Der Staat muss legitime Rechte garantieren

Der Staat muss Gerechtigkeit walten lassen, die Zivilgesellschaft kann sich Solidarität erlauben. Heinz Bude erläutert: „Gerechtigkeit bedeutet dabei die Zuerkennung legitimer Anrechte. Dafür existieren rationale Verfahren. Diese legen fest, was einem in einer bestimmten Lage zusteht und wofür man selbst geradestehen muss. Es gibt Menschen, die mit ihrer vollzeitigen und unbefristeten Beschäftigung noch unter dem offiziell errechneten Existenzminimum bleiben. Diese können mit einer Aufstockung ihres Einkommens durch einen staatlichen Zuschuss rechnen, der sie noch etwas über den Betrag der Mindestsicherung hebt. Es ist ungerecht, dass man von seinem Verdienst in einem Knochenjob wie der Gebäudereinigung nicht leben und nicht sterben kann. Ebenso ungerecht ist es, wenn man ohne Arbeit genauso viel Geld in der Tasche hätte wie mit Arbeit. Seit dem Jahr 2000 ist Heinz Bude Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

John Rawls entwickelt eine Theorie der Gerechtigkeit

Der Staat hilft auf Antrag mit Aufstockung aus. Aber wer wegen der Zusatzzahlung für seine Zähne nicht mehr über die Runden kommt, den lässt er im Regen stehen. Die Idee einer Verfahrenslogik der Gerechtigkeitsermittlung geht auf den amerikanischen Theoretiker der Gerechtigkeit John Rawls zurück. Seine „Theorie der Gerechtigkeit“ erschien im Jahr 1971. Er hat darin dargelegt, wie ein rationaler Egoist dazu gebracht werden kann, die Einrichtung gerechter gesellschaftlicher Verhältnisse als förderlich für sein eigenes Wollen und Trachten zu begreifen.

John Rawls steht wie allen Vertragstheoretikern seit Thomas Hobbes die Vorstellung einer vertraglichen Vereinbarung zwischen autonomen Rechtssubjekten vor Augen. Dabei versetzt er die Vertragspartner gedankenexperimentell in einen Urzustand, der durch den „Schleier des Nichtwissens“ über die eigene Position in der zu entwerfenden Gesellschaft gekennzeichnet ist. Die Beteiligten sind so auf ihr aufgeklärtes Selbstinteresse reduziert. Sie können sich jetzt fragen, wie man eine Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Verallgemeinerungsfähigkeit existentiell relevanter Interessen einrichten sollte.

Gesellschaftliche Ungleichheit kann gerechtfertigt sein

Heinz Bude erklärt: „Es sollen faire Grundvereinbarungen sein, die niemanden böswillig zurücksetzen oder auf ungerechtfertigte Weise privilegieren.“ Dazu gehört das von John Rawls so genannte Differenzprinzip bei der Verteilung begehrter Güter wie Macht, Einkommen, und Prestige. Gesellschaftliche Ungleichheit kann dabei durchaus gerechtfertigt sein. Nämlich dann, wenn bei gegebener Chancengleichheit für alle die besseren Aussichten für die am wenigsten begünstigten Mitglieder der Gesellschaft beitragen.

Die Gerechtigkeitsregel besagt, dass die Gesellschaftsordnung nur dann bevorzugte Positionen vorsehen darf, wenn das den weniger Bevorzugten um Vorteil gereicht. Dagegen kann man unter dem Gesichtspunkt des „gleichen Respekts für alle“ eigentlich nichts sagen. Wer etwas aus sich machen will, ist nicht zu verdammen. Aber er lebt nicht allein auf der Welt und muss sich deshalb gefallen lassen, dass dafür gesorgt wird, dass seine Vorteile auch anderen zugutekommen. Quelle: „Solidarität“ von Heinz Bude

Von Hans Klumbies