Das Kind ist heute für viele Menschen ein Objekt, das man sich aus gewissen persönlichen Motiven angeschafft hat und das es dementsprechend gilt, im Idealfall zum eigenen Ruhm zu optimieren. Wer das schafft, der punktet, ähnlich wie der Besitzer einer teuren Luxuskarosse. Der kontrollverwöhnte Durchschnittsmensch muss zudem gekränkt feststellen, dass sich eine Schwangerschaft nicht so auf Knopfdruck produzieren lässt. Martina Leibovici-Mühlberger ergänzt: „Darum haben wir die moderne Fortpflanzungsmedizin auch heftig dazu angespornt, Einblick in die tiefsten Geheimnisse der Natur erlangen zu wollen, um sie dann zu manipulieren.“ Vordergründig darf die Menschheit hier wirklich stolz auf das Erreichte sein. Die Ärztin Martina Leibovici-Mühlberger leitet die ARGE Erziehungsberatung und Fortbildung GmbH, ein Ausbildungs-, Beratungs- und Forschungsinstitut mit sozialpsychologischem Fokus auf Jugend und Familie.
Machbarkeit ist das Zauberwort der Wissenschaft
Martina Leibovici-Mühlberger warnt: „Unser Ego darf sich auf die Schulter klopfen, auch wenn die ethischen Probleme, die im Fahrwasser lauern, uns mit der Brutalität des gesellschaftlichen akzeptierten Narzissmus konfrontieren.“ Gemacht wird, was geht, wenn nicht hier, dann anderswo. Über die Konsequenzen und Kontrollrichtlinien müssen sich die überforderten Ethikkommissionen und juristischen Senate den Kopf zerbrechen. Machbarkeit ist dabei das Zauberwort. Die Wissenschaft kann heute beinahe alles.
In der Fortpflanzungsmedizin spannt sich der Bogen von Insemination und In-vitro-Fertilisation über gekaufte Eizellen und im Katalog bestellbare Samenspenden bis zu Leihmutterschaft und Pränataldiagnostik, um verwertbare Embryonen von unwerten zu unterscheiden. Dadurch werden Kinder immer mehr zu einem Produkt, zu einem Objekt, im schlimmsten Fall zu einer Ware in einem Dienstleistungsbetrieb. In dem neuen Industriezweig mit hohen Zuwachsraten tauche wie von selbst Begriffe wie Preis, Qualität und Wert auf.
Die richtige Namensfindung ist von enormer Wichtigkeit
Wenn das Kind dann endlich da ist, bleibt für das Verschnaufen keine Zeit mehr. Denn jetzt geht es erst richtig los mit dem Projekt „Mein Kind“. Martina Leibovici-Mühlberger erklärt: „Wer da erst einmal ruhig ankommen und sein Kind einfach so vor sich hinwachsen lassen will, ohne es bereits im Wochenbett fürs Babyschwimmen anzumelden, gilt fast schon als Ignorant.“ Auf jeden Fall gefährdet er die Entwicklung seines Kindes. Auch die richtige Namensfindung ist von enormer Wichtigkeit. Der Name muss originell und gut abzukürzen sein und einen individuellen Touch aufweisen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat sich bereits die gesamte Umgebung mit gutem Rat und tiefsinniger Meinung zu Wort gemeldet. Damit wird auch noch den letzten der frischgebackenen Eltern klar, dass es jetzt gilt, jegliche Unbefangenheit ganz rasch abzustreifen und alles daranzusetzen, in der Gesellschaft als perfekte Eltern zu reüssieren. Ein ganzer Katalog von Regieanweisungen und eigenwilligen Zielbildern einer Rollengestaltung gibt dabei vor, wie Elternschaft angelegt werden muss. Quelle: „Wenn die Tyrannenkinder erwachsen werden“ von Martina Leibovici-Mühlberger
Von Hans Klumbies