Thomas von Aquin setzt sich für zinslose Kredite ein

Das Hauptvermächtnis des Denkens von Thomas von Aquin ist sein umfangreiches Werk der „Summa theologica“. Es wurde zur meistzitierten theologischen Quelle nach der Bibel. Im zweiten Buch seines Hauptwerks befasst sich der Gelehrte mit den Problemen der Preisbildung und der Geldwirtschaft. Auch Aristoteles war schon diesen Fragen nachgegangen, hatte sich dabei aber auf den Stadtstaat beschränkt, während Thomas von Aquin eine allgemeine Theorie entwarf. Thomas von Aquin stellt das Problem des Warenaustausches und die Frage nach der Richtigkeit der menschlichen Handlungen auf die gleiche Stufe und fordert, dass beim Handeln mit Gütern beide Seiten, der Käufer wie der Verkäufer, den gleichen Nutzen haben müssen.

Das Privateigentum ist die Basis jeder Wirtschaft

Thomas von Aquin setzt für einen gerechten Warenaustausch die Gleichheit voraus, das Maß dafür ist für ihn der gerechte Preis. Er definiert ihn als einen Marktpreis, der ohne Betrug und monopolistische Beschränkungen gebildet wird. Der Verkäufer muss die tatsächlichen Bedingungen des Angebots im Preis wiedergeben. Jeder Anbieter muss bei seiner Festlegung des Verkaufspreises eine vollkommene Konkurrenz als gegeben ansehen, auch dann, wenn in der Praxis andere Marktbedingungen herrschen.
Das Privateigentum ist für Thomas von Aquin die Basis einer jeden Wirtschaft.

Der Gelehrte betrachtet das Eigeninteresse der Bürger als die beste Voraussetzung für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Mit dem Besitz wird dem Menschen aber auch Verantwortung dafür übertragen. Thomas von Aquin sagt, der Mensch solle die äußeren Dinge nicht als eigene, sondern als gemeinschaftliche besitzen, die er bei Bedarf mit Notleidenden teilen müsse. Das Wohlergehen einer Gesellschaft garantiert der innere Frieden, der durch die Ordnung des Zusammenlebens auf der Basis der Gerechtigkeit bestimmt ist.

Im Mittelalter war Gott der Besitzer aller Zeit

Thomas von Aquin definiert den Zins als Preis für die Zeit, in der der Ausleihende auf den Gebrauch des Geldes verzichtet. Da aber im Mittelalter Gott als der Besitzer aller Zeit angesehen wurde, begab man sich bei der Zinserhebung auf Gottesgebiet. Deshalb formuliert Thomas von Aquin seine Ablehnung gegen die Zinserhebung wie folgt: Es sei unrechtmäßig, eine Bezahlung für den Gebrauch geliehenen Geldes zu verlangen, da dies aus der Bibel als Wucher bekannt sei. Im Mittelalter nahm meist nur einen Kredit auf, wer ein Haus nach einer Naturkatastrophe oder Krieg wieder errichten wollte oder Notzeiten nach Missernten überbrücken musste.

Zinslose Kredite schützten beispielsweise einen Handwerker vor Risiken, die er nicht überblicken konnte. Der Kredit ohne Zins war eine Art gesellschaftliche Versicherung für allgemeine Risiken, die jedes Mitglied der Gesellschaft treffen konnte. Es gab aber auch Ausnahmen vom Verbot des Zinsnehmens. Wenn ein Schuldner das geliehene Geld nicht rechtzeitig zurückzahlte, durfte der Gläubiger einen Zuschlag für den Aufschub verlangen.

Von Hans Klumbies