Menschen streben nicht unbedingt nach dem Guten

Ina Schmidt ist fest davon überzeugt, dass es einen Bezug zum Guten gibt und geben muss, damit Menschen überhaupt in der Lage sind, ihr Handeln moralisch auszurichten. Was halten die Menschen eigentlich von sich selbst? Gern führen sie die Menschlichkeit an, wenn von humanistischen Gründen oder humaner Hilfe die Rede ist. Dahinter stehen Absichten, die sie mit dem Guten verbinden und eben nicht mit etwas, das auf gedankenlosen Egoismus und profitorientierte Zerstörung ausgerichtet ist. Dass der Mensch dafür gemacht ist, nach dem Guten zu streben, kann man jedoch mit guten Gründen anzweifeln. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.

Auch Jean-Jacques Rousseau glaubte an einen Staatsvertrag

In der Philosophie und in der Wissenschaft herrscht durchaus auch die Überzeugung, dass der Mensch so wenig Begabung zum Guten habe, dass man ihn vor sich selbst und den Folgen seines Handelns schützen müsse. Am besten von einem übergeordneten Staatsapparat, wie Thomas Hobbes es 1651 in seinem „Leviathan“ vorschlug. Er schuf damit eine der Grundlagen für ein Welt- und Menschenbild, in dem Verantwortung als menschliche Gabe nicht vorkommt, sondern nur das klare Befolgen von Pflicht und Gesetz menschliches Miteinander überhaupt denkbar macht.

Ina Schmidt weiß: „Hobbes ist überzeugt, dass den Menschen kein angeborener Trieb zum menschlichen Miteinander – der unumgänglich für ein soziales Wesen in der Gemeinschaft wäre – antreibt.“ Sondern ihn treibt allein der Trieb zur Selbsterhaltung an, der die Menschen aus einem ursprünglichen Streit aller gegen alle nur dadurch austreten lässt, dass sie in einem gemeinsamen Willensakt einen „Staatsvertrag“ schließen. Auch Jean-Jacques Rousseau glaubte an einen solchen Vertrag, nur unter anderen Voraussetzungen.

Jean-Jacques Rousseau entwickelte im 18. Jahrhundert eine Welt der citoyen

Rousseau war sicher, dass der Mensch durchaus gut auf die Welt komme. Aber die Zivilisation überfeinert ihn und entfremdet ihn völlig von sich selbst und der Natur. Daher sei er kaum noch in der Lage, sich auf sein natürliches Wesen zu besinnen. Nur in diesem menschlichen Naturzustand aber sei es möglich, einen wahrhaft menschlichen Gesellschaftsvertrag aufzusetzen. In diesem könne jeder frei von seinen eigenen Ketten zur Entfaltung kommen.

„Hier wird der Mensch also eher von den Umständen und den kulturellen Entwicklungen gehindert, sein gutes Wesen zum Ausdruck zu bringen“, bekräftigt Ina Schmidt. Allerdings reiche es, so Jean-Jacques Rousseau, nicht, sich über diese äußeren Fesseln zu beklagen oder alten, idealen Welten nachzutrauern. Sondern die Aufgabe bestehe darin, sich zunächst über die Umstände klar zu werden, die dazu beitrage beziehungsweise die Ursache sein könnten. Rousseau entwickelte im 18. Jahrhundert eine Welt der citoyen, der Bürger, die sich, sich auf ihre natürlichen Fähigkeiten berufend, zu einer Gemeinschaft souveräner Geister zusammentun. Sie verfügen freiwillig die Regelungen, die ihnen das bestmögliche Zusammenleben garantieren. Quelle: „Die Kraft der Verantwortung“ von Ina Schmidt

Von Hans Klumbies

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