Das einzige Mittel die deutsche Gesellschaft vor einer noch gravierenderen und irgendwann nicht mehr zu kontrollierenden Spaltung zu bewahren, scheint für Thea Dorn das Bekenntnis zur Nation zu sein. Und zwar nicht in einem völkisch-ethischen, sondern in einem verfassungsrechtlichen, sozialsolidarischen und kulturellen Sinn. Thea Dorn weiß: „Nationalstaaten sind keine Lämmer. Oft genug haben sie bewiesen, dass sie zu reißenden Bestien werden können. Und beweisen es in manchen Regionen der Welt noch immer.“ Andererseits ist es in der Menschheitsgeschichte bisher keinem Gesellschaftsmodell außer dem Nationalstaat gelungen, einen verlässlichen Rahmen für Menschen- und Bürgerrechte zu bieten. Die extrem kleinen Stadtstaaten im antiken Griechenland glichen eher erweiterten Familienverbänden, in denen nahezu jeder Bürger mit jedem verwandt war. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.
Der Weltbürgerstaat liegt noch in weiter Ferne
Das römische Imperium wurde zum Inbegriff von Frieden, Ordnung und Gerechtigkeit. Es scheiterte aber nicht zuletzt an seiner territorialen Überdehnung. Bei vielen Deutschen herrscht immer noch die Sehnsucht vor, nicht selbst politische Verantwortung übernehmen zu müssen, sondern lediglich eine „einheitliche Verwaltung“ zu bekommen. Aber der sogenannte Weltbürgerstaat liegt noch in nebulösen Fernen. Der Traum von ihm dient in erster Linie der Befriedigung eines diffusen Narzissmus eines ozeanischen Gefühls.
Der emanzipierte Citoyen wie der Bildungsbürger finden ihre geschützte Heimat bis auf Weiteres nur im Nationalstaat. Einst haben sie für dessen Errichtung als Erste gekämpft. Der deutsch-britische Soziologe und Politiker Ralf Dahrendorf beäugte die Nationen mit dem Wunsch nach ethisch-kultureller Homogenität mit großer Skepsis. Auf den „heterogenen Nationalstaat“ sang jedoch auch er das Loblied. Weil dieser nämlich rechtsstaatliche und demokratische Institutionen schaffen muss, wenn er mit sich in Frieden leben will.
Deutschland ist keine reine Zweckgemeinschaft
Als gesamtdeutsche Nation hat Deutschland das Glück, ein höchst heterogener und bunter Verein zu sein. Anders als die DDR, deren Bevölkerung deutlich homogener gewesen ist als die bundesrepublikanische. Thea Dorn rät: „Wir müssen nur begreifen, dass die ein Glück ist. Und gern dürfen wir uns gegenseitig auf die Nerven gehen und heftig miteinander streiten.“ Die Bundesbürger müssen allerdings bereit sein, alle Animositäten zu begraben und sich wieder zusammenzuraufen, wenn es darauf ankommt.
Diejenigen, die heute die unübersichtliche Zersplitterung Deutschlands beklagen, betreiben den unlauteren und dummen Plan, Deutschland abermals dumpf zu machen. Manche Bürger wollen Deutschland zu einer reinen Zweckgemeinschaft herunterkühlen. Dabei verkennen sie aber, zu welch frostigem und instabilen Bündnis solch eine Zweckgemeinschaft in Krisenzeiten wird. Thea Dorn denkt, man darf sich bei seinem Nationalverständnis ruhig am guten, alten Eheideal orientieren: „Ohne das nötige Maß an Respekt voreinander, Zuneigung füreinander, Treue zueinander und Hingabe ans gemeinsame Projekt zerfallen nicht nur die intimen zwischenmenschlichen Partnerschaften.“ Quelle: „deutsch, nicht dumpf“ von Thea Dorn
Von Hans Klumbies