Otfried Höffe weist auf die Selbstgefährdung der Freiheit hin

Frei ist, wer sich von Verantwortung und den damit verbundenen Zwängen löst, unfrei, wer das Lösen nicht freiwillig, aus der eigenen Person selbst heraus vornimmt, sondern es von außen aufgezwungen findet. Otfried Höffe erklärt: „Und spätestens dort, wo man von allen Verantwortungen, zusätzlich von allen Bindungen und allen Ressourcen frei wird, verliert die emanzipatorische Freiheit jeden positiven Wert: Wer alles verloren hat, besitzt, weil er nichts mehr zu verlieren hat, fraglos keine beneidenswerte Freiheit.“ Verständlicherweise neigen Menschen, die diesen Radikalverlust erleiden, zur Verzweiflung. Das Gefühl, nichts mehr verlieren zu können, kann die Freiheit allerdings auch steigern. In der Epoche der Aufklärung dominiert die Freiheit im Zuge einer Universalisierung als die mächtige Vision, dass in Zukunft alles reicher, besser, schöner wird. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Selbst mit dem Ausbau des Sozialstaates gehen gewisse Zwänge einher

Es ist nicht abzustreiten, dass der Freiheit und der Moderne immer auch die Selbstgefährdung innewohnt. Otfried Höffe nennt ein Beispiel: „Die Freiheit gegenüber der äußeren Natur, die Freiheit, sich die Natur untertan zu machen, hat mittlerweile zu einer die Freiheit einschränkenden Risikogesellschaft geführt.“ Daher bleibt zu prüfen, wie man sich in einer Risikogesellschaft möglichst viel an Freiheit bewahrt oder von dieser zurückgewinnt. In einem weiteren Beispiel geht Otfried Höffe auf die rechtliche Freiheit ein.

In der Frühzeit gibt sie sich weitgehend mit negativen Freiheitsrechten, insbesondere mit der Freiheit von Gewalt seitens der Mitmenschen, zufrieden. Aus der Einsicht, dass reale Freiheit auch positive Freiheitsrechte bedarf, außerdem soziale Ungleichheit abgeschwächt werden soll, hat man jedoch einen Sozialstaat geschaffen, der trotzt seiner Berechtigung in drei Hinsichten die Freiheit gefährdet: Erstens schafft die mit dem Ausbau des Sozialstaates einhergehende immer dichtere Sozialgesetzgebung und immer feinere Bürokratie gewisse Schranken, ja sogar Zwänge.

Viele Staatsbürger melden nur noch Ansprüche an das Gemeinwesen an

Zweitens droht der zunächst nur subsidiär gedachte Sozialstaat mit seiner Hilfe zur Selbsthilfe in eine die Selbsthilfe schwächenden, weil die Leistungsempfänger unselbstständig machenden Fürsorgestaat umzuschlagen. Auf diese Weise höhlt ein Leben in Sicherheit und Wohlstand deren Sinn, die Freiheit, aus. Am Ende verliert die Freiheit, die in der Französischen Revolution an erster Stelle steht, diesen Vorrang und wird von den beiden anderen, damals nachrangigen Prinzipien, der Gleichheit und der Brüderlichkeit relativiert, mancherorts sogar verdrängt.

Eine weitere Gefahr, der des Staatsbürgers, wird von vielen Menschen noch gar nicht bemerkt. Otfried Höffe erläutert: „Mancher Staatsbürger nimmt sein Gemeinwesen nicht mehr als Gemein-wesen wahr, mithin als eine Gemeinsamkeit, zu der er einen Beitrag zu leisten hat. Stattdessen meldet er lediglich Ansprüche, mithin Forderungen an, womit an die Stelle von solidarischer Wechselseitigkeit eine ich-bezogene Einseitigkeit tritt.“ Schließlich führen die immer noch wachsenden Kosten des Sozialstaates in eine enorme Staatsverschuldung, die, der nächsten Generation aufgebürdet, deren investive Freiheitschancen empfindlich einschränkt. Quelle: „Kritik der Freiheit“ von Otfried Höffe

Von Hans Klumbies