Keine Ansprüche von außen, keine Normen, keine Moral sollen sich in die gegenwärtigen Konstrukte der Liebe einmischen. Die israelische Soziologin Eva Illouz, die gerade an einem Buch mit dem Titel „Unloving“ arbeitet, erklärt: „Das ist die Kehrseite der sexuellen Freiheit, für die wir gekämpft haben. Es ist allein unser Verlangen und unser Gefühl, das legitimiert, was wir tun. Sobald das schwindet, schwindet auch unser Engagement für die Beziehung.“ Unter diesen Vorzeichen kann man ihrer Meinung nach beispielsweise auch das Fremdgehen nicht mehr in moralischen Kategorien begreifen. Derjenige, der es tut, drückt damit lediglich das eigene sexuelle Verlangen aus. Und das ist heute um seiner selbst willen zulässig. Eva Illouz stellt fest: „Weder das Scheidungsrecht noch die Psychologie suchen noch nach Schuldigen.“
Nur wenige Menschen werden ein Leben lang zusammenbleiben
Die Frage, wer am Ende einer Liebe recht oder unrecht tat, bleibt unbeantwortet. Dabei können Trennungen die Menschen heute härter treffen als in früheren Zeiten, denn sie erwarten mehr von ihrer Partnerschaft. Eva Illouz erläutert: „Wenn die beruflichen Umstände instabiler werden, sich gemeinschaftliche Zusammenhänge auflösen, betrachten wir unsere Partnerschaft als Anker in eine stürmischen Welt. Nirgendwo bildet man sein Selbstwertgefühl stärker als in einer Liebesbeziehung. Wenn man sich trennt, geht es oft um die Frage, wie zwei, die sich am liebsten umbringen würden, ihr Auseinandergehen trotzdem manierlich über die Bühne bringen.
Die Therapeutin Katherine Woodward Thomas hat dafür die Methode „conscious uncoupling“ entwickelt. Die meisten Menschen, die sich trennen, geraten vor allem wegen des Gelds in Streit. Wie funktioniert „„conscious uncoupling“? Katherine Woodward Thomas erklärt: „Erst mal sollten die Leute begreifen, dass Trennung keine Schande ist. Nur wenige von uns werden ein Leben lang zusammenbleiben. In den USA ist es normal, zwei bis drei Lebenspartnerschaften zu haben – also auch ein bis zwei Trennungen mitzumachen.“
Menschen fühlen Zurückweisung tatsächlich als physischen Schmerz
Obwohl die meisten Menschen dies wissen, meint jeder frisch Getrennte, aufs Neue in Schimpf und Schande leben zu müssen. Zuerst geht es laut Katherine Woodward Thomas darum, den Ausnahmezustand, in den die Trennung den Körper schickt, überwinden. Und das am besten, bevor man wichtige Entscheidungen trifft. Katherine Woodward Thomas stellt fest: „Wir fühlen Zurückweisung tatsächlich als physischen Schmerz. Und geraten in einen primitiven Zustand von Angriff oder Flucht.“
Die frisch Getrennten schlafen und essen kaum mehr, stehen im wahrsten Sinne des Wortes neben sich. Katherine Woodward Thomas will zeigen, wie man diese starken Gefühle regulieren kann, sich besser in den Griff bekommt. Sie macht das mit einem einfachen Trick: „In meiner Beratung bitte ich die Menschen, sich einige ihrer düstersten Gefühle bewusst zu machen. Sie aufzuschreiben.“ Als Nächstes rückt die Therapeutin die Geschichte der Trennung in den Blick ihrer Klienten. Katherine Woodward Thomas betont: „Das Ziel muss sein, wirklich vom anderen frei zu werden.“ Quelle: Der Spiegel
Von Hans Klumbies