Ähnlich ambivalent wie das Verhältnis von Sex und Geld stellt sich der Zusammenhang von Sex, Macht und Gewalt dar. Die Attraktivität von Macht liegt auf der Hand, denn sie bedeutet Schutz. Schutz vor den Gefahren der Umwelt und Schutz vor anderen Menschen. Thomas Junker fügt hinzu: „Auch deshalb kann das erotische Spiel mit Macht und Unterwerfung so reizvoll sein. Nicht nur der Marquis de Sade war ihm verfallen.“ Bis heute prallen die Meinungen unversöhnlich aufeinander, ob die spielerische Auseinandersetzung mit sexueller Macht und Gewalt für die psychische Gesundheit eines Menschen unabdingbar ist oder ob es sich um den ersten Schritt in die Inhumanität handelt. Da Männer von einer Vergewaltigung biologisch profitieren können, wenn es zur Schwangerschaft kommt, wäre es denkbar, dass in der Evolution eine entsprechende angeborene Neigung entstanden ist. Thomas Junker ist Professor für Biologiegeschichte an der Universität Tübingen.
Abscheu
Ungewissheit zählt zur Grunderfahrung des Menschen
Sehr viele Menschen leben heute in Gesellschaften, in denen sich Veränderung mit einer so hohen Geschwindigkeit vollziehen, dass sie den Überblick zu verlieren drohen. Frühere Gesellschaften boten ihren Mitgliedern bei allen stürmischen Entwicklungen und Zumutungen immer noch einen relativ stabilen Orientierungs- und Entfaltungsrahmen, der für Überblick, Strukturierung, Klarheit, Abschätzbar- und Überschaubarkeit der individuellen Lebensführung einigermaßen Sorge trug. Ernst-Dieter Lantermann erklärt: „Diese Lebensgewissheiten kann eine moderne Gesellschaft nicht mehr leisten. Ungewissheit und Unsicherheit sind zu Grunderfahrungen von uns allen geworden, ob wir dies nun gutheißen oder nicht.“ Der Historiker Heinrich August Winkler spricht von einem „Zeitalter der allgemeinen Verunsicherung“, der Philosoph Zygmunt Baumann von einer „fluiden“ Gesellschaft, in der alles im Fluss sei und keine Stabilitäten mehr Geltung hätten. Ernst-Dieter Lantermann war von 1979 bis 2013 Professor für Persönlichkeits- und Sozialpsychologie an der Universität Kassel.
Killerspiele sind eine Anleitung zum Töten
Bei Killerspielen geht es um bis ins Detail gehende Durchführung von Gewalt. Die Spieler setzten sich zum Beispiel damit auseinander, welche Waffe man wählt, um einen am Boden liegenden Verwundeten zu töten. Oder wohin genau man mit einem Messer sticht. In den Augen von Georg Pieper ist das eine Anleitung zum Töten. Wenn man es besonders gut macht, wird man durch Punkte belohnt. Barbara Krahé, Professorin, für Sozialpsychologie an der Universität Potsdam, die in diesem Bereich forscht, erklärt: „So wie die Produktwerbung im Fernsehen das Kaufverhalten im Supermarkt beeinflusst, wirkt sich das Töten und Verletzen im Rahmen von Killerspielen auf Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen im echten Leben aus. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.
So sah Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus
Nach dem Zweiten Weltkrieg lagen die deutschen Städte in Trümmern. Ihre historischen und industriellen Zentren waren bis zu 80, 90 Prozent zerbombt. Josef Joffe ergänzt: „Total war die moralische Zerstörung nach dem Vernichtungskrieg gegen Juden und andere „Untermenschen“. Die „Stunde null“ wurde zum geflügelten Wort.“ Vor den Deutschen lagen Ächtung und Vergeltung, so weit das Auge reichte. Selbst ein freundlicher Beobachter wie der amerikanischen Deutschland-Historiker Fritz Stern erinnert sich an sein Gefühl des „Misstrauens und der Abscheu“. Doch den Westdeutschen sollte ein dreifaches Glück zuteilwerden. Einmal in der Gestalt von Konrad Adenauer, der 1949 im Bundestag mit nur einer Stimme Mehrheit gewählt wurde – seiner eigenen. Sein Widersacher, der Sozialdemokrat Kurt Schumacher, stand für einen national-neutralistischen Kurs kontra Westbindung und Integration. Josef Joffe ist seit dem Jahr 2000 Herausgeber der ZEIT.
Das Böse ist das Fremde und radikal Andere
Das Böse. Dunkel, geheimnisvoll, furchteinflößend. Als das Unfassbare schlechthin, das menschliches Vertrauen in die Welt erschüttert, reizt es zu Dämonisierungen – und auch zu Projektionen. Das Böse ist das Fremde. Das radikal Andere. Ob Heimtücke, Falschheit oder Hinterlist, ob Missbrauch, Amoklauf oder Terrorismus: Den gesunden Menschenverstand übersteigend verursacht die böse Tat Abscheu, Angst und ein tiefes Schutzbedürfnis. Svenja Flaßpöhler fügt hinzu: „Das Böse muss bekämpft werden. Überwacht, weggesperrt, ausgeschlossen – gar ausgerottet.“ Aber könnte es nicht sein, dass das Böse gar nicht von außen kommt, verschlagen und verführerisch in Häuser und Herzen drängt – sondern vielmehr uranfänglich in uns selbst lebt? Tatsächlich zeigt sich ja gerade im Schlaf, wie ungeheuerlich die Phantasien eines Menschen sein können. Dr. Svenja Flaßpöhler ist Stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins.
Die Reue konfrontiert einen Menschen mit seiner Selbstverantwortung
Wikipedia erklärt Reue als „das Gefühl […] der Unzufriedenheit, der Abscheu, des Schmerzes und Bedauerns über das eigene fehlerhafte Tun und Lassen, verbunden mit dem Bewusstsein oder „der Empfindung) von dessen Unwert […]“ Und die Reue stellt sich häufig ein, wenn Menschen über sich und ihr Leben nachdenken. Reue ist sozusagen ein retrospektiver Zweifel. Anja Förster und Peter Kreuz nennen Beispiele: „Ach hätte ich damals bloß … den Traumjob angenommen, mehr Risiko gewagt, um die große Liebe gekämpft.“ Der entscheidende Punkt bei der Reue ist: Ein Mensch wird im Nachhinein nicht die Entscheidungen bereuen, die er trotz seiner Zweifel getroffen hat, sondern er wird die Momente bereuen, in denen sie zurückgewichen ist und das Risiko gescheut hat. Anja Förster und Peter Kreuz nehmen als Managementvordenker in Deutschland eine Schlüsselrolle ein.
Das radikal Böse gehört zur menschlichen Natur
So ist es dem Aufklärer Immanuel Kant zufolge gerade die Freiheit, die einen Menschen zur Moral befähigt. Sich souverän über seine Neigungen erhebend gehorcht der Mensch einzig und allein der Vernunft, die den Grundsatz allen moralischen Handelns in Form des kategorischen Imperativs bereits in sich trägt: „Handle nur nach derjenige Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Nur wer diesem Vernunftbefehl aus reiner Pflicht Folge leistet, handelt moralisch; agiert ein Mensch aus Neigung und folgt dabei zufällig einer verallgemeinerbaren Maxime, hat dies mit moral nichts zu tun. Svenja Flaßpöhler erklärt: „Dieses Kantische Moralverständnis bringt nun naturgemäß auch einen vollkommen anderen Begriff des Bösen mit sich. Wenn wir nämlich keine Sklaven unserer Natur sind, sind wir notwendigerweise auch frei, uns für das Böse zu entscheiden.“ Svenja Flaßpöhler ist Stellvertretende Chefredakteurin des Philosophie Magazins.
Das Verbot eines Marktes ist ungeschicktes Marktdesing
Alvin E. Roth nennt eine Transaktion abstoßend, wenn einige Menschen diese tätigen wollen, während andere sie davon abhalten wollen. Die Arten abstoßender Transaktionen, die Alvin E. Roth am meisten interessieren, sind diejenigen, bei denen ist nicht leicht ist, genau zu bestimmen, warum einige Menschen an ihnen Anstoß nehmen. Ökonomen sagen, dass Transaktionen „negative Externalitäten“ haben, wenn sie Menschen schaden, die nicht an den Transaktionen beteiligt sind. Dabei ist zu beachten, dass „abstoßend“ nicht das Gleiche ist wie „ekelhaft“. Zudem kann etwas in einer Region als abstoßende empfunden werden, während es in einer anderen ganz in Ordnung ist, und es kann abstoßend für manche Menschen sein, für andere dagegen nicht. Im Jahr 2012 erhielt Alvin E. Roth den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Der Wirtschaftsprofessor lehrt an der Stanford University.
Moralische Abscheu wird an Ekel geknüpft
Ekel ist ein „starkes“ Gefühl. Bis vor einiger Zeit gingen Psychologen und Anthropologen noch davon aus, dass er vor allem ein kulturelles Phänomen darstellt und den Menschen dazu dient, die animalischen Anteile ihrer Existenz und ihre Sterblichkeit zu verdrängen. Aber das stimmt so nicht. Ekel hat einen deutlich handfesteren Sinn. Das Gefühl schützt vor Krankheitserregern, vor Parasiten, Bakterien, Viren. Es lässt sich als Immunsystem des menschlichen Verhaltens verstehen. Menschen meiden instinktiv das, was ihnen schadet oder krank macht. Diesen evolutionsbiologischen Zusammenhang hat die britische Wissenschaftlerin Valerie Curtis von der London School of Hygiene und Tropical Medicine aufgedeckt. Die Professorin sagt: „Ich wollte verstehen, warum sich Menschen hygienisch verhalten.“ Sie stellte fest, dass sich die Leute die Hände waschen, wen sie vorher etwas eklig fanden.
Sexuelle Erregung senkt das natürliche Ekelempfinden
Sigmund Freud hat das paradoxe Verhalten von Frischverliebten treffend auf den Punkt gebracht: Ein Mann, der eine Frau leidenschaftlich auf den Mund küsst, wird sich wenig später womöglich davor ekeln, ihre Zahnbürste zu benutzen. Werner Bartens erklärt: „Sexuelle Begierde wie auch Ekel sind zwar Empfindungen, die beide zu den Grundeigenschaften des Menschen gehören, doch sie können sich auch gegenseitig im Weg stehen. Wer mit einem anderen Menschen intim werden will, muss naturgemäß gewisse Ekelschwellen überwinden.“ Denn Sex ist nun mal nicht sauber, sondern unordentlich, feucht und dreckig und ohne den Austausch von Körperflüssigkeiten schwer vorstellbar. Sind Frauen sexuell erregt, steigt passenderweise ihre Ekelschwelle an, das heißt, sie können mehr Dinge ohne Abscheu ertragen und anfassen, die sie ansonsten unangenehm finden würden. Werner Bartens ist Autor von Bestsellern wie „Das Ärztehasser-Buch“, „Körperglück“ und „Was Paare zusammenhält“.
Ärger mit dem Partner gehört zum Alltag in einer Beziehung
Wenn Paare, der Beziehung schon sehr lange gehalten hat, immer wieder streiten, ist das noch lange kein Grund, dass sich die Partnerschaft dem Ende zuneigt, im Gegenteil. Die regelmäßige Auseinandersetzung ist vielmehr ein gutes Zeichen. Solche Ehen halten lange. Immer wieder vom Partner genervt zu sein, beweist schließlich, dass sich beide noch längst nicht gleichgültig sind. Mann und Frau empfinden immerhin noch Gefühle füreinander, auch wenn es momentan gerade ziemlich negative Emotionen sind. Es erfordert ja einen ziemlichen Aufwand, sich über den Partner zu ärgern und sich dann auch noch mit ihm auseinanderzusetzen. Wäre einem der andere egal, würde man die Energie zum Streit ja gar nicht mehr aufbringen. Die roten Alarmleuchten für eine Partnerschaft sollten also erst dann angehen, wenn aus einer lautstarken Beziehung eine leise wird und sich keiner mehr über den anderen aufregt.