Die Philosophen sind von der Sprache verhext

Die meisten Menschen, die den Philosophen Ludwig Wittgenstein begegneten, hielten ihn für ein Genie. Sein Kollege Bertrand Russell beschrieb ihn als „leidenschaftlich, tiefsinnig und sehr bestimmend“. Er prägte seinen Studenten ein, keine Zeit mit dem Lesen von Philosophiebüchern zu vergeuden. Nigel Warburton ergänzt: „Wenn sie, die Studenten, diese Bücher ernst nähmen, sollten sie sie durch den Raum werfen und selbst über die Fragen weiter nachdenken, um die es in diesen Büchern geht.“ Sein erstes Buch „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) bestand aus einzelnen nummerierten kleinen Abschnitten, von denen viele eher wie Gedichte klangen und weniger als philosophische Erörterungen. Seine zentrale Botschaft lautete, dass die wichtigsten Fragen über Ethik und Religion außerhalb der Grenzen des menschlichen Verständnisses lägen, und dass man, wenn man nicht sinnvoll darüber reden kann, lieber schweigen sollte. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

Sprachen funktionieren auf unterschiedliche Weise

Ein wichtiges Thema seines Spätwerks war das, was Ludwig Wittgenstein die „Verhexung der Sprache“ nannte. Er glaubte, die Sprache bringe die Philosophen in allerlei Verwirrung, sie seien von ihr wie „verhext“. Ludwig Wittgenstein sah seine Rolle als die des Therapeuten, der dafür sorgen würde, einen Großteil dieser Verwirrung zu lösen. Das sollte so ablaufen: Sie sollten der Logik seiner verschiedenen sorgfältig gewählten Beispiele folgen und dabei würden sich ihre philosophischen Probleme einfach in nichts auflösen.

Nigel Warburton erklärt: „Eine Ursache der philosophischen Verwirrung war seiner Meinung nach die Annahme, dass jede Sprache auf dieselbe Weise funktioniere, nämlich nach der Vorstellung, das jedes Wort exakt „eine“ Bedeutung hat.“ Er wollte aber seinen Lesern vor Augen führen, dass es nur verschiedene „Sprachspiele“ gibt, verschiedene Tätigkeiten, die man verrichtet, indem man Worte gebraucht. Es gibt keine „Essenz“ der Sprache, kein einzelnes verbindliches Handlungsmuster, das bereits vorab alle Anwendungsmöglichkeiten festlegt.

Niemand kann seine eigene Privatsprache haben

Ludwig Wittgenstein war nicht der Meinung, dass jedes Wort eine klar umrissene Bedeutung hat, sondern dass die Bedeutung der Worte vom jeweiligen Sprachgebrauch abhängt, von der Aktivität des Sprechens, und diese Aktivität hängt wieder zusammen mit dem praktischen Leben des Sprechers. Die Sprache ist kein Werkzeug, das exakt eine Funktion erfüllt, eher ist die Sprache ein ganzer Werkzeugkasten, den man sehr unterschiedlich einsetzen kann. Die Sprache ist zudem etwas Öffentliches und erfordert öffentlich zugängliche Möglichkeiten, zu überprüfen, ob ein Mensch sie vernünftig anwendet.

Menschen können nicht ihre eigene Privatsprache haben. Und wenn das tatsächlich stimmen sollte, dann ist die Vorstellung, dass der menschliche Geist wie ein verschlossenes Theater ist, das niemand sonst betreten kann, irreführend. Für Ludwig Wittgenstein gibt die Vorstellung einer Privatsprache von Empfindungen keinen Sinn. Viele Philosophen vor ihm vertraten die Meinung, der Geist eines jeden Individuums sei völlig privat. Quelle: „Die kürzeste Geschichte der Philosophie“ von Nigel Warburton

Von Hans Klumbies

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