Das, was einst das Wesen einer Universität ausmachte, die Freiheit in Forschung und Lehre, ist laut Konrad Paul Liessmann zu einer lästigen Randerscheinung geworden, die den Betrieb nur noch stören, nicht mehr zu befördern vermag. Der Verdacht, dass die Wissenschaft und ihre Lehre nicht mehr frei, sondern auch an staatlichen Universitäten und Hochschulen an letztlich ökonomische Kriterien und Erwartungen gebunden sind, ist für Konrad Paul Liessmann nicht unbegründet: „Das mag im Trend einer Zeit liegen, in der Messbarkeit und wirtschaftliche Effizienz zu den obersten Maximen geworden sind, aber auch Menschen, die wenig dagegen haben, dass auf dieser Erde nahezu alles käuflich ist, beschleicht ein Unbehagen, wenn die Rede davon ist, dass die Wahrheit vor Gericht, die Wahrheit in der Politik und eben auch die Wahrheit in der Wissenschaft nur eine Frage des angemessenen Preises ist. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.
Das Geld ist dem Wissen gegenüber radikal fremd
Und wenn es Dinge gibt, die man auch in einer marktorientierten Gesellschaft für Geld nicht kaufen können sollte, dann ist die Wahrheit sicher ein Kandidat dafür. In der europäischen Kultur beginnt die Debatte über die Käuflichkeit des Wissens schon mit Platons Kritik an den Sophisten. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Für Platon waren diese nämlich weniger Weisheitslehrer als vielmehr Händler. Sie brachten keine Erkenntnisse hervor, sondern gaben rhetorische Kunstgriffe, Argumentationstechniken und interessenbezogene Scheinwahrheiten gegen Bezahlung an ihre Schüler weiter.“
Der Fortschritt der europäischen Wissenschaften war mit der Absage an die Praxis verbunden, Wissen als ein Geschäftsmodell zu betreiben. Platons Schüler Aristoteles hat klar gemacht, warum Erkenntnisse nicht wie anderes den Gesetzen des Marktes unterworfen werden können: „Wissen und Geld lassen sich nicht mit einem Maß messen. Das Geld ist dem Wissen gegenüber radikal fremd, weil es im Wissen nichts gibt, was sich mit dem Geld anhand eines gemeinsamen Terminus in Beziehung setzen ließe.“
Zum Philosophieren ist die Freiheit notwendig
Konrad Paul Liessmann erklärt: „Die Wahrheit ist kein Gut, das sich nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage herstellen und zu einem angemessenen Preis verkaufen ließe, da sich die Erkenntnis als Resultat vernünftigen Nachdenkens quantitativen Bewertungskriterien ebenso entzieht wie Steuerungsmechanismen.“ Deshalb haben die Neuzeit und die Moderne die Freiheit vor allen politischen, religiösen und ökonomischen Instanzen zur Vorbedingung der wissenschaftlichen Forschung erklärt.
Seit sich die neuzeitliche Idee der Universität festigte, gibt es den Ruf nach einer unbedingten Freiheit, die allein der Aufgabe und dem Wesen der Wissenschaft und ihrer Vermittlung gerecht werden könne. Der Geist braucht die Unabhängigkeit, um ohne Rücksicht auf fremde Interessen forschen und das Erkannte vermitteln zu können. Für Friedrich Nietzsche war zum Philosophieren nur eines notwendig: „Freiheit und immer wieder Freiheit.“ Die eigentlichen Motoren der Wissenschaft sollten nach wie vor die Neugier, das Streben nach Wahrheit und die Verpflichtung auf unbestechliche Vernünftigkeit und intellektuelle Redlichkeit sein. Quelle: „Geisterstunde“ von Konrad Paul Liessmann
Von Hans Klumbies