Dem Sozialstaat droht die Überforderung

Die Coronakrise hat weitreichende Folgen für die Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie für die Zukunft des Sozialstaats. Clemens Fuest erklärt: „In der Krise erleiden sowohl Vermögende als auch viele abhängig Beschäftigte Verluste. Verschiedene Gruppen sind sehr unterschiedlich betroffen.“ Schon während der Krise zeigt sich, dass Menschen mit hoher Berufsqualifikation besser vor Jobverlusten geschützt sind als andere. Nach der Coronakrise wird sich das Gefälle in den Berufs- und Einkommenschancen zwischen hoch und niedrig qualifizierten Erwerbstätigen voraussichtlich weiter vergrößern. Das hat laut Clemens Fuest zwei Gründe. Der erste liegt in der Beschleunigung der Digitalisierung und des Strukturwandels. Sie begünstigt höher qualifizierte Arbeit. Der zweite liegt in den Schulschließungen während der Krise. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

Die Coronakrise unterstreicht den Wert des Sozialstaats

Sie werden Spuren in der Ausbildung der jungen Generation hinterlassen. Vor allem Kinder aus bildungsfernen Familien sind benachteiligt. Denn ihnen fällt es besonders schwer, den Unterrichtsausfall durch Lernen zu Hause zu kompensieren. Wie wird und wie sollte sich der Sozialstaat künftig entwickeln? Die Coronakrise unterstreicht den Wert des Sozialstaats als Versicherung. In Staaten mit gut ausgebautem Sozialstaat haben Millionen Menschen Unterstützung erhalten. Diese trägt dazu bei, den wirtschaftlichen Einbruch abzufedern.

Die umfangreichen Hilfen werfen für Clemens Fuest allerdings die Frage auf, wo dieser Sozialstaat an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gerät. In Deutschland sind die Sozialleistungen schon vor der Krise deutlich ausgebaut worden. Hinzu kommt der demografische Wandel, der die Sozialsysteme in den kommenden Jahren stark belasten wird. Dem deutschen Sozialstaat droht die Überforderung. Nach der Krise sind daher Reformen erforderlich, die dafür sorgen, dass die sozialen Sicherungssystem finanzierbar bleiben.

In Krisen sinkt die Ungleichheit zwischen Einkommen und Vermögen

Wenn es in der Wirtschaftsgeschichte Phasen gegeben hat, in denen die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen gesunken ist, dann waren es häufig schwere Krisen. Der Historiker Walter Scheidel nennt sie die vier apokalyptischen Reiter der Ungleichheitsreduktion: Kriege, Revolutionen, Zusammenbrüche von Staaten und die Pest. Welche Folgen hat die Pest unserer Tage, die Corona-Pandemie, für die wirtschaftliche Ungleichheit. Hohe Einkommen und große Vermögen sinken in Wirtschaftskrisen häufig überproportional.

Das liegt laut Clemens Fuest daran, dass sehr wohlhabende Menschen in der Regel einen erheblichen Anteil ihres Vermögens in Form von Unternehmensbeteiligungen halten. Unternehmensgewinne schwanken über den Konjunkturzyklus stärker als beispielsweise Lohneinkommen. Da Aktienkurse von der Gewinnentwicklung der Unternehmen abhängen, schwanken sie ebenfalls stark. Hinzu kommt, dass die Bereitschaft, Risiken zu übernehmen, in Krisen typischerweise drastisch fällt. Das verstärkt die Werteverluste bei eher riskanten Aktiva wie Aktien oder Anleihen von Unternehmen und Staaten mit schwacher Bonität. Quelle: „Wie wir unsere Wirtschaft retten“ von Clemens Fuest

Von Hans Klumbies