Die Renaissance brachte ab 1300 ein neues Lebensideal hervor

Zu Beginn der Renaissance entstand schon seit der Zeit um 1300 in den Stadtstaaten Italiens ein neues Ideal des Lebens, in dem sich der Einzelmensch von den Bindungen, die Geburt und Herkunft ihm auferlegten, befreite. An die Stelle der Anonymität des Mittelalters trat allmählich die Persönlichkeit, die nach Ruhm und Ansehen strebte. Die soziale Herkunft war für den gesellschaftlichen Aufstieg nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung. So konnte beispielsweise Taddeo Alderotti, der zunächst seinen kümmerlichen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Wachskerzen bestritt, über den Besuch der Lateinschule und Universität zum berühmten Arzt und Gelehrten aufsteigen. Besonderes Ansehen besaßen damals auch Juristen: ein Doktor der Rechte nahm einen, dem Adel entsprechenden Stand ein. Nach seiner Abkunft fragte ihn niemand mehr. Die politisch und wirtschaftlich Mächtigen förderten zudem Talente aus den untersten Volksschichten.

Das römische Recht wurde oft in den Dienst einseitiger Interessen gestellt

Meist verfolgten sie damit die Absicht, das Können und das Talent der Geförderten dem eigenen Ruhm und Machtstreben nutzbar zu machen. Ethische und religiöse Bedenken wurden in einer Welt, in der nur das Diesseitige zählte, beiseite gedrängt. Es kamen immer wieder Klagen darüber auf, dass die Juristen das römische Recht nicht nur ergründeten, sondern es auch in den Dienst einseitiger Interessen stellten. Der Rostocker Professor Husanus legte zum Beispiel das Recht so bauernfeindlich aus, dass es zur Gleichsetzung der abhängigen deutschen Bauern mit römischen Sklaven führte.

Überall rangen Berufs- und Interessengruppen um politische Vormachtstellung, wirtschaftliche Entfaltung und soziales Ansehen. Aus ihrer Mitte erhoben sich einzelne Persönlichkeiten, sicherten sich die Macht und zerstörten die auf Gleichheit ausgerichtete statische Grundhaltung der Gewerbeverbände des Mittelalters. Wohl hatte es schon immer Zünfte reicher und armer Handwerker gegeben, doch nun tat sich innerhalb der Verbände ein Riss auf, der sich ständig vergrößerte.

Großunternehmer waren in der Textilindustrie und im Bergbau aktiv

Einzelnen Handwerkern gelangt es durch ihre Geschäftstüchtigkeit weniger begünstigte Zunftgenossen in ihren Dienst zu stellen, ohne dass diese äußerlich ihre Selbstständigkeit verloren. Die wirtschaftlich Starken zogen sich selbst von der Produktion zurück und wurden als sogenannte Verleger die Brotgeber der Schwachen. Auch Berufsfremde setzten auf diese Art und Weise ihre Kapitalien ein. Es entstand der Typ des Großunternehmers. Dieser war vor allem in der Textilindustrie sowie im Berg- und Hüttenwesen aktiv.

Die Großunternehmer bestimmten weitgehend Preise und Löhne und beeinflussten damit wesentlich die Sozialverhältnisse der direkt oder indirekt Abhängigen. Riesengewinnen standen aber auch Riesenverluste gegenüber. Wenn eine große Firma zusammenbrach, erschütterte dies die Existenz weiter Kreise der Bevölkerung. Das gesamte Sozialgefüge wurde in Europa zudem immer wieder durch Bevölkerungs- und Agrarkrisen sowie durch die großen Pestepidemien erschüttert. So ließ zum Beispiel das Sinken de Getreidepreise im 15. Jahrhundert große Teile der Landbevölkerung verarmen.

Von Hans Klumbies