Rupert M. Scheule erörtert den Begriff der Freiheit

Vielleicht ist es mit der Freiheit von Unterdrückung, Beengung, Hunger und so weiter wie bei der Freude bei nachlassendem Schmerz. In dem Moment, das Menschen von wie auch immer beengenden Fesseln befreit werden, spüren sie das Glück der Freiheit besonders intensiv. Viele Menschen der Moderne sind für ganz offensichtlich gebrannte Kinder des Absolutismus und des Totalitarismus. Rupert M. Scheule erklärt: „Sie verstehen Freiheit primär als negative Freiheit, als Freiheit von staatlicher Einmischung und Bevormundung.“ In einem ganzen Arsenal von Abwehrrechten hat sich die negative Freiheit ein juristisches Denkmal gesetzt, was pikanterweise wieder einen Staat voraussetzt, der die Abwehrrechte garantiert. Wenn die Ethik hier von negativer Freiheit spricht, drängt sich natürlich die Frage auf, ob es denn auch eine positive Freiheit gibt und worin sie besteht. Rupert M. Scheule ist Professor für Moraltheologie und Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät Fulda.

Rupert M. Scheule unterscheidet zwei Arten der Freiheit

Rupert M. Scheule unterscheidet: „Die negative Freiheit ist die Freiheit von, die positive Freiheit ist die Freiheit zu etwas: zu handeln oder es zu lassen.“ Die eine Freiheit zu fordern oder zu bewahren gehört für die meisten Menschen zum Alltag. Der Einfachheit halber wählt Rupert M. Scheule diejenige Freiheit, die sich auf konkrete Wahlhandlungen bezieht. Sie umfasst zwei Dimensionen: die positive Dimension, zwischen verschiedenen Alternativen zu wählen, und die negative Dimension der Abwesenheit von Störfaktoren bei diesem Unterfangen.

Philosophen wie der Engländer John Locke, der von 1632 – 1704 lebte, sagen, mehr sei denn auch nicht dran an der Freiheit: Etwas tun oder lassen entsprechend der persönlichen Wünsche – das ist Freiheit und mehr nicht. Die Freiheit des Menschen kann sich aber nicht zuletzt darin zeigen, dass ihm seine Unfreiheit schmerzlich auffällt. Dass man sich als frei erlebt, wenn man in Distanz zu sich selbst tritt, wird dies immer etwas grundsätzlich anderes bleiben als das zeitgleich beobachtbare Geschehen auf der Ebene der menschlichen Synapsen.

Freiheit ist die Voraussetzung für die Moral

Das deutsche Volkslied „Die Gedanken sind frei“ transportiert eine aufregende Botschaft: Niemand kann die Bürger durchregieren bis aufs Mark. Rupert M. Scheule fügt hinzu: „Dafür zu sorgen, dass die Würde nicht auf der Strecke bleibt, bedeutet, sich mit den Mächten anzulegen, die auf uns nur in ihrem eigenen Sinn und aus ihrer eigenen Sicht zugreifen wollen.“ Ob das nun Despoten sind, die schon mal foltern lassen, um ihre Macht zu stabilisieren oder eine Wirtschaft, die entkoppelt vom Menschen nur noch um sich selbst kreist.

Dass das Reden von Freiheit sehr schnell ein Reden von der Moral ist, räumt Rupert M. Scheule ausdrücklich ein: „Freiheit ist die Voraussetzung für die Moral, aber auch ihr Gegenstand.“ Der Moral geht es im Letzten gar nicht um Solidarität, denn diese hat für sich genommen gar keinen moralischen Sinn. Diesen erhält sie erst in Bezug auf die Freiheit und die Würde. Recht verstanden ist Solidarität die umfassend uneingeschränkte Anerkennung anderer Freiheit. Quelle: „Wir Freiheitsmüden“ von Rupert M. Scheule

Von Hans Klumbies