Stefan Brunnhuber entwickelt ein Modell der Offenen Gesellschaft

Die Offene Gesellschaft steht in Konkurrenz und im Wettstreit mit anderen Formen des Zusammenlebens, etwa autokratischen Systemen, Neonationalismen und auch anderen Formen von Demokratien, in denen die Stabilität wichtiger ist als die Partizipation. In seinem neuen Buch „Die Offene Gesellschaft“ entwickelt Stefan Brunnhuber Karl Poppers Konzept der „offenen Gesellschaft und ihrer Feinde“ weiter und plädiert für eine Ordnung der Freiheit, welche die Voraussetzung dafür bildet, dass die Menschen auch morgen noch das Leben führen können, das eine große Mehrheit in Staaten, in denen eine Demokratie herrscht, befürwortet. Diese Freiheit erscheint umso bedeutender, da sich viele gesellschaftliche Bereiche, die als offen galten, sich wieder zunehmend verschließen. Der Ökonom und Psychiater Stefan Brunnhuber ist ärztlicher Direktor der Diakonie Kliniken in Sachsen. Außerdem lehrt er Psychologie und Nachhaltigkeit an der Hochschule Mittweida.

Eine Offene Gesellschaft wird niemals fremdbestimmt sein

Stefan Brunnhuber schreibt: „Es geht in der Offenen Gesellschaft, welche immer unfertig und unvollkommen ist, schließlich immer um das richtige Verhältnis von Kritik, Freiheit und Ordnung.“ Das Modell einer Offenen Gesellschaft muss dabei ausreichend formal sein, um für möglichst viele Verfassungen der Welt anwendbar und für viele Menschen attraktiv zu sein. Gleichzeitig muss es aber inhaltlich konkret genug sein, damit Menschen sich prinzipiell damit identifizieren können. Beides kann die Offene Gesellschaft leisten.

Offene Gesellschaften sind zudem Gesellschaften mit Grenzen. Das ist nicht paradox. Diese werden immer wieder neu bestimmt, ausgehandelt, verschoben und definiert, aber sind dennoch immer da. Denn an den Grenzen werden die Bedingungen der Offenheit erst sichtbar. Für eine Offene Gesellschaft gilt: sie wird selbsttragend und nicht fremdbestimmt sein. Damit ergibt sich mehr Freiheit für ihre Freunde und eine erhöhte Anpassungsfähigkeit an veränderte Umstände.

Die Offene Gesellschaft ist ein politisches Programm der Freiheit

Die Offene Gesellschaft ist ein politisches, aber kein tages- oder parteipolitisches Programm der Freiheit. Der allgemeine Interpretationsschlüssel für eine Offene Gesellschaft folgt dem des kritischen Rationalismus. Die Elemente einer Offenen Gesellschaft sind nicht nur deskriptiv, sondern haben auch immer einen normativen Kern. Sie zeigen dann an, was geht und was nicht geht, was gut und besser und was weniger gut und schlecht ist, also das, was sein soll.

Ein Leben für eine Offene Gesellschaft wird nur dann anstrengen, wenn seine Grundfeste infrage gestellt werden. Stefan Brunnhuber ergänzt: „Und ein Leben für eine Offene Gesellschaft ist dann in Gefahr, wenn wir vergessen, dass wir in einer solche leben könnten.“ Man muss recherchieren und nachfragen, sich erkundigen, einmischen, Stellung beziehen, Farbe bekenne, was wirklich wichtig ist. Und für die Offenen Gesellschaft seine „Haut aufs Spiel setzen“ wie Nassim Nicholas Taleb fordern würde.

Die Offene Gesellschaft
Ein Plädoyer für Freiheit und Ordnung im 21. Jahrhundert
Stefan Brunnhuber
Verlag: oekom
Gebundene Ausgabe: 175 Seiten, Auflage: 2019

Von Hans Klumbies