Willkürliche Machtausübung bedroht die Freiheit

Wenn man über Freiheit spricht, ist das, wovon man sich befreien will, ein bewegliches Ziel. Heutige Konservative mit intellektuellen Neigungen bezeichnen sich oft als „klassische Liberale“. Ihre Vorstellung von der menschlichen Freiheit wurde von John Locke und den Begründern des modernen Liberalismus geprägt. John Locke baute seine politische Argumentation auf dem Konzept der Freiheit auf. Sein Einfluss ging weit über die politische Sphäre hinaus. Sie prägt bis heute das Ideal einer Autonomie, die für den modernen Menschen zur zweiten Natur geworden ist. Matthew B. Crawford stellt fest: „Lockes Neudefinition der Politik machte eine Neudefinition der menschlichen Natur sowie der Stellung des Menschen in der Welt erforderlich. Letzten Endes musste er neu definieren, wie wir die Welt begreifen.“ Matthew B. Crawford ist promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker.

Die Monarchie wurde an den göttlichen Willen gekoppelt

Um das eigene Selbst verstehen zu können, muss man sich in die Geschichte des politischen Denkens vertiefen. Denn in den politischen Debatten lagerten sich die Sedimente ab, auf denen das Fundament der heutigen Kultur ruht. Dabei muss man wie ein Geologe vorgehen und versuchen, die verschieden Schichten des eigenen Weltverständnisses freizulegen. Der politische Denker John Locke sah die größte Bedrohung für die Freiheit in der willkürlichen Machtausübung durch den politischen Souverän.

Matthew B. Crawford erläutert: „Die zu Lockes Zeit vorherrschende politische Theorie legitimierte diese Machtausübung, indem sie vom Postulat ausging, dass sich der Souverän grundlegend von allen anderen Menschen unterschied.“ Mit verschiedenen Argumenten wurde die Monarchie an den göttlichen Willen gekoppelt: Der Souverän war Gottes Vertreter auf Erden; oder die Menschheit war in eine Ordnung eingebettet, in der das Kind für den Vater war, was der Untertan für den Monarchen und der Monarch für Gott war.

Einst lebten die Menschen im „Naturzustand“

John Lockes Strategie bestand darin, sein eigenes theologisches Argument vorzubringen: Gott ist so viel größer als der Mensch, die Distanz zwischen ihm und den Menschen so unvorstellbar groß, dass jeder Versuch eines Menschen, gottgleiche Macht über andere zu beanspruchen, absurd wäre. In der Nichtigkeit vor Gott sind alle Menschen gleich. Daher ist die natürliche Beziehung zueinander die der Freiheit. John Locke gestaltet dieses Argument weiter aus: Einst lebten die Menschen im „Naturzustand“, dessen wesentliches Merkmal das Fehlen einer von allen anerkannten Autorität war.

In diesem „Naturzustand“ gehorchen die Menschen lediglich ihrer eigenen Vernunft. Das Problem ist, dass es unter diesen Bedingungen leicht zum „Krieg aller gegen alle“ kommt, wie Thomas Hobbes es ausgedrückt hatte. Matthew B. Crawford erklärt: „In dem Moment, in dem die Menschen einwilligen, sich einem gemeinsamen Richter zu unterwerfen, dem sie Autorität übertragen, erwerben sie politische Rechte und Pflichten.“ Die Einwilligung ist dabei von entscheidender Bedeutung: Sie ist die Quelle der Legitimität jeder Autorität und jener Rechte, die alle Mitglieder der Gesellschaft gegenüber dieser Autorität genießen. Quelle: „Die Wiedergewinnung des Wirklichen“ von Matthew B. Crawford

Von Hans Klumbies