Vor der Presse war die Pnyx

Vor der Presse war die Pnyx. Auf einem Hang des gleichnamigen Hügels im alten Athen versammelten sich etwa 6.000 Bürger, um Angelegenheiten von öffentlichen Interesse zu diskutieren. Ein Versammlungsleiter verkündete die Tagesordnung. Timothy Garton Ash weiß: „Ein Herold fragte: „Wer will zur Versammlung sprechen?“ Dann betrat ein erwachsener männlicher Bürger die aus Stein gehauene Rednerbühne. Dann sagte er seinen um ihn versammelten Mitbürgern, was er dachte.“ Besondere Aufmerksamkeit wurde wahrscheinlich den bekannteren Rednern geschenkt. Einschließlich denen, die sich durch ihren Dienst im Rat des Stadtstaats ausgezeichnet hatten. Aber alle hatten das gleiche Recht, frei zu sprechen. Nach der für die Debatte vorgesehenen Zeit fand eine Abstimmung statt. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

Die Beliebtheit von Podiumsdiskussionen ist gewachsen

Die Architektur der Pnyx entwickelte sich im Lauf der Zeit so, dass möglichst viele Bürger einander hören und sehen konnten. Im vierten Jahrhundert vor Christus blickte der Redner zu einem Massenpublikum hinauf. Es saß oder stand in einem abgestuften, theaterartigen Bauwerk. Dieses hatte wahrscheinlich ähnliche akustische Qualitäten wie das große Theater in Epidauros. Timothy Garton Ash ergänzt: „In Athen kann man bis heute die uralte Rednertribüne im Zentrum dieses ursprünglichen „öffentlichen Raums“ besichtigen.“

In städtischen oder ländlichen Bürgerversammlungen oder in Versammlungen am Arbeitsplatz kann man heute noch gelegentlich die Urerfahrung der freien und direkten mündlichen Debatte machen. Dabei haben, anders als im antiken Athen, manchmal auch Frauen und Neubürger eine Stimme. Es verblüfft Timothy Garton Ash, wie stark die Beliebtheit von Live-Veranstaltungen wie Literaturfestivals oder Podiumsdiskussionen parallel zur Ausbreitung des Virtuellen und womöglich sogar deswegen gewachsen ist.

Vier Kräfte prägen die Medien

Der Medienwissenschaftler Michael Schudson hat vermutlich recht mit der Aussage, dass es „im alten Griechenland keinen Journalismus gab“. Es kannte weder Zeitungen noch Journalisten. Doch die beiden öffentlich agierenden Intellektuellen Platon und Isokrates befürworteten offensichtlich die Zirkulation schriftlicher Versionen ihrer gegensätzlichen Ansichten. Damit diese eine weitere Verbreitung fanden, als dies in der Volksversammlung auf der Pnyx mit begrenzter Stimmgewalt möglich war.

Was bedeutet das Wort „Medien“ eigentlich? In seinem aufschlussreichen Buch „The Creation of the Media“ unterscheide Paul Starr zwei Bedeutungen des Begriffs: die diversen modernen Kommunikationskanäle und die machtvollen Institutionen, die diese Kanäle und den Zugang zu ihnen kontrollieren. Timothy Garton Ash fügt hinzu: „Vier wichtige Kräfte prägen die Medien an jedem gegebenen Ort und zu jeder gegebenen Zeit: Technologie, Kultur, Geld und Politik. Bezeichnenderweise steht der Begriff „Presse“ sowohl für die Technologie als auch für die Journalisten, die für Zeitungen, Zeitschriften und alle neuen Medien arbeiten. Quelle: „Redefreiheit“ von Timothy Garton Ash

Von Hans Klumbies

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