Thea Dorn fasst ihre Überlegungen zum „europäischen Wir“, indem sie kurz rekapituliert, worin sie die Chancen und Tücken dieses Projekts sieht: „Wir werden mit der europäischen Einheit nicht sehr weit kommen, wenn wir die Europäische Union (EU) in erster Linie als Bündnis mit den Zwecken der Friedens- und Wohlstandswahrung begreifen.“ Ebenso wenig lassen sich die „Vereinigten Staaten von Europa“ still und leise durch die Hintertür etablieren. Dies hatte manch ein Europapolitiker im Sinn oder hat es noch immer. Noch gefährlicher ist es, die „Republik Europa“ mit revolutionärer Rhetorik herbeiproklamieren zu wollen. Die Hoffnung, dass eine Stärkung des Regionalen beziehungsweise des Stammesdenkens den europäischen Einigungsprozess befördern könne, hat sich als trügerisch entlarvt. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.
Die Europäer bestehen auf die Freiheit der Gedanken
In groben Zügen hat Thea Dorn zu skizzieren versucht, was aus ihrer Sicht der einzige Weg ist, auf dem Europa tatsächlich zusammenwachsen und seine geo-ethischen wie geopolitischen Aufgaben wahrnehmen könnte: „Wir Europäer müssen begreifen, dass wir tatsächlich ein „Wir“ sind. Wir müssten mit Herz und Kopf erfassen, was wir unserm Kontinent an gemeinsamer Zivilität, Freiheit, Kultur und Geist verdanken.“ Zudem sollten die Europäer der Welt bekunden, dass sie sich die Freiheit der Gedanken und die Freiheit der Kunst nicht nehmen lassen.
Im nächsten Abschnitt wird sich Thea Dorn mit der unerträglichen Leichtigkeit des kosmopolitischen Seins beschäftigen. Sie widmet sich dabei all denen, denen Europa nicht aus Motiven des Lebensstils oder aufgrund ihrer wissenschaftlichen Interessen zu eng ist. Diese halten auch das europäische „Wir“ aus grundsätzlichen moralischen Erwägungen heraus für zu kleingefasst. Viele von denen, die heute für die „Vereinigten Staaten von Europa“ kämpfen, wollen dieses Neue Europa mitnichten als letzte Station der Wir-Erweiterung verstanden wissen.
Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten geboren
In ihren Augen kann das europäische „Wir“ lediglich ein Durchgangs- oder Übergangs-Wir zum weltbürgerlichen Wir sein. Die Idee der Menschenrechte haben sie in diesem Kampf auf ihrer Seite. Im Jahr 1776, in der Amerikanischen Revolution, fand der Gedanke, dass alle Menschen gleich erschaffen sind und deshalb gleiche Rechte beanspruchen, seinen ersten politischen konkreten und bis heute gültigen Ausdruck. In der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten steht das von Thomas Jefferson und Benjamin Franklin formulierte Credo gleich in der Präambel.
In einer zeitgenössischen deutschen Übersetzung heißt es dort: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit.“ Der Artikel 1 der Allgmeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 lautet auf Deutsch: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ Quelle: „deutsch, nicht dumpf“ von Thea Dorn
Von Hans Klumbies