Denn viele Jugendliche sind aktiv auf der Suche nach Erklärungen für diese Kriege und politische Auseinandersetzungen. Quelle: Chrismon
Von Hans Klumbies