Technik und Genetik sollen den Menschen verbessern

Aktuell arbeitet die Menschheit an einem Entwurf des perfekten Menschen. Es geht um die Verbesserung und Veränderbarkeit des Menschen in einem neuen Sinn. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Nicht durch Erziehung und Bildung, nicht durch Moral, Aufklärung und eine humanistische Kultur soll die Verbesserung des Menschengeschlechts erreicht werden, wohl aber durch Technik und Genetik.“ Für den Soziologen Dierk Spreen befindet sich die moderne Gesellschaft schon jetzt in einer „Enhancement-Gesellschaft“, in der vor allem die Optimierung des Körpers durch Manipulationen, Zusammenschlüsse mit Mikromaschinen und Prothesen zu einem alltäglichen Phänomen geworden ist. Unübersehbar ist auch ein sich allmählich wandelndes Selbstverständnis des Menschen, ein Wandel des Menschenbildes. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Kinder werden als Humanressource betrachtet

Für die Pädagogik etwa hat dieser Wandel des Menschenbildes eine entscheidende Bedeutung. Konrad Paul Liessmann erläutert: „Anstelle traditioneller Konzepte, die durch Begriffe wie Erziehung, Entfaltung, Reifung, aber auch Disziplinierung, Schulung und Anpassung gekennzeichnet waren, dominieren nun Formeln, die das Kind und den Heranwachsenden als Humanressource sehen, die mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln optimiert und ausgeschöpft werden muss.“ Die Zielvorstellung dahinter ist das Phantasma der Perfektion, das alle erfasst hat: Eltern, Kinder, Lehrer.

Es geht immer nur um das Beste: die besten Kindergärten, Volksschulen, Lehrer, Universitäten; die Optimierung von Talenten, Anlagen und Begabungen; die permanente Kontrolle und Selbstkontrolle zum Zwecke der Leistungssteigerung: von der Apple-Watch bis zum Self-Monitoring, das weite Bereiche vor allem auch der pädagogischen Berufe und deren Ausbildungsgänge erfasst hat. Unendliche Feedback-Schleifen, mit dem Ziel, immer alles besser zu machen. Das wirklich Tröstliche daran ist für Konrad Paul Liessmann, dass von all diesen Optimierungen bis jetzt zumindest ziemlich wenig zu merken ist.

Der Mensch nimmt die Evolution in die eigenen Hände

Was eigentlich der Mensch ist, weiß man in einem ontologischen oder anthropologischen Sinn heute weniger denn je. Anstelle vermeintlicher anthropologischer Gewissheiten sind längst Modelle und Entwürfe getreten, die den Menschen immer wieder neu konstruieren. Der Schöpfergott der Genesis hat ebenfalls abgedankt, denn der Mensch gefällt sich zunehmend darin, seine Evolution programmatisch in die eigenen Hände zu nehmen, zum Schöpfer seiner selbst zu werden. Eines treibt den Menschen um, seit er über sich nachdenkt: dass er dasjenige Wesen ist, das sich selbst immer erst herstellen muss.

Die Möglichkeiten des Menschen, sich immer wieder neu zu bestimmen und neu zu entwerfen, hatte nicht nur eine stark ästhetische Ausrichtung, sondern fand im Ich auch den entscheidenden Maßstab. Die aktuellen Debatten, die weniger das ästhetische Potential als vielmehr die technischen Möglichkeiten sehen, sprechen lieber von „Human Enhancement“ und zielen ebenso auf die Optimierung des menschlichen Körpers und seiner Leistungsfähigkeit wie auf die Verbesserungsmöglichkeiten geistiger und emotionaler Ressourcen. Quelle: „Neue Menschen!“ von Konrad Paul Liessmann (Hrsg.)

Von Hans Klumbies