Die klassischen politischen Institutionen sind in Gefahr

Die Demokratie gibt es seit rund 2500 Jahren, aber in unterschiedlicher Gestalt. Von der überschaubaren Herrschaft der Bürger, wie sie die antike Polis zeitweilig bestimmte, über die römische res publica bis zu den neuzeitlichen Formen des Parlamentarismus wandelte sich die Gestalt einer Idee, die, und das scheint entscheidend, Politik als eine öffentliche, gemeinsame Angelegenheit und Herrschaft, als eine vom Volk legitimierte und kontrollierte Form der begrenzten Machtausübung verstanden hatte. Heute ist die Demokratie laut Konrad Paul Liessmann in Gefahr: „Wir beobachten nicht nur eine Erosion und Schwächung klassischer demokratischer Institutionen, sondern überhaupt die Verdrängung des Politischen durch die Interessen der Ökonomie.“ Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Der Staat in seiner vertrauten Form verschwindet

Die moderne Demokratie gründet auf zwei Voraussetzungen: dem Territorialstaat und der Nation, also dem Staatsvolk, gedacht als Einheit freier Bürger. Beides droht zu verschwinden. Nicht nur Konzepte der Transnationalität, wie im Fall der Europäischen Union (EU), vor allem die ökonomische und telekommunikative Mobilität, die auch eine Mobilität von Kapital und Menschen ist, bringt das Staatskonzept des 19. Jahrhunderts ins Wanken. Es gibt viele Zeichen eines allmählichen Verschwinden des Staates in seiner vertrauten Gestalt: als einer Gemeinschaft in Grenzen, die aus diesen Grenzen ihre Souveränität als politisches Subjekt bezog.

Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Die Krise der großen Institutionen ist aber auch eine Krise des Beamtenwesens und damit eine Krise jener bürokratischen Herrschaft, die nach Max Weber am ehesten die rationale Ordnung der demokratisch kontrollieren Macht hätte garantieren sollen.“ Nach dem britischen Politikwissenschaftler Colin Crouch verbirgt sich hinter der sukzessiven Delegitimierung von Staatsbürokratien nicht nur eine tendenzielle Privatisierung einst öffentlicher Güter, die nun den Marktmechanismen überantwortet werden, sondern auch die Wurzel der aktuell überall zu beobachtenden Korrumpierbarkeit der politischen Eliten.

Es findet ein radikaler Wandel der politischen Öffentlichkeit statt

Colin Crouch schreibt: „Sobald die Vorstellung davon, was den öffentlichen Dienst auszeichnet, der Lächerlichkeit und dem Zynismus preisgegeben und das persönliche Profitstreben zum höchsten Ziel des Menschen stilisiert worden ist, muss man damit rechnen, dass Politiker, Berater und andere es für einen wichtigen Aspekt ihrer Beteiligung am politischen Leben halten, Einfluss gewinnbringend zu verkaufen.“ Es ist für Konrad Paul Liessmann erstaunlich, dass trotz aller Korruptionsaffären der vergangenen Jahre und Jahrzehnte dieser Zusammenhang kaum thematisiert wird.

Mit der allgemeinen Mobilität geht allerdings ein radikaler Wandel der politischen Öffentlichkeit überhaupt einher. Dieser war bisher von einer Parteienlandschaft geprägt, die ihre Grundstruktur aus dem 19. Jahrhundert bezog und an die Trennung der Gesellschaft in deutlich abgrenzbare soziale Klassen und Schichten anknüpfte. Heute sind aus Parteien, die in einem sozialen und kulturellen Milieu verankert waren und dieses Milieu über weite Strecken auch gestaltet hatten, Interessenvertretungen und Kanzler-Wahlvereine geworden. Quelle: „Bildung als Provokation“ von Konrad Paul Liessmann

Von Hans Klumbies

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