An der Oberfläche der Geschichte herrscht das Bewusste

Ein einfaches Modell ermöglicht eine geschichtliche Darstellung der menschlichen Gesellschaften und ihrer Veränderungen. Emmanuel Todd erläutert: „An der Oberfläche der Geschichte entdecken wir das Bewusste, die Wirtschaft der Ökonomen, die täglich in den Medien präsent ist und deren neoliberale Ideologie in einer merkwürdigen Rückbesinnung auf den Marxismus verkündet, dass sie das Ausschlaggebende sei. Zu diesem Bewussten, dem Schrillen, wie man sagen könnte, gehört natürlich auch die Politik.“ Etwas tiefer stößt man auf ein Unterbewusstes der Gesellschaft, auf die Bildung, eine Schicht, deren Bedeutung die Bürger und Kommentatoren erkennen, wenn sie an ihr reales Leben denken, während sich die orthodoxe Sicht weigert, vollauf anzuerkennen, wie entscheidend sie ist und wie stark sie auf die darüberliegende bewusste Schicht einwirkt. Emmanuel Todd ist einer der prominentesten Soziologen Frankreichs.

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Die Demokratie braucht mündige Bürger

Die Demokratie ist die einzige Organisationsform, die den mündigen Bürger braucht. Für Theodor W. Adorno war die Forderung nach Mündigkeit in einer Demokratie selbstverständlich. Ulf Poschardt stellt fest: „Damit versteht er Politik eben auch als etwas, das nicht Populisten, Sentimentalisten, Panikpredigern und Opportunisten überlassen werden darf.“ Theodor W. Adornos Verneigung vor Immanuel Kant fällt tief aus. Der Dialektiker der Aufklärung scheint 1969 von der Aktualität des Denkers aus Königsberg beeindruckt. Der Philosoph, noch ganz ergriffen oder traumatisiert von den radikalen Bürgerkindern von 1968, beschreibt die Demokratie als ein Ereignis freier Willensbildung. „Soll dabei nicht Unvernunft resultieren, so sind die Fähigkeit und Mut jedes einzelnen, sich seines Verstandes zu bedienen, vorausgesetzt“, erklärt Theodor W. Adorno. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Der Klimawandel betrifft alle

Freiheit ist nicht der einzige politische Wert, den man im Zusammenhang mit der ökologischen Krise und der Nachhaltigkeit diskutiert. Verschiedenste Politiker betonen immer wieder, dass Klimaschutz nicht zulasten der sozialen Gerechtigkeit gehen darf. Das zeigt sich nicht nur an der Debatte um die Zukunft von Beschäftigten und um die Benzinpreise. Sondern auch an den Diskussionen um Steuererhöhungen für bestimmte Güter oder Dienstleistungen. Katia Henriette Backhaus fügt hinzu: „Viel Aufmerksamkeit bekommt inzwischen auch die Forderung nach Gerechtigkeit zwischen den Generationen.“ So hat vor allem die „Fridays for future“-Bewegung weltweit zahlreichen Anhänger gewonnen. Die Jugendlichen argumentieren, dass ihr Leben deutlich stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein wird als das der Älteren. Katia Henriette Backhaus hat an der Universität Frankfurt am Main im Bereich der politischen Theorie promoviert. Sie lebt in Bremen und arbeitet als Journalistin.

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Jede Person hat ihre eigenen Mythen

Fast alle Menschen denken eher in Geschichten als in Fakten, Zahlen oder Gleichungen. Und je einfacher die Geschichte ist, desto besser. Yuval Noah Harari erklärt: „Jede Person, jede Gruppe und jede Nation hat ihre eigenen Erzählungen und Mythen.“ Doch im Verlauf des 20. Jahrhunderts formulierten die globalen Eliten in New York, Berlin und Moskau drei große Erzählungen. Diese nahmen für sich in Anspruch, die gesamte Vergangenheit zu erklären und die Zukunft der ganzen Welt vorherzusagen. Dabei handelt es sich um die faschistische, die kommunistische und die liberale Erzählung. Der Zweite Weltkrieg machte dem faschistischem Narrativ den Garaus, und von Ende der 1940er Jahre bis Ende der 1980er Jahre wurde die Welt zum Schlachtfeld zwischen nur noch zwei Erzählungen: Kommunismus und Liberalismus. Yuval Noah Harari ist Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem.

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Nur der Mensch hat die Freiheit zu wählen

Abgesehen vom Leben selbst, ist die Fähigkeit zu wählen das größte Geschenk, das einem Menschen gemacht wurde. Nur der Mensch hat die Freiheit zu wählen. Anja Förster und Peter Kreuz erklären: „Wir sind nicht lediglich eine Produkt unserer Vergangenheit, unserer Gene oder unseres Umfelds. Natürlich werden wir durch unser Umfeld beeinflusst, aber es bestimmt uns nicht. Wir bestimmen uns vielmehr selbst durch unsere Entscheidungen.“ Menschen können Entscheidungen treffen, die auf ihren Werten beruhen. Sie können die Richtung ihres Lebens selbst wählen. Das ermöglicht ihnen, die Weichen für ihr Leben zu stellen und ihre Zukunft zu gestalten. Sich die Freiheit zu nehmen und sein Leben in Entschiedenheit zu führen, ist allerdings nicht ein durch Geburt und Schicksal gewährtes Privileg. Anja Förster und Peter Kreuz gehören zu einer neuen Generation von Vordenkern für Wirtschaft und Management.

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Die Ideale der Revolution sind Freiheit und das Neue

Gelungene Revolutionen mögen politische Verhältnisse umstürzen, alte Systeme hinwegfegen, Personen beseitigen. In der Regel schaffen sie mehr und länger andauernde Probleme, als sie unmittelbar lösen. Konrad Paul Liessmann nennt ein Beispiel: „Der Enthusiasmus, der mancherorts für den sogenannten Arabischen Frühling, den man sich nach dem Modell der europäischen Revolutionen dachte, um sich gegriffen hatte, was so auch Ausdruck einer eklatanten Geschichtsvergessenheit gewesen, letzter Reflex einer unwissenden Revolutionsromantik.“ Nicht nur frisst wie Saturn die Revolution ihre Kinder – wie Pierre Victurnien Vergniaud, einer der Protagonisten der Französischen Revolution, am Gang zum Schafott bemerkte. Sondern sie muss ihre Anhänger immer auch enttäuschen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien. Zudem ist er wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Alle Menschen besitzen die gleiche Würde

Martin Luther, Jean-Jacques Rousseau, Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel hatten unterschiedliche Vorstellungen von Würde. Aber alle waren Universalisten. Denn sie glaubten an die Gleichheit der Würde aller Menschen aufgrund ihres Potenzials für innere Freiheit. Francis Fukuyama ergänzt: „Indes nimmt das Verlangen nach Anerkennung häufig eine speziellere Form an und konzentriert sich auf die Würde einer bestimmen Gruppe, die marginalisiert oder missachtet worden ist.“ Im Lauf der Geschichte verstanden viele Menschen das innere Selbst, das sichtbar gemacht werden musste, nicht als Teil aller Erdenbürger. Sondern sie betrachteten es als Teil einer spezifischen Person mit genau definierter Herkunft und ebensolchen Bräuchen. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.

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Die Wahrheit bestimmten die Autoritäten

Adam Smith war Teil einer großen intellektuellen Bewegung im späten 18. Jahrhundert, der sogenannten Aufklärung. Diese hat man oft mit der naturwissenschaftlichen Revolution in Verbindung gebracht. Joseph Stiglitz weiß: „Sie beruhte auf Bewegungen, die in den vorangegangenen Jahrhunderten aufgekommen waren, beginnend mit der protestantischen Reformation.“ Vor der Reformation im 16. Jahrhundert, ursprünglich von Martin Luther angestoßen, war die Wahrheit etwas, was nur die Autoritäten bestimmten. Die Reformation stellte die Autorität der katholischen Kirche infrage. Und in einem 30-jährigen Krieg, der um 1618 begann, kämpften die Europäer auch darum, welche der beiden Konfessionen fortan auf dem Kontinent vorherrschen sollte. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Die Überwachung breitet sich im Alltag aus

Die Suche nach Lösungen der Überwachung und Kontrolle ist nicht nur auf China und die USA beschränkt. Auch in Deutschland springen Geheimdienste und Polizei auf den Zug auf. Damit optimieren sie im Zuge der scheinbaren Terrorbekämpfung ihre Möglichkeiten. In den Achtzigerjahren empörten sich viele Menschen in Deutschland über die Volkszählung und den maschinenlesbaren Personalausweis. Heute sind sie bereit, Techniken der Überwachung in ihrem Alltag zu dulden. Richard David Precht kritisiert: „In vielen kleinen Schritten verschiebt sich damit das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit gewaltig.“ Und zwar nicht, weil sich die Bedrohungslage in Deutschland in den letzten Jahren vergrößert hat. Es gibt heute einfach viele technische Möglichkeiten, die es früher nicht gab. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Das Leben fließt nie konfliktfrei dahin

Harmonie bedeutet laut Reinhard K. Sprenger nicht Gleichklang, sondern Zusammenklang. Letzteres funktioniert nur bei „Gegenstimmen“. Harmonie ist also ein kluger Umgang mit Gegenstimmen. Befreien muss man sich aber vor allem von der Erwartung, das Leben müsse irgendwie konfliktfrei fließen. Jede Verhandlung im Geschäftsleben ist im Grunde konfliktär. Als Beispiel nennt Reinhard K. Sprenger die Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Auch in Projekten und Teams ist Konfliktfreiheit wirklichkeitsfremd. Im Grunde ist jede Veränderung mit Spannung verbunden, weil sie alle jene zum Gegner hat, die aus dem Status quo ihre Vorteile ziehen. Das Bild vom ruhigen Fluss führt also in die Irre. Das Gegenteil ist richtig: Konflikt ist das Normale. Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.

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Beim Denken sollte die Vernunft herrschen

Das Denken nach Vernunft, die Verantwortlichkeit in Humanität, das Leben im Einklang mit der Natur sollte bei den Menschen im Vordergrund stehen. Denn dann scheint für Paul Kirchhof der Weg zu einer Erneuerung des Gemeinwesens in Freiheit geebnet. Diese Idee fand insbesondere in Frankreich verbreiteten politischen Widerhall. Sie hat aber die Repräsentanten des alten Feudalsystems nicht überzeugt. Paul Kirchhof fügt hinzu: „Ihr Widerstand war entschieden, hat den Erneuerern die Gelassenheit geraubt.“ Sie stürzten sich deshalb in eine Revolution. Diese führte jedoch letztlich zu Terror, Guillotine, Diktatur und Krieg. Die Revolutionäre vernichteten sich dabei weitgehend selbst. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Vertrauen lässt sich nicht erzwingen

Die Frage des Vertrauens ist es, die das aktuelle Geschehen tief durchdringt. Deshalb lautet das Titelthema des neuen Philosophiemagazins 01/2021 auch: „Worauf vertrauen?“ Grundsätzlich lässt sich Vertrauen nicht erzwingen. Es kann nur geschenkt und jederzeit wieder entzogen werden. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt im Editorial: „Wer das Vertrauen eines Menschen missbraucht, läuft Gefahr, es für immer zu verlieren.“ Das Wesen des Vertrauens liegt jedoch darin, dass es keine feste Basis hat. Es ist gerade die Freiheit, die es überhaupt erst ermöglicht und beginnt erst da, wo die eigene Verfügungsgewalt aufhört. Freiheit und Vertrauen bedingen sich also gegenseitig. Worauf vertrauen? In der Antwort offenbart sich, wer man ist und wer man sein will. Denn ohne Vertrauen in die Selbstdisziplin der anderen wären moderne Gesellschaften in ihrer extremen Komplexität undenkbar.

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Das Zeitalter des Anthropozäns hat begonnen

Dort, wo die Natur Ressourcen anbietet, wird sie selbst von höchst bescheidenen Gesellschaften vielfältig in Dienst genommen. Zudem beutet man sie oft genug auch aus, wodurch aus der zunächst unberührten Vorgabe die mehr und mehr kultivierte Natur entsteht. Otfried Höffe erklärt: „Schon weit länger als der Atmosphärenchemiker Paul Crutzen 2002 annimmt, leben wir in jenem Erdzeitalter des Anthropozän. In diesem ist der Mensch („Anthropos“) zum stärksten Antreiber ökologischer, selbst geologischer Prozesse geworden.“ Offensichtlich ist die dabei vorgenommene Kultivierung ein Freiheitsprozess in beiden Kernbedeutungen. Als eine allerdings nie endende Überwindung von Gefahren erhöht sie die negative Freiheit. Soweit dabei Erträge gesteigert und Arbeitsvorgänge erleichtert. Überdies schafft man Arbeitsplätze, auch Annehmlichkeiten und Wohlstand geschaffen. So zeichnet sich die Indienstnahme der Natur durch einen emanzipatorischen Charakter aus. Soweit sie aber eine neuartige Lebenswelt schafft, wächst die andere, positive Freiheit. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Das Recht kann sich in Normen verwandeln

Das Recht ist eine Sammlung von Verhaltensregeln, die durch eine Kombination von Statuten und Gerichtsurteilen sorgfältig und detailreich formuliert ist. Die Rechtsprechung setzt es in einem Geltungsbereich durch, der sich gewöhnlich auf einen Staat oder den klar definierten Teil eines Staates erstreckt. Damit ist jedoch die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten noch nicht erfasst. Timothy Garton Ash erklärt: „Wenn wir „das Recht“ sagen, denen wir in der Regel an das „Strafrecht“: Wenn du dies oder jenes sagst oder tust, wirst du eingesperrt. Doch es gibt noch andere zunehmend weichere Formen des Rechts. Diese gehen schleichend in den Bereich bloßer Normen über.“ Es gibt das Zivilrecht, und es gibt das sogenannte „expressive Funktion“ des Rechts und Formulierungen, die eine allgemeine Botschaft verkünden, wie etwas in einer gegebenen Gesellschaft sein sollte. Timothy Garton Ash lehrt in Oxford europäische Geschichte und ist einer der angesehensten politischen Kommentatoren aus Großbritannien.

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Die Idee einer einzigen Identität ist eine Illusion

Amartya Sen zeigt in seinem Buch „Die Identitätsfalle“, dass die falsche Illusion einer einzigen Identität den Krieg der Kulturen zwischen dem Westen und dem Islam konstruiert und fatal vorantreibt. Dabei wird die Welt immer mehr aufgeteilt in statische Blöcke aus Religionen, Kulturen oder Zivilisationen. Faktoren des menschlichen Daseins geraten dabei immer mehr aus dem Blick. Amartya Sen zählt dazu unter anderem den Beruf, die Wissenschaft, die Moral oder die Politik. Globale Bemühungen, der eskalierenden Gewalt Einhalt zu gebieten, scheitern vor allem an einer eindimensionalen Konstruktion von Identität. Das Geschäft der Fundamentalisten besteht in einer Miniaturisierung der menschlichen Existenz, mit der alle Ideologie der Gewalt ihren Anfang nimmt. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Autoritäre Anwandlungen bedrohen die Demokratie

Das Archaische prägt auch das 21. Jahrhundert. Zum Beispiel, wenn Donald Trump den tribalen Siegerkult betreibt. Wenn er den Stammesschrei: „Build that Wall!“ ausstößt. Baut diese Mexiko-Mauer, um das amerikanische Territorium zu markieren. Roger de Weck warnt: „Rupert Murdoch und seine Propaganda-Meute bei Fox News befallen die liberale Demokratie von Westen her, während aus Osten russische Internettrolle ausreiten.“ Wladimir Putin müht sich, mit grimmigen Antlitz den Zaren zu mimen, dem die Macht ein patrimoniales Eigentum ist. Auch vor der sakralen Unfehlbarkeit des Sultans Recep Tayyip Erdogan hat die Demokratie das Knie zu beugen. Manchmal ist es auch nur Verstaubtes, das aufscheint. An den beiden Enden der k.-u.-k.-Achse Wien – Budapest neigt man zum Monarchischen. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Die Europäer müssen sich als ein „Wir“ begreifen

Thea Dorn fasst ihre Überlegungen zum „europäischen Wir“, indem sie kurz rekapituliert, worin sie die Chancen und Tücken dieses Projekts sieht: „Wir werden mit der europäischen Einheit nicht sehr weit kommen, wenn wir die Europäische Union (EU) in erster Linie als Bündnis mit den Zwecken der Friedens- und Wohlstandswahrung begreifen.“ Ebenso wenig lassen sich die „Vereinigten Staaten von Europa“ still und leise durch die Hintertür etablieren. Dies hatte manch ein Europapolitiker im Sinn oder hat es noch immer. Noch gefährlicher ist es, die „Republik Europa“ mit revolutionärer Rhetorik herbeiproklamieren zu wollen. Die Hoffnung, dass eine Stärkung des Regionalen beziehungsweise des Stammesdenkens den europäischen Einigungsprozess befördern könne, hat sich als trügerisch entlarvt. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

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Die Genügsamkeit ist eine Begleiterin der Weisheit

Ein anderes Wort für jene Armut, von der Seneca redet, ist Selbstgenügsamkeit. Diese ist für ihn in Wirklichkeit keine Armut, sondern größter Reichtum. Albert Kitzler erläutert: „Ein unbezahlbarer und unverlierbarer Besitz ist für Seneca Friede und Ausgeglichenheit der eigenen Seele sowie Freude und Erfüllung, die aus dieser Harmonie der inneren Kräfte und Werte entspringen.“ Seneca kritisiert, dass vielen der Reichtum zum Hemmnis geworden ist, um sich mit Philosophie zu beschäftigen: „Willst du dem Geiste freie Bahn schaffen, so musst du entweder arm sein oder dem Armen ähnlich.“ Das Streben nach Weisheit kann seiner Meinung nach nur dann zum Heil führen, wenn die Genügsamkeit seine Begleiterin ist. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Konsequent gedacht gibt es gar keine Pflicht

Leiden wird oft mit der „Pflicht“ erklärt. Wer seine Pflicht tut, scheint vor jedermann gerechtfertigt – vor anderen und sich selbst. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Pflichtbewusst erfreut man sich allseitiger Wertschätzung: als Mutter, als Vater, als Briefträger, als Beamter, als Soldat. Wer seine Pflicht tut, tut das, was sich gehört.“ Die Pflicht kommt dabei meist im grauen Leinensack der Entbehrung daher und wird begleitet von einer Aura der Selbstaufopferung. Viele Menschen kennen das Gefühl der Pflichterfüllung, einige seufzen unter dieser Last. „Dazu fühle ich mich verpflichtet“ oder „Dafür habe ich mich in die Pflicht nehmen lassen“, sagen jene, die irrigerweise glauben, eigentlich etwas anderes zu wollen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Die Aufklärung zielt auf den Bruch mit der Vergangenheit

Frei ist, wer in Wechselfällen und Umbrüchen des Lebens unerschütterlich und unaufgeregt bleibt. Frei sind auch diejenigen, die sich ihrer Maßstäbe sicher sind und selbstbewusst Erneuerungskraft und Reformfreude entfalten. Paul Kirchhof erläutert: „Gelassenheit wehrt sich nicht gegen das Neue, sondern vergleicht den Istzustand mit dem Reformvorhaben. Im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit soll die antike Welt wieder aufleben und auf die neue Welt der Renaissance einwirken.“ Das Mittelalter geht in das hellere Zeitalter der Aufklärung über. Die Renaissance sucht eine weltliche Kultur auszubilden. Die Reformation will das Verhältnis des einzelnen Menschen zu Gott zurückformen und erneuern. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Otfried Höffe fordert eine ökosoziale Marktwirtschaft

Zu den Menschenrechten gehören Rechte wie das Recht auf Eigentum und eine freie Entfaltung der Persönlichkeit. Diese schließen die freie Teilnahme am Wirtschaftsleben, dabei sowohl die Berufsfreiheit des Konsumenten als auch die Unternehmerfreiheit, ein. Otfried Höffe fügt hinzu: „Mit den negativen Freiheitsrechten nicht zufrieden, verlangt der Gedanke der Menschenrechte aber nach zusätzlichen Markteinschränkungen. Damit sich die Freiheitsvision des Marktes nicht in Unfreiheit verkehrt.“ Deshalb erweitert ein sensibles Gemeinwesen seine wirtschaftspolitische Verantwortung. Außerdem verpflichtet es sich auf das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft. Dank dieses Leibildes ist die vor allem in West- und Nordeuropa vorherrschende Wirtschaftsgestalt zu einer Mischform von Privat- und Gemeinwirtschaft geworden. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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Katia Henriette Backhaus entwirft eine ökologische Philosophie

Katie Henriette Backhaus legt mit ihrem Buch „Nachhaltige Freiheit“ Elemente einer modernen ökologischen Philosophie vor. Die Autorin bestimmt Nachhaltigkeit als das Verhältnis von Mensch und Natur. Zudem entwickelt sie einen Mindeststandard, der irreversible ökologische Schäden verhindern soll. Die Freiheit ist ihrer Meinung nach nur dann nachhaltig, wenn sie ihre Bedingungen und Konsequenzen mit einbezieht. Auf die Frage, ob Nachhaltigkeit die Freiheit der Menschen beschneidet, antwortet Katia Henriette Backhaus mit einem klaren Nein. Es ist die ökologische Krise, von der die Bedrohung der politischen Freiheit ausgeht. Wenn die Menschheit weiterhin darüber entscheiden will, wie ein gemeinsames Leben aussehen soll, muss die Freiheit neu gedacht werden. Katia Henriette Backhaus hat an der Universität Frankfurt am Main promoviert. Sie lebt in Bremen und arbeitet als Journalistin.

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Revolutionen fordern elementare Menschenrechte

Das Verlangen nach einheitlicher Anerkennung der Würde, das die Französische Revolution auslöste, setzt sich bis zum heutigen Tag fort. In den beiden vergangenen Generationen hat die Welt eine Vielzahl spontaner Aufstände gegen autoritäre Regierungen erlebt. Francis Fukuyama nennt Beispiele: „Von den Protesten, die zum Sturz der kommunistischen Regime 1989 führten, bis hin zur südafrikanischen Abwendung von der Apartheid.“ Dazu zählen auch Mobilisierungen der Bürger im subsaharischen Afrika in den neunziger Jahren und die „Farbenrevolutionen“ in Georgien und in der Ukraine zu Beginn des neuen Jahrhunderts. Bei allen genannten Beispielen hat die Anerkennung der elementaren Menschenrechte eine zentrale Rolle gespielt. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.

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Die sexuelle Befreiung räumt den Frauen mehr Autonomie ein

Die sexuelle Befreiung war von gesetzlichen Veränderungen begleitet. Diese räumten Frauen mehr Rechte und ihren Körpern mehr Autonomie und Handlungsmacht ein. Diese rechtliche und politische Revolution wurde von einer ökonomischen gestützt. In deren Zug infiltrierte und umgestaltete der Konsumentenmarkt weite Bereiche der Identität und des Selbst. Der Verbrauchermarkt und die Therapiekultur konnten den durch die negative Freiheit eröffneten leeren Raum mit etwas kolonialisieren. Dies bezeichnet Axel Honneth als „reflektive Freiheit“. Reflexive Freiheit erfordert von den Akteuren die Reflexion darüber, was sie wollen, und hält sie zu einer Hinterfragung ihres Willens an. In ihrem Mittelpunkt stehen die Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung der eigenen Wünsche und Subjektivität. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem sowie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique de la Sorbonne.

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Die Verfassung sichert den deutschen Rechtsstaat

Ohne Zweifel braucht es zur Gewährleistung der Freiheitsrechte und als Riegel sowohl gegen rechtliche Privilegien als auch gegen Diskriminierung und Korruption den Rechtsstaat. Otfried Höffe ergänzt: „Erst mit seiner Hilfe wird die Gefahr von Willkür eingedämmt und werden die Behörden und die Gerichte einer wirksamen Kontrolle unterworfen.“ Mangelt es an Rechtsstaatlichkeit kann es sehr schwierig werden, seinen Anstand und seine Würde zu wahren. Zu dem dann erforderlichen hohen Maß an Raffinesse und Courage, oft sogar Heroismus ist weder jeder bereit noch fähig. Hier tritt der Rechtsstaat auf den Plan, denn er erlaubt auch den gewöhnlichen Menschen, in Rechtschaffenheit und Selbstachtung zu leben. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

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