Kriege führten früher nur Staaten

Es ist für Herfried Münkler nicht die Anzahl der Kriege, die sich in jüngster Zeit signifikant geändert hat, und es sind auch nicht die bloßen Zahlen der im Rahmen von Kriegshandlungen Getöteten und Verstümmelten, die zu gesteigerter Sorge Anlass geben. Vielmehr ist es die Art der Kriege, die größte Aufmerksamkeit fordert. Die neuen Kriege zeichnen sich dadurch aus, dass die Staaten nicht länger die Monopolisten des Krieges sind. Sondern substaatliche Akteure, Warlords, Netzwerkorganisationen und so weiter führen Kriege und bestimmen weitgehend die Rhythmik des Kriegsgeschehens. Dadurch ist die Politik der Kriegsvermeidung und Friedensicherung sehr viel schwieriger geworden, als dies in Zeiten der Fall war, da es sich bei Kriegen um eine wesentlich zwischenstaatliche Angelegenheit handelte. Prof. Dr. Herfried Münkler ist Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Der Mensch ist alles andere als ein rationaler Optimierer

Das im 20. Jahrhundert vorherrschende Menschenbild in Ökonomie und Politik wirkt für Matthew B. Crawford im Rückblick wenig überzeugend. Es besagte, der Mensch sei ein rationales Wesen, das alle für seine Situation relevanten Informationen sammle, die besten Mittel zum Erreichen seiner Ziele auswähle und schließlich die optimale Entscheidung fälle. Die Annahme lautete, Menschen seien zu solchem Vorgehen imstande, weil sie wüssten, was sie wollten, und die Ermittlung der optimalen Entscheidung sei einfach, weil es keinen Konflikt zwischen den persönlichen Interessen gebe, die alle auf derselben, eindimensionalen „Utilitätsskala“ angesiedelt seien. Die psychologisch besser geschulten „Verhaltensökonomen“ haben diese Vorstellung vom Menschen als einem rationalen Optimierer einer gründlichen Prüfung unterzogen. In zahlreichen Arbeiten haben sie gezeigt, dass ein Mensch immer wieder Opfer des sogenannten „Planungsfehlschlusses“ wird. Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

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Die frühe Sozialisation prägt den Optimismus oder den Pessimismus

„Liebe allein genügt nicht“, hat der berühmte Psychoanalytiker Bruno Bettelheim über die Sozialisation des Menschen geschrieben, aber ohne Liebe besteht kaum Hoffnung für den Optimismus. Jens Weidner erläutert: „Fehlende Zeit lässt sich nicht durch Geld und teure Geschenke kompensieren, so materiell sind junge Menschen nicht, sie verzweifeln eher an der fehlenden Zuneigung und Wärme, sie verzweifeln auch an manchen prägenden Karrierekillerphrasen bedenkenloser Eltern, die zur Grundlage ihrer pessimistischen Lebenseinstellung werden.“ Der schlimmste Satz, den Jens Weidner in einem Beratungsgespräch gehört hat, lautet: „Wir hätten dich abtreiben sollen. In diesem Moment hätte er die Eltern schlagen können. Denn Kinder, die sich so etwas in jungen Jahren anhören müssen, vergessen das nie, und sie werden im Leben alles dafür tun, dass sich solche Kränkungen nicht wiederholen. Jens Weidner ist Professor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie.

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Millionen von Entwurzelten wollen von Afrika nach Europa

Im Rückblick wundert sich Hans-Peter Schwarz, wie wohlgetrost Europa bis vor kurzem zur Kenntnis genommen hat, was sich im Orient und in Afrika zusammenbraute. Tatsächlich grenzte die Europäische Union (EU) schon im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts an manifeste oder zumindest potentielle Krisenzonen, in denen eine demographische Zeitbombe tickte und große Länder beinahe unwiderstehlich ins Chaos glitten. Hans-Peter Schwarz erklärt: „Man nahm die Unruhe zwar durchaus zur Kenntnis und urteilte von hoher moralischer Warte über das Vorgehen der Amerikaner, über ihre Verbündeten und über die Tragödien jenseits der europäischen Grenzen.“ Hilfsorganisationen und zahlreiche einzelne Helfer zogen aus, um in den Krisenregionen praktisch Hilfe zu leisten. Dass sich aber Millionen von Entwurzelten aufmachen könnten, um in Europa Schutz zu suchen, hatten weder die Bürger Europas noch ihre Regierungen auf dem Radar. Hans-Peter Schwarz zählt zu den angesehensten Politologen und Zeithistorikern in Deutschland.

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Das Deutsch Reich betrieb eine Politik der Täuschung

Die seit 1934 forcierte Aufrüstungspolitik des Dritten Reichs trug das Risiko in sich, dass die Westmächte, vor allem Frankreich, auf diesen Bruch des Versailler Vertrags mit Druck, womöglich mit dem Einmarsch in Deutschland reagierten. Das hätte vermutlich auch das Ende des nationalsozialistischen Regimes bedeutet. Ulrich Herbert ergänzt: „Deshalb begann Adolf Hitler mit einer nach Osten wie nach Westen gerichteten Beschwichtigungspolitik und der unablässigen Bekundung seines Friedenswillens und war sogar bereit, eine Ausgleich mit Polen zu finden.“ Zugleich verließ Deutschland jedoch die Genfer Abrüstungsverhandlungen und den Völkerbund, um gegen den Versuch der Rüstungskontrolle zu protestieren. Um diesen Schritt zu legitimieren, wurden erneut „Neuwahlen“ ausgeschrieben und mit einem Volksentscheid über die Politik der Reichsregierung verbunden. Ulrich Herbert zählt zu den renommiertesten Zeithistorikern der Gegenwart. Er lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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Ganztagsschulen sind zu reinen Aufbewahrungsanstalten verkommen

Joachim Bauer kritisiert, dass die Förderung der Potenziale zur Selbststeuerung und Selbstkontrolle an Deutschlands Schulen besorgniserregend mangelhaft ist: „Bedingt durch den Alltagsstress und allgemeinen Zeitmangel ihrer Eltern und Pädagogen, fehlt es vielen Kindern in hohem Maße an persönlichem Gesehenwerden, an Zuwendung und Gelegenheiten zur produktiven Auseinandersetzung mit Bezugspersonen.“ Ein besonders gravierender Mangel herrscht an Möglichkeiten, sich sportlich und musikalisch zu betätigen. Sport und Musik sind für Joachim Bauer sozusagen Intensivtrainingslager für die Entwicklung der exekutiven Funktionen, und hier ganz besonders der Selbstkontrolle und der sozialen Kompetenzen. Anstatt diese Fächer massiv zu verstärken, sind viele Ganztagsschulen in Deutschland, statt Treibhäuser für die Zukunft der Kinder zu sein, inzwischen zu reinen Aufbewahrungsanstalten verkommen. Der Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut Joachim Bauer lehrt an der Universität Freiburg.

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Slavoj Žižek warnt vor dem Rechtspopulismus in Europa

Die größte Gefahr im gegenwärtigen Europa ist für den Philosophen Slavoj Žižek die Radikalisierung der Einheimischen, die schon längst im Gange ist. In Frankreich gibt es den Front National, in Deutschland Pegida und AfD. Auch in anderen Ländern nehmen rechtspopulistische und rechtsextremistische Tendenzen zu. Slavoj Žižek warnt: „Die radikale Rechte profitiert vom Flüchtlingschaos. Falls Le Pen und Konsorten an die Macht kommen sollten, wird es nicht mehr das Europa sein, das wir kennen und wollen.“ Slavoj Žižek meint damit das Europa des Universalismus, der Aufklärung, der Menschen- und Freiheitsrechte, der Solidarität, und des Sozialstaates. Europa darf seiner Meinung nach sehr stolz sein auf seine Errungenschaften, und es sollte diese entschieden verteidigen. Europa muss auch von den ankommenden Muslimen verlangen, dass diese die europäischen Werte respektieren.

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Alexander Emmerich erläutert das Selbstverständnis der USA

Die amerikanische Nationalhymne wurde im Jahr 1814 von Francis Scott Key während des Zweiten Unabhängigkeitskrieges gegen Großbritannien verfasst. Francis Scott Key gab darin dem Selbstverständnis der Vereinigten Staaten von Amerika als freies und demokratisches Land deutlich Ausdruck. Laut Alexander Emmerich im unausgesprochenen Gegensatz zum monarchistischen England und den übrigen europäischen Staaten. Die politischen und gesellschaftlichen Fundamente Amerikas unterscheiden sich grundsätzlich von allen anderen Nationen. Alexander Emmerich erklärt: „Sie entstanden aus einem politisch-religiösen Gründungsakt, der Glauben und Vernunft, Puritanismus und Aufklärung miteinander verband. Mehr noch, die USA wurde bewusst gegen das Grundprinzip der Alten Welt, gegen die Legitimierung durch Tradition und Geschichte sowie gegen die historische Legitimität europäischer Herrschaft gegründet.“ Der Historiker Alexander Emmerich lehrt an der Universität Augsburg am Lehrstuhl für transatlantische Kulturgeschichte.

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Der Kapitalismus ist noch nicht in seine Endphase eingetreten

Wirtschaftskrisen sind für Wolfgang Hetzer wiederkehrende und prägende Ereignisse in der Geschichte der Ökonomie. Sie sind so vielfältig, das es schwerfällt, hierfür das Verhalten einzelner Menschen verantwortlich zu machen, geschweige denn eine aussagekräftige Theorie darüber zu entwickeln. Wolfgang Hetzer warnt davor, pauschal die Spekulation als Wurzel allen Übels zu bezeichnen, denn sie ist seiner Meinung nach ein wichtiges Moment allen wirtschaftlichen Handelns. Spekulation ist sogar eine notwendige Vorraussetzung dafür, dass es überhaupt zu wirtschaftlicher Entwicklung und nicht zu einer Wiederholung des bereits Bekannten kommt. Wolfgang Hetzer behauptet zudem, dass nicht nur in Kreisen der politischen Linken verzerrte Vorstellungen über das Wesen kapitalistischer Krisen herrschen. Wolfgang Hetzer, Dr. der Rechts- und Staatswissenschaft, leitete von 2002 bis 2011 die Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel.

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