Anders Levermann beschäftigt sich in seinem Buch „Die Faltung der Welt“ unter anderem mit folgender Frage: „Wie ist unendliches Wachstum auf einem begrenzten Planeten möglich?“ In seinem Buch verbindet er Überlegungen aus zwei Welten – den Natur- und den Wirtschaftswissenschaften. Die Begrenztheit der Erde und seiner Ressourcen ist offensichtlich. Ein Dilemma entsteht dann, wenn man davon überzeugt ist, dass eine fortwährende Weiterentwicklung unausweichlich ist. Diese Weiterentwicklung muss darüber hinaus frei von Beschränkungen erfolgen, um tatsächlich effektive Lösungen für neue Herausforderungen zu finden. Dazu möchte Anders Levermann das Narrativ der Faltung anbieten, von dem er glaubt, dass es das Paradigma von unbegrenztem und stetigem Wachstum ersetzen kann. Der Physiker Anders Levermann arbeitet seit mehr als 20 Jahren am Potsdam-Institut für Klimaforschung. Zudem ist er Professor am physikalischen Institut der Universität Potsdam.
Der Mensch hat seine Umwelt teilweise irreversibel verändert
Bei der Faltung der Welt handelt es sich um ein neues Narrativ, eine Alternative zu der Überzeugung, dass die Lösung des Problems der Nachhaltigkeit nur durch Verzicht und ein Zurück zu alten Lebensweisen möglich ist. Anders Levermann glaubt, dass dieses Narrativ eine Orientierung für eine funktionierende Gesellschaft der Zukunft bietet. Der Autor erläutert „Verkürzt gesprochen entsteht Faltung immer dort, wo ein sich aktiv entwickelndes System mit Grenzen konfrontiert wird.“
Da es Menschen schwerfällt, sich bestimmte Grenzen vorzustellen, können sie dadurch in akute Gefahr geraten. So kommen auch die meisten politischen Entscheidungen, in denen zumindest der Versuch erkennbar ist, heraufziehende Katastrophen abzuwenden, spät und wirken halbherzig. Einige menschengemachte Veränderungen sind bereits so weit fortgeschritten, dass sich die Systeme, auf die sie wirken, irreversibel verändern oder schon verändert haben. Anders Levermann nennt Beispiele: „Der Klimawandel, die rapide abnehmende Artenvielfalt und die Veränderung des Stickstoffzyklus sind solche weit fortgeschrittenen Prozesse, die die Resilienz natürlicher Systeme bereits heute nachhaltig beeinträchtigen.
Wachstum muss in Richtung Diversität erfolgen
Anders Levermann betont: „Die Faltung bietet die Möglichkeit, Konflikt mit den uns natürlicherweise gegebenen Grenzen zu vermeiden, uns ethisch-moralische Grenzen zu setzen und uns innerhalb dieser frei zu entfalten.“ Dabei wächst man nicht über die Grenzen hinaus, sondern findet immer neue Wege und wächst so in die Diversität. Der eine ist dann nicht „mehr“ als der andere, sondern anderes. Die Grenze wird dann nicht als Einschränkung der Freiheit empfunden, sondern als Anreiz für Innovation.
Mit der Faltung beschreibt Anders Levermann eine Weg, wie sich die Zerstörung des endlichen Planeten Erde und zugleich das Zerreißen von Gesellschaften verhindern lassen, ohne dabei Wachstum als notwendiges Anreizsystem zu eliminieren. Der Autor schlägt dazu fünf Faltungsgrenzen vor: Ende der Verbrennung fossiler Energieträger, Ende des Rohstoffabbaus, Begrenzung der Unternehmensgröße, Begrenzung des Erbes sowie die Begrenzung des Einkommensunterschieds. Diese Faltungsgrenzen beschreiben eine Vision: Sie lenken alle individuellen, unternehmerischen und politischen Entwicklung auf das Ziel einer nachhaltigen Zukunft, in der man nicht nur ökologisch, sondern auch sozial und ökonomisch erhalten und sogar steigern kann, was die Menschheit an Wohlstand in Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden errungen hat.
Die Faltung der Welt
Wie die Wissenschaft helfen kann, dem Wachstumsdilemma und der Klimakrise zu entkommen
Anders Levermann
Verlag: Ullstein
Gebundene Ausgabe: 271 Seiten, Auflage 3: 2023
ISBN: 978-3-550-20212-4, 23,99 Euro
Von Hans Klumbies