Der Mensch ist von Natur aus ein gieriges Wesen

Silvio Vietta stellt fest: „Der englische Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes geht davon aus, dass der Mensch in seinem Naturzustand ein gieriges Wesen ist. Dieses will alles haben und dem ja auch alles offen zu stehen scheint.“ Wenn aber nun alle Mitmenschen naturgemäß auch so veranlagt sind, entsteht daraus zwangsläufig eine Art Konkurrenz aller gegen alle um die vorhandenen Ressourcen. Thomas Hobbes hat dies noch schlimmer formuliert, nämlich als „Krieg aller gegen alle“. Wie kann man dem gegensteuern? Nach Thomas Hobbes eigentlich nur so, dass sich die Menschen verpflichten, ihre Macht an einen Dritten abzutreten, der für diese Preisgabe aber eines verbürgt: Sicherheit und Ordnung. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

Der Leviathan verkörpert die neue Allmacht des Staates

Und dieser Dritte, an den der Mensch seine Rechte abtritt, um Rechtsicherheit zu erlangen, ist der Staat. Thomas Hobbes nennt ihn nach einer Bibelstelle im Buch Hiob „Leviathan“. Es ist dort ein von Gott geschaffenes Meermonster mit einem „Herz so hart wie ein Stein“. Es ist gnadenlos gegenüber allen, die sich ihm widersetzen, um Gottes Allmacht zu repräsentieren. Bei Thomas Hobbes verkörpert der Leviathan die neue Allmacht des Staates gegenüber seinen Bürgern.

Diese hatten freilich ihre Macht zuvor an ihn als Garant des Friedens abgegeben. Das Monster „Staat“, das den Menschen beherrschen soll, ist jedoch selbst ein Ausdruck der monströsen Veranlagung des Menschen. Der Mensch ist laut Thomas Hobbes ein Art „Überwolf“, das schlimmer als jedes Tier ist. Dieses Wesen kann nur durch einen gewaltsamen Staat von seinen Gewalttätigkeiten abgehalten und zum Frieden hingeführt werden. Thomas Hobbes konnte nicht ahnen, dass der Staat selbst sich zu totalitären Machtmonstern entwickeln konnte.

Für Rousseau ist der Mensch nicht von Natur aus schlecht

Der Genfer Philosophe Jean-Jacques Rousseau war da anderer Ansicht. Silvio Vietta weiß: „Sein Menschenbild ist vordergründig viel harmonischer und optimistischer als das von Thomas Hobbes. Rousseau preist gerade den Naturzustand als Idealzustand des Menschen und den Gesellschaftszustand als dessen Entfremdung.“ Jean-Jacques Rousseau will vor allem nicht mit Thomas Hobbes den Schluss ziehen, dass der Mensch von Natur aus böse sei. Und so lässt er seinen Naturmenschen „wild“, aber selbstgenügsam durch die Wälder laufen.

Dieser ideale Wildling wird erst durch die Bildung von Eigentum in der Gesellschaft aus seiner schönen, träumerischen Einheit mit der Natur herausgerissen. Wie erfolgt nun die Staatsgründung bei Jean-Jacques Rousseau? Wenn der Mensch von Natur aus gut ist, braucht er ja keinen so gewaltsamen „Leviathan“, um sein politisches Zusammenleben zu regeln. Auch im „Contrat social“ muss der Mensch jedoch auch auf seine Unabhängigkeit verzichten, wenn er Bürger eines Staates werden will. Und auch hier wird das per Vertrag geregelt. Quelle: „Europas Werte“ von Silvio Vietta

Von Hans Klumbies