Otfried Höffe fordert eine ökosoziale Marktwirtschaft

Zu den Menschenrechten gehören Rechte wie das Recht auf Eigentum und eine freie Entfaltung der Persönlichkeit. Diese schließen die freie Teilnahme am Wirtschaftsleben, dabei sowohl die Berufsfreiheit des Konsumenten als auch die Unternehmerfreiheit, ein. Otfried Höffe fügt hinzu: „Mit den negativen Freiheitsrechten nicht zufrieden, verlangt der Gedanke der Menschenrechte aber nach zusätzlichen Markteinschränkungen. Damit sich die Freiheitsvision des Marktes nicht in Unfreiheit verkehrt.“ Deshalb erweitert ein sensibles Gemeinwesen seine wirtschaftspolitische Verantwortung. Außerdem verpflichtet es sich auf das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft. Dank dieses Leibildes ist die vor allem in West- und Nordeuropa vorherrschende Wirtschaftsgestalt zu einer Mischform von Privat- und Gemeinwirtschaft geworden. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Zukünftig nimmt der Umweltschutz eine wichtige Rolle ein

Otfried Höffe erklärt: „Um die gravierenden Mängel einer reinen Markt- und Privatwirtschaft auszugleichen, hat man gesetzliche Sozialversicherungen, eine progressive Lohn- bzw. Einkommenssteuer und weitere Maßnahmen zur Umverteilung des Reichtums geschaffen. Und in der Bildungspolitik bemüht man sich um eine gezielte Förderung.“ Beim Blick auf künftige Generationen kommen der Umweltschutz und weitere intergenerationelle Aufgaben hinzu. Deshalb braucht es eine ökosoziale Marktwirtschaft. Und zusätzlich eine Marktwirtschaft, die über ökologische Aufgaben hinaus für eine umfassende intra- und intergenerational gerechte Freiheit eintritt.

Die besondere Affinität zur aufgeklärt liberalen Demokratie besitzt also nicht schon die schlichte, sondern erst die soziale und ökologische Marktwirtschaft. Deren reale Freiheitskosten darf man allerdings nicht unterschlagen. Weder die finanziellen Kosten, die vielerorts schon beim traditionellen Sozialstaat zu einer enormen, den Investitionsspielraum einschränkenden Staatsverschuldung geführt haben. Noch jenen sanften Totalitarismus, den eine die Freiheit missachtende Bürokratie schafft. In einer legitimen Marktwirtschaft braucht man eine Güterabwägung zwischen vier Aspekten: zwischen Markt, sozial, ökologisch und freiheitsgerecht.

Die wachsende Ungleichheit der Vermögen ist gefährlich

Weil bei der ökosozialen Marktwirtschaft die notwendige Balance zwischen den beiden Polen Ökosozial und Markt nicht leicht zu finden ist, drohen Einseitigkeiten. Bei einer ersten Einseitigkeit blickt man wie gebannt auf die Umverteilung von Reichtum und übersieht, dass der zu verteilende Reichtum erst geschaffen werden muss. Dieser Gefahr tritt eine Politik entgegen, die mit teils rechtlichen, teils wirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Unternehmen profitables Wachstum erlaubt. Andererseits muss die Politik auch dafür sorgen, dass die Profite tatsächlich jene Steuern abwerfen, mit denen kollektive Projekte zu finanzieren sind.

Nicht zuletzt darf sie die wachsende Ungleichheit der Vermögen, insbesondere das Aufkommen von mehr und mehr Superreichen, nicht verdrängen. Otfried Höffe betont: „Sie darf es vor allem dann nicht, wenn riesige Vermögen eine „Heiristokratie“, eine Herrschaft der Erben, befördert. Sie ist nämlich weder gerechtigkeitsdifferent noch unternehmer- und dann indirekt auch gemeinwohlfreundlich. Denn viele reiche Erben pflegen das unternehmerische Wagnis zu meiden.“ Quelle: „Kritik der Freiheit“ von Otfried Höffe

Von Hans Klumbies