John Locke kennt keine Tabus

Kategorien wie Gerechtigkeit, Treue, Schuld, Sünde, Gewissen, alles, woran sich Menschen zu orientieren pflegen, sind nur temporäre Vereinbarungen, Verhandlungssache. John Locke behauptet das nicht einfach, sondern belegt seine These mit reichem empirischem Material. Jürgen Wertheimer erläutert: „Eine Art Gehirnforschung aus dem Geist der anthropologischen Expertise, eine Ethnophilosophie ohne Tabus und Grenzen der Schicklichkeit.“ Es beginnt ein Großreinemachen im Augiasstall der Gewohnheiten, der Vorurteile und mentalen Restbestände aller Couleur. Wenn Menschen das, woran sie zu glauben gewohnt sind, für unumstößliche Wahrheiten halten, benehmen sie sich nicht anders als Kinder, die man blindem Gehorsam lehrte. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass letztlich Gott und die Welt auf dem Spiel stehen. Jürgen Wertheimer ist seit 1991 Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik in Tübingen.

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Vor Friedrich Nietzsche gab es keine Psychologie

Friedrich Nietzsche schreibt in „Jenseits von Gut und Böse“: „Allmählich hat sich mir herausgestellt, was jede große Philosophie bisher war. Nämlich das Selbstbekenntnis ihres Urhebers und eine Art ungewollter und unvermerkter mémoires.“ Laut Christian Niemeyer ging des dem Philosophen darum, „den Denker durch den Menschen zu erläutern.“ Friedrich Nietzsche hatte die Absicht die Psychologie als „Herrin der Wissenschaften“ zu etablieren. In „Die fröhliche Wissenschaft“ heißt es: „Ein Psychologe kennt wenig so anziehende Fragen, wie die nach dem Verhältnis von Gesundheit und Philosophie.“ Eine andere Bemerkung aus „Ecce homo“ lautet: „Wer war überhaupt vor mit unter den Philosophen Psycholog und nicht viel mehr dessen Gegensatz höherer Schwindler, Idealist? Es gab vor mir noch gar keine Psychologie.“ Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Philosophen bewerten die Kunst sehr unterschiedlich

Zahlreiche Philosophen haben der Kultur in der Bedeutung von Kunst höchsten Wert beigemessen. Doch nicht jeder große Denker folgte ihnen darin. Platon steht der Kunst aus politischen Gründen feindselig gegenüber und vertreibt die Dichter aus seinem Staat. Immanuel Kant, der bedeutendste moderne Philosoph, reinigt die Kunst von ihrem Inhalt und reduziert sie auf die reine Form. Terry Eagleton nennt weitere Beispiele: „Für Hegel kann die moderne Kunst nicht mehr die lebenswichtige Aufgabe erfüllen, die sie in der antiken Welt wahrnahm, und muss daher der Philosophie weichen. Jeremy Bentham, dessen utilitaristische Philosophie im 19. Jahrhundert zur herrschenden Morallehre Englands wurde, erweist sich bei ästhetischen Fragen als ausgemachter Spießer.“ Der Literaturwissenschaftler und Kulturtheoretiker Terry Eagleton ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.

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Europa bestimmt seine eigene Identität

Das Zeitalter der Aufklärung ist nicht nur selbst ein sich über den gesamten europäischen Kontinent erstreckendes Phänomen, es entwickelt auch als erste Epoche ein eigenständiges Bild von Europa als zivilisatorisches Gebilde. Wenn aufklärerisches Selbstverständnis und europäisches Bewusstsein der „philosophes“ (Aufklärer) in der Folge eine enge Verbindung eingehen, dann vor allem deshalb, weil die Aufklärer sich selber als eine genuin europäische Bewegung definieren, ebenso wie umgekehrt Europa von ihnen gerade als der geschichtliche Raum verstanden wird, der seit dem 16. Jahrhundert von dem Prozess der Aufklärung erfasst worden ist. Der Diskurs über Europa im Zeitalter der Aufklärung kann als Ausdruck eines spezifisch europäischen Bedürfnisses begriffen werden, die eigene Identität in Abgrenzung zur außereuropäischen Welt zu bestimmen. Im deutschen Sprachraum des 18. Jahrhunderts ist das Bild von Europa in erster Linie politischer Natur.

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Die Aufklärung war von unerschrockenen Freigeistern gekennzeichnet

Das 18. Jahrhundert entwickelte sich zur Epoche der großen „Entlarvung“: der Demaskierung aller – oder jedenfalls sehr vieler – Werte und Wahrheiten, die bis dahin als unantastbar gegolten hatten. Die Aufklärung sollte in Amerika und in Frankreich zu zwei politischen Revolutionen Anstoß geben, die in der Frage legitimer Machtausübung eine nachhaltige Veränderung herbeiführen würden. Zunächst war sie jedoch von einem nüchternen und respektlosen Blick auf alles gekennzeichnet, was unlängst noch Ehrfurcht gebietend erschien. Ger Groot erläutert: „Ein unerschrockener Freigeist hielt Einzug, der sogar vor den Entlarvung der Moral als ein fadenscheiniges Deckmäntelchen, das dazu diente, die egoistischen Motive zu verbergen, nicht zurückschreckte.“ Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam und ist Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Ein Gemeinwesen braucht eine politische Herrschaft

Der Kernbestandteil eines jeden Gemeinwesens besteht in einem Recht, das sich wesentlich mit Zwangsbefugnis verbindet. Seinetwegen hat jedes Gemeinwesen einen Herrschaftscharakter, weshalb nicht die „geordnete Anarchie als philosophisches Leitbild des freiheitlichen Rechtsstaates“ behauptet werden kann. Otfried Höffe erklärt: „Weil angeblich jede Regierung Rechte von Individuen verletzt, taucht selbst gegen eine von den Betroffenen ausgeübte Herrschaft Skepsis auf.“ Es ist überraschend, dass ursprünglich, im Griechischen, die Herrschaftslosigkeit durchweg negativ bewertet wird. Auch in der politischen Neuzeit, etwa von Niccolò Machiavelli über Montesquieu bis Voltaire, herrscht die negative Einschätzung vor. Erst in Karl Marx` und Friedrich Engels` These vom Absterben des Staats, bei dem davon beeinflussten Herbert Marcuse, auch in der subversiven Institutionenkritik eines Michel Foucault und nicht zuletzt in antiautoritären Bewegungen lebt der Gedanke der Herrschaftsfreiheit auf. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Die Philosophie prägt das Selbstverständnis des 18. Jahrhunderts

Schon den Zeitgenossen gilt das 18. Jahrhundert als das philosophische. Dass die Philosophie das Selbstverständnis eines Zeitalters maßgeblich prägen kann, sagt etwas über ihren wachsenden Anspruch auf öffentliche Wirksamkeit aus. Darin spiegelt sich der Versuch wider, die Gesellschaft, die Moral und das komplette Wissen der Zeit mithilfe der Vernunft rational abzusichern und sie auf vernünftigen Grundlagen neu zu entwickeln. Nicht zuletzt manifestiert sich in diesem Anspruch auch das Selbstbewusstsein einer neuen Elite von Intellektuellen, die sich aus religiösen und staatlichen Abhängigkeiten und Bevormundungen zu lösen beginnt und sich machtvoll als Vordenker und Sprachrohr dessen begreift, was sich seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert als öffentliche Meinung herausbildet. Teile der intellektuellen Eliten treten aus ihren ständischen Bindungen und aus ihren alten Funktionszusammenhängen heraus.

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Der Aufklärer Voltaire war ein Verfechter der Meinungsfreiheit

Im 18. Jahrhundert behaupteten einige Menschen mit Bestimmtheit, dass ihre Welt die beste aller möglichen sei. Der englische Dichter Alexander Pope (1688 – 1744) schrieb: „Was auch immer ist, ist richtig.“ Das heißt: Alles auf der Welt ist aus einem bestimmten Grund so, wie es ist. Nigel Warburton erklärt: „Es ist alles Gottes Werk, und Gott ist gütig und allmächtig. Selbst wenn die Dinge schlecht zu laufen scheinen, sind sie es nicht.“ Selbst Krankheiten und Umweltkatastrophen gehören nach dieser Ansicht zu Gottes Plan. Der Fehler der meisten Menschen besteht einzig und allein darin, das Augenmerk nur auf einzelne Details zu richten, statt das große Ganze zu sehen. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Angst und Abwehr führen zur Ausgrenzung des Anderen

Das Titelthema des Philosophie Magazins 03/2015 beschäftigt sich mit den Anderen, deren Anwesenheit scheinbar nicht immer ein Segen ist. Denn allzu oft stören die Mitmenschen, nerven und machen einem im schlimmsten Fall das Leben zur reinen Hölle. Andererseits, wer wollte und könnte ernsthaft ohne andere Menschen leben – ohne deren Berührung, Mitgefühl und Inspiration? Besonders herausfordernd ist der Andere, wenn er aus einer fremden Kultur stammt. Was soll man mit einem solchen Menschen tun? Es gibt verschiedene Möglichkeiten: tolerieren, diskutieren oder drangsalieren oder ihn einfach zum Freund erklären. Fritz Breithaupt, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Indiana University, Bloomington, behauptet: „Wer den Anderen nur als konkretes Gegenüber denkt, verfehlt den sozialen Kern unserer Existenz. Denn in Wahrheit sind wir keine dialogischen, sondern triadische Wesen.“ Der Dritte in unser aller Bunde nimmt die friedensstiftende Rolle ein.

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Friedrich Nietzsche sucht nach dem Sinn des Lebens

Auch im vielfältigen, sprunghaften und teilweise widersprüchlichen Denken Friedrich Nietzsches lassen sich immer wiederkehrende Motive und dominierende Fragen erkennen. So steht beispielsweise die erste Phase seines philosophischen Denkens, die mit den ersten „Baseler Vorträgen“ beginnt und mit der „Morgenröthe“ endet, unter der Leitfrage nach dem Wert und Sinn der menschlichen Existenz. Im 9. Abschnitt seiner zweiten „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ zieht er die metaphysische Reichweite der Frage nach der Welt auf den Punkt einer existentiellen Frage nach dem Sinn des Lebens eines einzelnen Individuums zusammen. Er schreibt: „Wozu die Welt da ist, wozu die Menschheit da ist, soll uns einstweilen gar nicht kümmern, … aber wozu du Einzelner da bist, das frage dich.“

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Stendhals Romane erzeugen ein Gefühl des Glücks

Der französische Philosoph Alain erkannte, dass der Schriftsteller Stendhal ganz und gar kein Bürger im üblichen Sinne war. Er schrieb: „Die Tyrannen, ob groß oder klein, fürchten dieses skandalöse Beispiel eines Mannes großen Stils, der vor nichts Respekt hat.“ Laut Alain nahm Stendhal die Götter der Politik nicht ernst, ob sie nun Staat oder Vaterland hießen. Er machte sich über die Macht lustig und verlachte die Wichtigtuer. Seine Götter waren der Mut, die Ehre, die Liebe und die Freundschaft. In den zwei großen Romanen von Stendhal sieht Alain zwei Muster der Schönheit, und zwar ohne jede Einschränkung. Alain sagt: „Die ersten Seiten der Kartause von Parma reißen mich mit wie der schönste Gesang Homers. Schlichtheit, Jugend, Poesie, all dies kommt darin dem großen Augenblick gleich.“

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Peter der Große ebnet Russlands Weg nach Europa

Zu den zahlreichen Bewunderern Peter des Großen zählten so bedeutende Persönlichkeiten wie der französische Denker Voltaire, der den russischen Zaren als einen Heros, genialen Gesetzgeber und Schöpfer Russlands und als politisches Vorbild für alle Zeiten feierte. Neben überschwänglichem Lob für Peter I., hagelte es auch reichlich Kritik an seiner Politik. Der preußische Gesandtschaftssekretär in St. Petersburg, Johann Gotthilf Vockerodt, beschreibt Peter den Großen als grausam im Frieden, schwach in Zeiten des Krieges, bewundert von den Ausländern und gehasst von seinen Untertanen.

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Der Absolutismus erlebt unter Ludwig XIV. seinen Zenit

Ludwig XIV., König von Frankreich wurde am 5. September 1638 in Saint-Germain-en-Laye geboren. Im Alter von nur 5 Jahren wurde er König, die Regentschaft übernahm jedoch seine Mutter Anna von Österreich. Die Regierungsgeschäfte leitete bis zu seinem Tod 1661 Kardinal Mazarin. 1660 heiratete Ludwig XIV. die Infantin Maria-Theresia von Spanien. Ab 1661 übernahm Ludwig die Regierungsgeschäfte und entfaltete einen Absolutismus in einer ausgeprägten Form. In drei Kriegen begründete er die Vormachtstellung Frankreichs in Europa, die erst durch den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) in Gefahr geriet. Der König starb am 1. September 1715 in Versailles.

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