Hans-Peter Nolting sucht nach den Wurzeln der Gewalt

Die Suche nach einer gemeinsamen Wurzel von menschlicher Aggression und Gewalt weckt immer großes Interesse. Es ist faszinierend, wenn man eine breite Vielfalt auf ein einziges Grundprinzip zurückführen kann. Von solchen Bemühungen war auch die Aggressionspsychologie lange Zeit geprägt. Hans-Peter Nolting erklärt: „Ein angeborener Aggressionstrieb, Aggression als Reaktion Frustrationen oder Aggression als erlerntes Verhalten – das sind drei Grundideen von bekannten Theorien.“ Inzwischen hat sich die wissenschaftliche Debatte von der Suche nach einer generellen Aggressionserklärung für die Gattung Mensch weitgehend verabschiedet und sich stattdessen vielfältigen Ausschnitten aus dem breiten Spektrum zugewandt. „Ausschnitte“ können vor allem sein: spezielle Erscheinungsformen oder Typen hochaggressiver Menschen oder einzelne Kontextbereiche wie die Familie, die Arbeitswelt, der Sport, die Politik und so weiter. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Die Verlustaversion ruft eine Tendenz zum Status quo hervor

Die meisten Menschen besitzen die allgemeine Tendenz, nicht hergeben zu wollen, was sie besitzen – selbst in Situationen, in denen die Erwägungen der Kosten und des Nutzens für den Verzicht sprechen, weil eindeutig die Aussicht besteht, etwas Besseres zu bekommen. Diese Tendenz nennt man Verlustaversion. Richard E. Nisbett fügt hinzu: „Anscheinend macht es uns in zahlreichen ganz verschiedenen Situationen nur halb so glücklich, etwas zu gewinnen, wie es uns unglücklich macht, das Gleiche zu verlieren.“ Für die Verlustaversion bezahlen Menschen einen hohen Preis. Menschen wollen das, was sie besitzen, nicht hergeben, nicht einmal, wenn sie dafür mehr bekommen als das, was sie ursprünglich für einen fairen Preis betrachtet haben. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Zu jedem Zeitpunkt zeigen Menschen Gefühle

Träumen ist Geschichtenerzählen in Bildern. Der Psychoanalytiker Stephen Grosz schreibt: „Ich denke, wir versuchen alle, dem Leben durch das Erzählen unserer Geschichte einen Sinn zu verleihen.“ Der deutsch-britische Psychiater und Psychoanalytiker S. H. Foulkes fügt hinzu: „Die fließende Visualisierung, wie sie in unseren Träumen geschieht, ist ein Denkprozess.“ Damit knüpft er an Sigmund Freud an, für den Träume nichts anderes als eine „besondere Form des Denkens“ sind. Sprache und Bilder sind für David Gelernter nicht einfach nur zwei verschiedene Ausdrucksmittel: „Zum Beispiel bringen wir Kindern das Sprechen und Schreiben bei, nicht aber in gleichem Maße das Zeichnen.“ Bei der Sprache geht es um Präzision, Prägnanz und Abstraktion. Bilder dagegen transportieren eine Fülle konkreter Details wie manchmal auch die Nuancen, die Gefühle und Atmosphäre ausmachen. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Viele Kinder leben in mit Watte ausgepolsterten goldenen Käfigen

Die Anzahl der sogenannten Helikopter-Eltern, die ihren Nachwuchs ständig besorgt umkreisen und ihnen jede Form der Anstrengung abnehmen wollen, nimmt ständig zu. Auch wenn Kinder zum Beispiel längst alt genug wären, den Schulweg alleine zu meistern, bringen viele Eltern ihre Sprösslinge dennoch mit dem Auto bis vor die Schultür. Trendforscher und Psychologen gehen davon aus, dass vor allem die irrationale Angst der Eltern vor Verkehrsunfällen und Kindesentführern hinter dem Phänomen der „Shuttle-Kids“ steckt. Der Arzt und Buchautor Günther Loewit erklärt den Grund für diese extreme Vorsicht: „Über Jahrhunderte hinweg betrug die durchschnittliche Geburtenrate etwa sechs Kinder – da war ein Todesfall aufgrund von Krankheiten oder zu wenig Nahrung schon quasi eingeplant. Heute liegt sie in Österreich bei 1,4 Kindern pro Frau. Diese statistisch 1,4 Kinder müssen natürlich unendlich überbehütet werden, weil hier ein Verlust nicht verkraftbar wäre.“

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Kinder werden zu einer Ware in einem Dienstleistungsbetrieb

Das Kind ist heute für viele Menschen ein Objekt, das man sich aus gewissen persönlichen Motiven angeschafft hat und das es dementsprechend gilt, im Idealfall zum eigenen Ruhm zu optimieren. Wer das schafft, der punktet, ähnlich wie der Besitzer einer teuren Luxuskarosse. Der kontrollverwöhnte Durchschnittsmensch muss zudem gekränkt feststellen, dass sich eine Schwangerschaft nicht so auf Knopfdruck produzieren lässt. Martina Leibovici-Mühlberger ergänzt: „Darum haben wir die moderne Fortpflanzungsmedizin auch heftig dazu angespornt, Einblick in die tiefsten Geheimnisse der Natur erlangen zu wollen, um sie dann zu manipulieren.“ Vordergründig darf die Menschheit hier wirklich stolz auf das Erreichte sein. Die Ärztin Martina Leibovici-Mühlberger leitet die ARGE Erziehungsberatung und Fortbildung GmbH, ein Ausbildungs-, Beratungs- und Forschungsinstitut mit sozialpsychologischem Fokus auf Jugend und Familie.

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Mit jeder Tugend geht ein Laster einher

Augustinus, der lateinische Kirchenlehrer der Spätantike, glaubte nicht daran, dass die Welt feinsäuberlich in die Kräfte des reinen Guten und des reinen Bösen geschieden werden könne. Vielmehr gehe jede Tugend mit einem Laster einher – Selbstvertrauen mit Stolz, Aufrichtigkeit mit Brutalität, Mut mit Leichtsinn und so weiter. Der Ethiker und Theologe Lewis Smedes beschreibt die menschliche Natur der Innenwelt wie folgt: „Unser Seelenleben ist nicht so scharf geschieden wie Tag und Nacht – mit reinem Licht auf der einen Seite und totaler Finsternis auf der anderen. Unsere Seelen sind überwiegend Schattenräume; wir leben an der Grenze, wo unsere dunklen Seiten uns Licht blockieren und einen Schatten auf unsere inneren Plätze werfen. Wir können nicht immer sagen, wo unser Licht endet und unser Schatten beginnt und wo unser Schatten endet und unsere Finsternis beginnt.“

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Jede Art von Kommunikation ist auf Normen angewiesen

Nun ist die Existenz von Gefühlsnormen unvermeidlich, wenn Menschen in Gesellschaften zusammenleben. Denn jede Art von Kommunikation ist auf Normen angewiesen. Problematisch wird es allerdings, wenn Menschen sich ihres Vorhandenseins nicht bewusst sind und es zum Konflikt zwischen inneren und äußeren Vorstellungen kommt. Ulrich Schnabel erläutert: „Dann erleben wir uns als emotional zerrissen und leiden darunter, dass Anspruch und Realität unseres Gefühlslebens massiv auseinander klaffen.“ Nirgendwo wird das deutlicher als in der Liebe, die als Herzens- oder Himmelsmacht hochgehalten wird und von Klischees, Vorstellungen und Idealen nur so umstellt sind. Alle Menschen stehen unter dem Einfluss jener Bilder und Geschichten, die das kollektive Gedächtnis dazu gesammelt hat: Romeo und Julia, Aschenputtel und der Märchenprinz, Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann in „Casablanca“ … Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Unsicherheit und Gefahr sind für Fremdenfeinde allgegenwärtig

So hoch auch der zeitweilige persönliche Sicherheitsgewinn sein mag – ein Garantie von Sicherheit kann selbst eine entschlossene Fremdenfeindlichkeit auf Dauer nicht bieten. So mögen die Verbitterten zwar zu ihrer inneren Sicherheit zurückfinden, wenn sie auf alle Muslime und ihre Kultur verächtlich herabblicken, aber die eigentlichen Gründe für ihre Verbitterung werden dadurch nicht gänzlich außer Kraft gesetzt. Ernst-Dieter Lantermann erklärt: „Gleiches gilt für die Beleidigten, Verhärteten oder die grollende Elite. Was diese fremdenfeindlichen Menschen eint, ist ihr tiefes Misstrauen gegenüber der Politik und der politischen Elite, von denen sie sich im Stich gelassen, nicht angemessen wertgeschätzt und nicht ausreichend vor den Gefahren dieser Welt geschützt fühlen.“ Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.

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Das Unterbewusstsein nimmt mehr wahr als das Bewusstsein

Im Volksglauben ist das Unbewusste vor allem ein Hort unterdrückter Gedanken über Gewalt und Sex und andere Dinge, die am besten unausgesprochen bleiben. Doch wer im Glashaus des Bewusstseins sitzt, sollte tunlichst nicht mit Steinen werfen. Richard E. Nisbett kennt den Grund: „In Wahrheit treibt sich nämlich jede Menge „sex and crime“ in unseren bewussten Gedanken herum.“ Statt mit unanständigen Gedanken die Zeit totzuschlagen, ist das Unbewusste im Gegensatz dazu fortwährend mit Dingen beschäftigt, die nützlich sind – um nicht zu sagen – unverzichtbar.“ Das Unbewusste leistet die sogenannte „“Vorwahrnehmung“. Der Wahrnehmungsapparat registriert unbewusst eine riesige Menge an Reizen, von denen nur ein Bruchteil ins Bewusstsein dringt. Es werden nur diejenigen Reize an die bewusste Wahrnehmung weitergeleitet, die interessant sind oder mit denen sich ein Mensch auseinandersetzen muss. Richard E. Nisbett ist Professor für Psychologie an der University of Michigan.

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Das Phänomen der Resonanz geht weit über die Liebe hinaus

Auf die Frage wie Hartmut Rosa zu seinem Thema „Resonanz“ gekommen ist, antwortet der Soziologe wie folgt: „Ich habe mich gefragt: Was sind eigentlich die sozialen Bedingungen dafür, dass wir uns in der Welt getragen und gehalten fühlen und uns nicht nur als ausgesetzt oder in die Welt geworfen?“ Das berühmte Motto von Johann Wolfgang von Goethe drückt das gut aus: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich`s sein“. Getragen fühlen sich Menschen dort, wo sie sich mit ihrer Umgebung, ihren Mitmenschen, der Natur oder auch einer bestimmten Ästhetik lebendig verbunden fühlen. Hartmut Rosa lehrt Soziologie an der Universität Jena. Sein neues Buch trägt den Titel „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ und ist im Januar 2016 im Verlag Suhrkamp erschienen.

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Auch Angst kann ein Motiv für Aggression sein

So wie Gewalt ein Mittel des Erwerbs von Macht sein kann, dient sich auch der Abwendung des Verlusts der Macht. Insbesondere Politiker in diktatorischen Systemen bangen nicht nur um ihr Leben, sondern auch um ihre Machtposition und bauen deshalb riesige Sicherheitsapparate auf, mit denen politische Gegner aufgespürt, bestraft und vernichtet werden. Hans-Peter Nolting fügt hinzu: „Angst vor dem Verlust der Macht kann aber auch im familiären Bereich ein Motiv für Drohungen und Gewaltanwendung sein, so etwa, wenn sich ein einer Familie mit patriarchalischer Struktur die Frau der Kontrolle des Mannes oder ein Kind sich der Kontrolle der Eltern zu entziehen droht. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Philipp Hübel weist auf die Tücken der Selbstbeobachtung hin

Menschen schmecken hauptsächlich mit ihrer Nase. Der Geruchssinn gehört evolutionär zu den ältesten Sinnesorganen. Die Verarbeitung olfaktorischer Reize ist dabei zehnmal langsamer als bei visuellen. Philipp Hübl erklärt: „Gut möglich, dass der Geschmack deshalb so leicht von unserem dominanten Sinn, dem Sehen, überschrieben wird.“ Für die Selbstbeobachtung sind das schlechte Nachrichten. Ein Mensch kann seinen primären Eindrücken nicht trauen, weil sie sofort von anderen Sinnen und seinem Vorwissen überlagert, verzerrt und ersetzt wird. Es kann deshalb gut sein dass man das reine Schmecken, genauer das Riechen, niemals von den umgebenden Eindrücken, Gedanken und Erinnerungen trennen kann. Die vielen Täuschungen zeigen allerdings nicht, dass man überhaupt keine Geschmacksunterschiede wahrnehmen kann. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Die Frühjahrsmüdigkeit hat mit Nervosität und Dünnhäutigkeit zu tun

Nicht alle Menschen können sich über den Frühling freuen. Einer Emnid-Umfrage zufolge gaben 39 Prozent der befragten Frauen und 22 Prozent der Männer an, dass sie alljährlich zwischen März und Juni vom ernüchternden Gefühl der Frühjahrsmüdigkeit heimgesucht werden. Lange Zeit wurden sie von ihrer Umwelt und auch ihrem Arzt irgendwo zwischen Simulanten und chronischen Schwarzsehern eingeordnet, die überall ein Haar in der Suppe finden. Doch es mehren sich wissenschaftliche Hinweise, dass ihr Problem ernst zu nehmen ist. Die Schweizer Chronobiologen Verena Lacoste und Anna Wirz-Justice konnten beispielsweise in einer Studie zeigen, dass im Frühjahr zwar die Zahl der Morgenmuffel um die Hälfte zurückgeht, dass aber sehr viel mehr Menschen an Nervosität und psychosomatischen Beschwerden leiden: „Das spricht für einen hohen Erregungszustand des vegetativen Nervensystems.

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Frühere Liebschaften sind sehr leicht entflammbar

So wie sich Freundschaften und kollegiale Beziehungen in Affären verwandeln können, sind frühere Liebschaften leicht entflammbar. Wenn beide sich nach Jahren wieder treffen, kann die Glut leicht aufflackern. Man blickt sich in die Augen und sieht sich so, wie man damals war: jünger, schöner, voller Lebensenergie. Shirley P. Glass fügt hinzu: „Die Leidenschaft schlägt schnell wieder Wurzeln. Man kennt sich, und das Zusammensein ist wie ein Nachhausekommen.“ Menschen, die sich nach einer Wiederbegegnung erneut verlieben, sprechen oft von der Intensität ihrer Bindung und halten ihre Liebe für einmalig. Wenn ihre Wiedervereinigung in eine Heirat oder eine feste, exklusive Partnerschaft mündet, sind diese Beziehungen höchst erfolgreich. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.

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Ein freundliches Nein ist besser als ein hartes Nein

Es liegt zum großen Teil am Auftreten der eigenen Person, wie das Umfeld auf ein Nein kurzfristig reagiert. Tanja Baum kann sich vorstellen, dass ein knappes und hart formuliertes Nein eher auf Unverständnis beim Gegenüber stößt als eine freundliche Absage. Schnell wird dieses Verhalten als fehlende Hilfsbereitschaft, Antipathie, Gleichgültigkeit oder Ablehnung interpretiert. Tanja Baum betont: „Mithilfe der Körpersprache, der Art des Sprechens, der Wortwahl und des gesamten Auftretens kann ein Nein verbindlich und dennoch bestimmt formuliert werden. Die Reaktion der Umwelt fällt dann weniger scharf aus.“ Die Reaktionen auf ein Nein sind natürlich auch unterschiedlich, da jede Situation in einen bestimmten Zusammenhang eingebettet ist. Tanja Baum, systemische Organisationsberaterin und Coach, gründete 1999 in Köln die Agentur für Freundlichkeit mit den Arbeitsschwerpunkten Beratung, Coaching, Training und Meditation.

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Soft skills spielen in allen Brachen eine immer größere Rolle

Das richtige Management der Gefühle hat, dank des Einsatzes von Arbeitspsychologen, in nahezu jeder Branche Einzug gehalten. Ulrich Schnabel erklärt: „Allerorten sind „soft skills“ gefragt, kommunikative Fähigkeiten, einfühlsames Denken und Begeisterungsvermögen, nicht nur gegenüber Kunden, sondern auch innerhalb eines Unternehmens.“ Insbesondere in den Vorstandsetagen pflegt man einen modernen emotionalen Stil. Mitarbeiter werden heute nicht mehr angebrüllt, sondern motiviert; die polternden Chefs von einst, die ihr Unternehmen mit harter Hand und lautstarker Autorität führten, gehören zunehmend der Vergangenheit an. Die modernen Manager haben gelernt, mit Empathie zu führen. Sie sagen öfters „wir“ als „ich“ und verstehen sich nicht mehr nur als Antreiber. Viele verstehen sich als oberster „Ermöglicher“, der fürsorglich dafür zuständig ist, dass andere ihren Job erledigen können. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Lob ist ein zwiespältiges und tückisches Verhalten

Wenn ein Mensch etwas geleistet hat und ein anderer sagt, dass er es gut findet, freut sich der Gelobte in der Regel. Man fühlt sich anerkannt und hat mehr Lust und Mut, so weiterzumachen. Sagt der andere nie etwas, fehlt einem etwas. Loben ist daher „in“ – in der Erziehung seit jeher. Reinhard K. Sprenger ergänzt: „Das Loben gilt aber auch unter Erwachsenen als besonders humane, mitmenschliche Form des Miteinanderumgehens.“ Die Worte des Rheinländers Konrad Henkel – „Lorbeer gehört nicht auf den Kopf, sondern in den Sauerbraten“ – verhallten jedenfalls ungehört. Reinhard K. Sprenger gibt allerdings zu, dass viele Menschen ein schmerzlich ein Defizit an Aufmerksamkeit spüren. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Die Scham und die Freiheit bedingen einander

Die Scham, die keinem Menschen fremd sein dürfte, ist ein urmenschliches Gefühl. Wer sich nicht zu schämen vermag, ist keine erwachsene Person, das bemerkte bereits Charles Darwin. Ulrich Greiner erläutert: „Scham bedingt Reflexivität, welche die Abweichung vom Ideal für den Handelnden erst einsichtig macht.“ Im Augenblick der Scham erkennt sich ein Mensch als eine Person, die einen Fehler gemacht hat oder zumindest meint, einen gemacht zu haben, und das Bild, das ihm jetzt entgegentritt, verletzt oder beleidigt jenes Bild, das er von sich selbst hat und er wahren möchte. Ulrich Greiner war zehn Jahre lang der Feuilletonchef der ZEIT. Als Gastprofessor lehrte er in Hamburg, Essen, Göttingen und St. Louis. Außerdem ist er Präsident der Freien Akademie der Künste in Hamburg.

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Bewusstsein ist eine Art mentale Berührung

David Gelernter vertritt die These, dass man ein Thema wie das Bewusstsein, das von seinem Wesen her subjektiv ist, nicht ohne Introspektion untersuchen kann. Die Phänomenologen erinnern an etwas Wichtiges: Wenn Introspektion erforderlich ist, muss man dabei sorgfältig und systematisch vorgehen – man muss sich laut Edmund Husserls Worten immer darum bemühen, zu „sehen“ oder zu „schauen“, welche allgemeinen Gesetzte sich im eigenen Erleben offenbaren. In jeder Erfahrung spiegeln sich nämlich die grundlegenden Gesetze des jeweiligen Wissensgebiets wieder – falls es solche Gesetze gibt. Durch das Schlüsselloch seines Erlebens kann man erkennen, wie das Bewusstsein strukturiert sein muss, damit es das Erlebnis möglich machen kann. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University. In seinem jüngsten Buch „Gezeiten des Geistes“ erklärt David Gelernter, warum Computer und künstliche Intelligenz die Tiefen der menschlichen Subjektivität nicht ausloten können.

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Jeder hat seine Lebensumstände frei gewählt

Neben vielen kleinen Dingen, die das Leben schwer machen, gibt es die noch wirklich belastenden Probleme. Reinhard K. Sprenger betont, dass jeder sein Leben, so wie es gerade ist, frei gewählt hat. Der Alltag, der Job, der Chef, die Kollegen, die Wohnung, die Stadt, der Partner oder auch das Single-Dasein. All das und alle anderen Umstände sowie Begleitumstände des Lebens hat jeder frei gewählt und ist dafür selbst verantwortlich. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Egal, welche Motive Sie hatten, einerlei, was Sie bewog: Sie haben es sich ausgesucht. Sie haben alles, was jetzt ist, entschieden und damit selbst gewählt – und Sie können all dies auch wieder abwählen.“ Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Die Autorität steht seit der Aufklärung unter Beschuss

Viele Menschen, die mit den aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen nicht einverstanden sind, machen das Schwinden der Autorität dafür verantwortlich. Konservative Stimmen klagen über den Untergang des Abendlandes, und manche suchen die Schuld bei den Ausländern. Damit meinen sie Muslime – ironischerweise Angehörige einer Glaubensgemeinschaft, die wesentlich mehr konservative Normen und Werte verkörpert, als die heutige westliche Gesellschaft, die deren Schwinden beklagt. Mit diesen Stimmen kann sich Paul Verhaeghe nicht identifizieren; zugleich jedoch ist auch ihm klar, dass der Westen mit Autorität ein Problem hat. Das aktuelle Wehklagen könnte den Eindruck erwecken, Autorität sei erst vor Kurzem zum Problem geworden. Aber weit gefehlt: Sie steht bereits seit der Epoche der Aufklärung unter Beschuss. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

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Politik ist der Kampf um Macht

Ein soziales Bedürfnis mit großer Nähe zur Problematik der Aggression ist das Streben nach Macht. In gewissem Ausmaß Einfluss ausüben und eigene Absichten durchsetzen zu wollen ist keineswegs unsozial, sondern sogar notwendig für die Selbstentfaltung und Selbstbehauptung; die Alternative wäre völlige Unterwerfung. Hans-Peter Nolting fügt hinzu: „Wenn das Machtstreben jedoch ein angemessenes Maß überschreitet und mit aggressiven und gewalttätigen Mitteln umgesetzt wird, haben zwangsläufig andere Menschen darunter zu leiden.“ Das Streben nach Macht dient also dazu andere Menschen beeinflussen und kontrollieren zu können. Es ist das eigentliche Ziel, unabhängig von den anderen Vorteilen, die aus der Macht eventuell erwachsen. Dr. Hans-Peter Nolting beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Themenkreis Aggression und Gewalt, viele Jahre davon als Dozent für Psychologie an der Universität Göttingen.

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Affären mit Bekannten sind ziemlich weit verbreitet

Obwohl die Mehrzahl emotionaler Affären sich zwischen Arbeitskollegen abspielt, sind Romanzen zwischen näheren Bekannten und Nachbarn ebenso verbreitet. Wenn man versteht, wie dünn die Linie zwischen Freundschaft und Liebe ist, überrascht das nicht. Shirley P. Glass erklärt: „Die Zutaten, um sich romantisch zu verbinden, sind in einer Freundschaft bereits vorhanden. Sie mögen sich, haben eine gemeinsame Geschichte und sind gut darin, über Gefühle zu reden.“ Trotz der offensichtlichen Ähnlichkeiten bestehen zwischen Freundschaft und emotionalen Affären klare Unterschiede. Emotionale Affären zeichnen sich durch Heimlichkeit, emotionale Intimität und sexuelle Chemie aus. Diese drei Elemente bilden eine Mischung, die die ohnehin schon vorhandene Anziehung noch verstärkt. Dr. phil. Shirley P. Glass war niedergelassene Psychologin und Familientherapeutin. Sie starb im Jahr 2003 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung.

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Menschen beurteilen Situationen nach ihrer Erfahrung

Bei der Beurteilung einer Situation greifen die meisten Menschen auf ihre eigenen Erfahrungen zurück. Sie dient als Referenz bei der Interpretation. Allan Guggenbühl erklärt: „Denken besteht oftmals aus einem Rückgriff auf frühere Erfahrungen. Die daraus gezogenen Schlüsse werden zur Richtschnur bei der Beurteilung einer Situation und wiegen oft mehr als andere gewichtige Argumente.“ Die persönlichen Erfahrungen sind Teil des Dispositivs, mit dem Menschen das Leben meistern. Bei einer bestimmten Herausforderung mobilisiert man dann das gleiche Muster. Gibt es keine Überraschungen, wird die Aufgabe gewohnheitsmäßig bewältigt, ohne großes Engagement und innerliche Beteiligung. Ein tieferer Prozess der Reflexion bleibt aus. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Bei der Achtsamkeit spielt Transzendenz keine Rolle

Achtsamkeit heißt die aktuelle Antwort auf Burn-out und Stress. Die neu entdeckte Innerlichkeit soll Menschen dazu bringen, sich dem Wesentlichen im Leben zuzuwenden – ist aber oft nur der Esoterik-Chic einer erschöpften Leistungselite. Achtsamkeit ist das Wort der Zeit. So wie in Burn-out alles Bedrohliche einer anstrengend gewordenen Welt mitschwingt, so atmet Achtsamkeit bereits alles, was fehlt und doch ersehnt wird. Es geht um Dinge, die lange an allen möglichen Orten eine Rolle spielten, nur nicht im Job. Um Sinnsuche und Sinnfragen, um Meditation, Spiritualität und inneres Leid. Dinge, für die traditionell die Kirchen zuständig waren, Psychotherapeuten, Freunde und vielleicht der Barmann im Hotel. Aber bestimmt nicht der Chef. Das Wort Achtsamkeit ist eine Übersetzung aus der buddhistischen Literatur: Satipatthana oder Smrti-Upasthana.

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