Das Phänomen der Resonanz geht weit über die Liebe hinaus

Auf die Frage wie Hartmut Rosa zu seinem Thema „Resonanz“ gekommen ist, antwortet der Soziologe wie folgt: „Ich habe mich gefragt: Was sind eigentlich die sozialen Bedingungen dafür, dass wir uns in der Welt getragen und gehalten fühlen und uns nicht nur als ausgesetzt oder in die Welt geworfen?“ Das berühmte Motto von Johann Wolfgang von Goethe drückt das gut aus: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich`s sein“. Getragen fühlen sich Menschen dort, wo sie sich mit ihrer Umgebung, ihren Mitmenschen, der Natur oder auch einer bestimmten Ästhetik lebendig verbunden fühlen. Hartmut Rosa lehrt Soziologie an der Universität Jena. Sein neues Buch trägt den Titel „Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung“ und ist im Januar 2016 im Verlag Suhrkamp erschienen.

Resonanz ist das Antwortverhältnis zwischen Mensch und Welt

Diese Verbindung hat immer zwei Seiten: Zum einen spricht einen Menschen etwas an, es sagt ihm etwas; zum anderen muss er aber auch das Gefühl haben, dass er da draußen etwas erreichen kann, dass er sich selbst als wirksam und nicht als ohnmächtig erlebt. Es muss also ein Antwortverhältnis zwischen ihm und der Welt geben, das Hartmut Rosa als Resonanz bezeichnet. Was den Menschen als Spezies auszeichnet ist sein sozialer Sinn und seine Fähigkeit, sich in die Gedankenwelt anderer hineinzuversetzen.

Und am beglückendsten ist es, wenn man das Gefühl hat: Da antwortet etwas, man schwingt sozusagen auf derselben Wellenlänge. Für Hartmut Rosa geht das Phänomen der Resonanz weit über die Liebe hinaus: „Man kann Resonanz auch in der Kunst erleben, etwa beim Malen, Dichten oder musizieren.“ Manche Menschen erleben Resonanz auch in der Religion. Die ganze Bibel ist ja ein Dokument des Schreiens um Antwort. Und alle religiösen Traditionen kennen verschiedene Praktiken der Resonanz. Deshalb ist die Religion auch nicht totzukriegen.

Die Resonanz kann sowohl von außen als auch von innen kommen

Die rein akustische Resonanz kann man natürlich empirisch messen. Bei der sozialen Resonanz ist das schwieriger. Die Resonanz kann sowohl von außen als auch von innen kommen. Sie kommt von außen, wenn ein Mensch für etwas empfänglich ist und sich davon in der Tiefe angesprochen fühlt. So gibt es zum Beispiel immer wieder Menschen, die etwas Besonderes ausstrahlen, die Resonanz vermitteln und andere sozusagen anstecken. Das Resonanzmoment kann aber auch von innen kommen, wenn einen Menschen eine Emotion bewegt, er gewissermaßen einen Draht zur Welt spürt und das Gefühl hat: Er kann da etwas erreichen.

Wenn dagegen nichts schwingt, sind das Situationen, die einen kaltlassen, die einem nichts sagen, bei denen man sich fehl am Platze fühlt. Man fühlt sich dann nicht im Einklang mit sich selbst, sondern eher entfremdet. Was ja leider viele Menschen häufig erleben. Man kann sich selbst dann entfremdet fühlen, wenn man etwas interessant findet. Es fehlt das Gefühl der Selbstwirksamkeit, das wichtig für die Erfahrung der Resonanz ist. Das findet man in allen Lebensbereichen wie zum Beispiel in der Politik. Da haben ja viele Menschen das Gefühl: Es ist egal, wen man wählt, es macht ohnehin keinen Unterschied. Quelle: „Was kostet ein Lächeln?“ von Ulrich Schnabel

Von Hans Klumbies