Beim Denken sollte die Vernunft herrschen

Das Denken nach Vernunft, die Verantwortlichkeit in Humanität, das Leben im Einklang mit der Natur sollte bei den Menschen im Vordergrund stehen. Denn dann scheint für Paul Kirchhof der Weg zu einer Erneuerung des Gemeinwesens in Freiheit geebnet. Diese Idee fand insbesondere in Frankreich verbreiteten politischen Widerhall. Sie hat aber die Repräsentanten des alten Feudalsystems nicht überzeugt. Paul Kirchhof fügt hinzu: „Ihr Widerstand war entschieden, hat den Erneuerern die Gelassenheit geraubt.“ Sie stürzten sich deshalb in eine Revolution. Diese führte jedoch letztlich zu Terror, Guillotine, Diktatur und Krieg. Die Revolutionäre vernichteten sich dabei weitgehend selbst. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

Die Französische Revolution brachte Chaos und Terror

Deutschland blickte anfangs mit Faszination, dann mit Befremden und schließlich mit Empörung nach Paris. Die Freiheitsidee brachte nicht das befreiende Gesetz, sondern Anarchie und Chaos. Die enthusiastische Vorstellung von Tugend und Glück fördert eine verhängnisvolle Neigung. Nämlich willkürlich wie ein selbstsüchtiger Despot mit der Freiheit der Individuen umzugehen. Die Vernunftidee, das Ideal der Freiheit, kann durch Abstraktion in Unterdrückung, Verächtlichkeit und Terror umschlagen.

Der Blick auf den Einzelnen, aus seine Freiheit geht dabei verloren. Vor allem aber lehren die Erfahrung des 18. und 19. Jahrhunderts, dass Politik und Gesetzgebung nicht allein vernunftgeleitet ihr Ziel erreichen. Der Mensch findet nur durch seine sinnliche und konkrete Begegnung mit der Welt und seiner humanen Auseinandersetzung mit den Mitmenschen den Weg zur Vernunft. Dazu gehört auch seine Gebundenheit mit der Natur. Paul Kirchhof weiß: „Er folgt nicht einem Diktat der Vernunft, sondern erlebt eine Welt voll von Widersprüchen und einen Menschen mit Herz und Verstand.“

Das Grundgesetz stützt sich auf die Menschenwürde

Das Grundgesetz wählte die 1949 gerade hundertjährige Paulskirchenverfassung zum Vorbild. Es stützt seine Konzeption freiheitlicher Demokratie auf ein Wert- und Anspruchsystem der Menschenwürde und Freiheit. Diese kann von jedem einzelnen Betroffenen durch eine Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Seit dem Wartburgfest 1817 beobachtete die Obrigkeit im deutschen Bund argwöhnisch die demagogischen Umtriebe der akademischen Jugend, der Advokaten und Journalisten.

Die Mehrheit der Teilnehmer setzte auf eine „legale Revolution“, wollte ihre Revolution „gesetzlich durchführen“. Die Hambacher Versammlung hielt sich für nicht kompetent, im Namen des Volkes etwas zu beschließen. Sondern sie setzte auf die Kraft und den Impuls der öffentlichen Rede und der dadurch veranlassten Debatten. Fürst Metternich und die bayerische Obrigkeit werteten die Hambacher Versammlung jedoch als Alarmzeichen. Sie betrachteten sie als Beginn eines Aufruhrs, dem kein weiterer legaler Tummelplatz zu eröffnen sei. Quelle: „Beherzte Freiheit“ von Paul Kirchhof

Von Hans Klumbies

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