Johannes Steyrer kennt die Falle der Beständigkeit

Die meisten Menschen beharren umso mehr auf ihren Entscheidungen, je mehr sie Zeit, Energie, Gedanken, Gefühle oder Geld investiert haben. Johannes Steyrer fügt hinzu: „Wir tun das auch dann, wenn wir im Zuge dessen vorteilhafte Alternativen ausblenden oder nicht umsetzen, weil das Verlangen nach Konsistenz zur Falle wird. Jede Befreiung aus einer Selbstverpflichtung hieße, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.“ In Summe sind es fünf Faktoren, die schnurstracks in die „Beständigkeitsfalle“ führen. Erstens: Ein Mensch wird weniger durch Gedanken oder Gefühle als durch eigene Handlungen verpflichtet. Zweitens: Je größer das Publikum bei diesen Handlungen, umso stärker wirkt die innere Pflicht und Schuldigkeit. Drittens: Schrittweises, mehrmaliges Tun ergibt eine zunehmend solide und schwere Kette der Selbstverpflichtung. Johannes Steyrer ist seit 1997 Professor für Organizational Behavior an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Folgeoptionen ist man oft wehrlos ausgeliefert

Viertens: Je mehr das Handeln aus freien Stücken erfolgt, desto eher bekräftigen wir es in uns selbst. Fünftens: Je kostspieliger eine Revision erscheint, desto mehr halten wir am Bisherigen fest. Auf die Frage wie man jemanden um den Finger wickelt, antwortet Johannes Steyrer wie folgt: „Erstens: Man umgarnt ihn mit einer Option. Zweitens: Mühsam zieht er seinen Hals aus der Schlinge. Drittens: Der Folgeoption ist er wehrlos ausgeliefert. Wurde sein erstes Nein bewusst in Kauf genommen, lag eine perfide Manipulation vor.“

Die Quintessenz der Manipulation lautet: „Erkläre Menschen für frei und zwinge sie indirekt!“ Wenn Verhalten Bindung erzeugt und jedes Tun die Verkettung zwischen Handeln, Denken und Entscheiden verstärkt, heißt das auch, dass man Menschen stärker verpflichtet, wenn man von ihnen konkrete Absichtserklärungen einholt. Wenn Menschen sich für etwas aktiv entscheiden müssen, engt das ihren Freiheitsdrang ein und bedingt oftmals ein Nein. Wenn sie sich dagegen aktiv gegen etwas entscheiden müssen, führt das dazu, dass die zuvor verschmähte Option attraktiver wirkt.

Ein starkes Nein bringt alle Räder zum Stillstand

Jetzt kommt Johannes Steyrer zum Selbstschutz. Der beste Schutz aus der Beständigkeitsfalle ist ein frühzeitiges und beharrliches Nein. Selbst am Arbeitsplatz ist ein abgrenzendes Nein meist nur kurzfristig eine Ungehörigkeit. Es wird schneller verziehen als man glauben möchte. Warum ist das so? Die meisten Menschen neigen dazu, die eigene Bedeutung zu überschätzen, und zwar sowohl im Positiven wie im Negativen. Spätestens überübermorgen ist das Nein der Schnee von vorgestern. Ja, in der Welt der Arbeit gibt es Abhängigkeiten, denen nur schwer zu entkommen ist.

Aber häufiger gerät man ins Räderwerk der Konsistenz, wo ein Nein kein Tabubruch, sondern ein notwendiger Akt der Selbstbefreiung ist. Je länger man mit einem Nein zuwartet, desto höher werden die psychologischen Kosten und desto schwerer kommt es einem über die Lippen. Johannes Steyrer weiß: „Sie müssen vor sich selbst und der Welt einbekennen, ein inkonsequenter Dummkopf zu sein, der nicht weiß, was er möchte. Daher lautet die Quintessenz des Selbstschutzes vor Manipulation: Alle Räder stehen still, wenn ein starkes Nein das will!“ Quelle: „Die Macht der Manipulation“ von Johannes Steyrer

Von Hans Klumbies