Lernen stärkt den Geist

Die Diskussion über den Wert von Wissen ist – wie viele andere Debatten – erstmals im antiken Griechenland dokumentiert. Der Philosoph Heraklit (c. 535 – ca. 475 v. Chr.) behauptete in Zusammenhang mit einer bestimmten Spezies vielseitiger Individuen: „Vielwisserei lehrt nicht, Vernunft zu haben.“ Andererseits versicherte der Philosoph Empedokles (ca. 495 – 435 v. Chr.): „Lernen stärkt dir den Geist.“ Peter Burke fügt hinzu: „Und es ist fraglos nicht ohne Bedeutung, dass manche Griechen die Göttin Polymatheia verehrten.“ In diversen Formen wurde diese Debatte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder neu belebt, wobei der Inhalt stets derselbe blieb, Gewichtungen und Umstände sich jeweils unterschieden. Peter Burke lehrte 16 Jahre an der School of European Studies der University of Sussex. Im Jahr 1978 wechselte er als Professor für Kulturgeschichte nach Cambridge ans Emmanuel College.

Pythagoras war ein spiritueller Lehrer

Der wesentliche Konflikt besteht zwischen Breite und Tiefe, zwischen Isaiah Berlins „Fuchs“, der „viele Dinge weiß“, und seinem „Igel“, der „eine große Sache weiß“. Dieser Kontrast vermengt sich an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten. Dabei entstehen Konflikten zwischen Amateuren und Experten, Theorie und Praxis, reinem und angewandtem Wissen, Detail und Gesamtbild, Strenge und Impressionismus. Verlässt man den Rahmen des Allgemeinen und wendet sich Einzelpersonen mit unterschiedlichen Arten des Wissens zu, so könnte man bei Pythagoras und den Sophisten beginnen.

Pythagoras von Samos (ca. 570 – ca. 495 v. Chr.) interessierte sich für unterschiedlichste Dinge, von Reinkarnation bis Athletik und Vegetarismus. Er war ein spiritueller Lehrer oder Guru, der so etwas wie eine Sekte gründete. In Erinnerung geblieben ist er aber als Mathematiker, und vor allem als Urheber eines berühmten Lehrsatzes, auch wenn dies umstritten ist. Die Reaktionen, die Pythagoras hervorrief, waren zwiespältig, was ebenso für die Rezeption vieler späterer Universalgelehrter gilt.

Ein berühmter Sophist war Hippias von Elis

Auch in seinem Fall vertraten Empedokles und Heraklit gegenteilige Auffassungen. Jener pries ihn als „einen Mann von immensem Wissen“, während ihn dieser als „Fürsten der Schwindler“ kritisierte. Breiter gestreute Interessen als Pythagoras verfolgten die sogenannten „Sophisten“, die man als wandelnde Enzyklopädien bezeichnen könnte. Sie waren „Wanderlehrer“, die unterschiedliche Fächer unterrichteten. Manche von ihnen behaupteten, sie seien imstande, jede beliebige Frage zu beantworten.

Die Sophisten boten ihren Zuhörern die Möglichkeit, sie in der Weise zu befragen, wie man heutzutage gedruckte oder digitale Enzyklopädien konsultiert. Einer der berühmtesten dieser Sophisten war Hippias von Elis (ca. 460 – 399 v. Chr.) Er lehrte Astronomie, Mathematik, Grammatik, Rhetorik, Musik, Geschichte, Philosophie und Mnemotechnik. Was man heute über ihn weiß, verdankt die Gegenwart einem Dialog von Platon, „Hippias Minor“, in dem er als arroganter Prahlhans erscheint, dessen Behauptungen von Sokrates Punkt für Punkt widerlegt werden. Quelle: „Giganten der Gelehrsamkeit“ von Peter Burke

Von Hans Klumbies