Der Sozialstaat hilft in Krisenzeiten

Es gehört zu den Errungenschaften moderner Wohlfahrtsstaaten, dass sie breite Schichten der Bevölkerung vor wirtschaftlichen Risiken wie Einkommensverlust durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit schützen. Clemens Fuest weiß: „In der Coronakrise wird diese Absicherung stark genutzt. Die erste Priorität liegt im Ausbau des Gesundheitswesens. Die Zahl der Betten in den Intensivstationen der Krankenhäuser wird stark erhöht, in Deutschland sogar verdoppelt.“ Schutzkleidung, Atemmasken, Medikamente und Beatmungsgeräte werden in großen Mengen bestellt. Wenn die Lieferung ausbleibt, liegt es nicht am Geld, sondern an mangelnden Produktionskapazitäten oder Exportbeschränkungen anderer Länder für medizinische Geräte. Der Sozialstaat stemmt sich außerdem gegen die wirtschaftlichen Folgen der Krise. Menschen, die ihren Job verlieren, erhalten Arbeitslosengeld, auch wenn diese Unterstützung in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausfällt. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

Den Sozialstaat kann man als Versicherung betrachten

In Deutschland ist der Sozialstaat besonders stark ausgebaut. Zwischenzeitlich wurde für mehr als zehn Millionen Menschen Kurzarbeitergeld beantragt. Normalerweise beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent des Nettoeinkommens, für Eltern 67 Prozent. In der Coronakrise erhöhte man es bei längerer Bezugsdauer auf 80 beziehungsweise 87 Prozent. Auch kleine und mittlere Unternehmen erhalten Hilfen. Damit können sie angesichts stark sinkender Umsätze zumindest die laufenden Kosten für Mieten oder Leasingraten weiter bezahlen.

Solo-Selbstständige unterstützt der Sozialstaat ebenfalls. Außerdem hebt man in der Grundsicherung die Vermögensprüfung auf. Clemens Fuest ergänzt: „Menschen, die wegen der Krise ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, sollen unbürokratisch Hilfe bekommen.“ Angesichts all dieser Hilfen stellt sich die Frage, wie groß die Möglichkeiten des Sozialstaats zur Absicherung der Bürger sind und wo seine Grenzen liegen. Aus ökonomischer Sicht kann man den Sozialstaat als Versicherung betrachten.

Gelegentlich gehen Arbeitsplätze verloren

Das Versicherungsprinzip funktioniert vor allem dann, wenn nicht alle Bürger gleichzeitig von einem Schaden betroffen sind. Bei normaler Wirtschaftslage trifft das meistens zu. Ob einzelne Menschen in einem Jahr erkranken und im Beruf ausfallen oder nicht, ist schwer vorherzusagen. Aber der Anfall an Krankheiten in der Bevölkerung insgesamt ist normalerweise einigermaßen stabil, zumindest, wenn nicht gerade eine Pandemie ein Land heimsucht. Das Versicherungsprinzip bedeutet, dass alle einen Versicherungsbeitrag leisten und die Einnahmen in die Behandlung derjenigen fließen, die das Pech haben, tatsächlich zu erkranken.

Ähnlich ist es bei Risiken wie Arbeitslosigkeit. Clemens Fuest erklärt: „Auch ohne Krisen gehört es zur wirtschaftlichen Entwicklung, dass Arbeitsplätze gelegentlich verloren gehen. Die Betroffenen benötigen dann eine gewisse Zeit, um einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Die Arbeitslosenversicherung hilft, diese Zeit zu überbrücken.“ In Deutschland ist die Arbeitslosenversicherung allerdings beitragsfinanziert. Nur wer über einen Mindestzeitraum hinweg Beiträge eingezahlt hat, erhält Arbeitslosengeld. Quelle: „Wie wir unsere Wirtschaft retten“ von Clemens Fuest

Von Hans Klumbies