Hilfe für andere stabilisiert die eigene Psyche

Wer sich weniger hilflos fühlen will, hilft sich selbst, indem er anderen hilft. Georg Pieper erläutert: „Das Bewusstsein, ich bin solidarisch, ich setze mich dafür ein, dass wir diese Situation gemeinsam meistern, lässt die eigene Angst und das eigene Ohnmachtsgefühl in den Hintergrund treten.“ Wer anderen hilft und sie unterstützt, stabilisiert damit gleichzeitig seine eigene Psyche. Besonders beeindruckend findet Georg Pieper in diesem Zusammenhang die Geschichte des berühmten österreichischen Neurologen und Psychiaters Viktor Frankl, der 1942 von den Nationalsozialisten deportiert und Gefangener in mehreren Konzentrationslagern war. In seinem Buch über diese furchtbare Zeit erzählt er immer wieder von seinem starken inneren Bedürfnis, Mitgefangene zu unterstützen und sich um sie zu kümmern, denen es noch schlechter ging als ihm selbst. Der Psychologe, Therapeut und Traumaexperte Georg Pieper betreut seit Jahrzehnten Menschen nach extremen Katastrophen.

Helfer müssen immer auf die eigenen Grenzen achten

Seine Fähigkeit, anderen Menschen zu helfen, ihnen Mut zuzusprechen und selbst fest an eine gute Zukunft für sich zu glauben, war entscheidend dafür, dass er das Konzentrationslager überlebte. Viktor Frankl ist sicher ein extremes Beispiel, aber es zeigt, dass es einem Menschen Stabilität und Stärke verleiht, wenn er für andere aktiv wird. Indem man für andere da ist, hält man seine eigenen Ängste in Schach. Wobei man allerdings bei dem Wunsch zu helfen immer auch die eigenen Grenzen beachten und akzeptieren muss.

Ein ebenso wirksames Mittel, um in schweren Zeiten seine resilienten Kräfte zu stärken und aus einem Gefühl der Hilflosigkeit herauszufinden, sind Rituale. Georg Pieper erklärt: „Gemeinsame Rituale können die Bindung an die Gemeinschaft festigen und geben besonders nach Ereignissen wie Terroranschlägen oder reinem Amoklauf emotionalen Rückhalt.“ Georg Pieper glaubt sehr an die Wirksamkeit von Ritualen wie Schweigeminuten, das Ablegen von Blumen, singen, beten, das Anzünden von Kerzen. All das ist ein guter Gegenpol zum lähmenden Gefühl des Ausgeliefertseins.

Die wichtigsten Werte in einer Demokratie sind Freiheit und Gleichheit

In Deutschland kann die Demokratie in diesen Zeiten nur bestehen, wenn sie von Menschen getragen und verteidigt wird, die überzeugt von den freiheitlichen Werten sind und die sich standhaft für ihre permanente Verbesserung einsetzen. Georg Pieper vertritt folgende Überzeugung: „Wir alle können uns darauf ausrichten und trainieren, standhaft zu sein und damit den neuen Ängsten etwas Wirksames entgegenzusetzen.“ Die wichtigsten Werte sind Freiheit und Gleichheit, und in der jüngeren Bundesrepublik auch Leichtigkeit und Fröhlichkeit.

Um sich für die Freiheit und die Gleichheit einzusetzen, gehört es manchmal auch dazu, Mut zu zeigen und eigene Ängste zu überwinden. Jeder Mensch kann an sich arbeiten und durch sein Tun das gesellschaftliche Klima bereichern und anderen Menschen, die vielleicht mehr Ängste haben und dabei sind, den Mut zu verlieren, Zuversicht zu vermitteln. Georg Pieper fordert: „Wir müssen eine überzeugte Standhaftigkeit zeigen und uns aktiv gegen Gewalt wenden. Jeder kann etwas dazu beitragen.“ Quelle: „Die neuen Ängste“ von Georg Pieper

Von Hans Klumbies