Die Verfassung sichert den deutschen Rechtsstaat

Ohne Zweifel braucht es zur Gewährleistung der Freiheitsrechte und als Riegel sowohl gegen rechtliche Privilegien als auch gegen Diskriminierung und Korruption den Rechtsstaat. Otfried Höffe ergänzt: „Erst mit seiner Hilfe wird die Gefahr von Willkür eingedämmt und werden die Behörden und die Gerichte einer wirksamen Kontrolle unterworfen.“ Mangelt es an Rechtsstaatlichkeit kann es sehr schwierig werden, seinen Anstand und seine Würde zu wahren. Zu dem dann erforderlichen hohen Maß an Raffinesse und Courage, oft sogar Heroismus ist weder jeder bereit noch fähig. Hier tritt der Rechtsstaat auf den Plan, denn er erlaubt auch den gewöhnlichen Menschen, in Rechtschaffenheit und Selbstachtung zu leben. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Zum Rechtsstaat gehört die Mehrzahl von Instanzen

Aus diesem fraglos guten Grund ist der Rechtsstaat in konstitutionellen Demokratien wie Deutschland an basaler Stelle, in der Verfassung, abgesichert. Ein derartiger Rechtsstaat ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die man weder aufgeben noch aufs Spiel setzen darf. Trotzdem ist er nicht aller Kritik enthoben. Kritik verdient allerdings nicht der Grundgedanke, wohl aber die eine oder andere Realität. Die zu Recht eingeforderte Beachtung der individuellen Lage gehört zum Kernbereich des Rechtsstaates.

Otfried Höffe erklärt: „Sein Symbol, die Augenbinde der Justitia, steht für Unparteilichkeit, die ohne Ansehen der Person urteilt, aber nicht für Blindheit gegenüber dem Einzelfall, der sich durchaus als Sonderfall entpuppen kann.“ Nach einem Grundprinzip jeder, zweifelslos auch der richterlichen Urteilsfindung, ist als erstes der Sachverhalt in seiner Individualität zu erkunden. Zum Rechtswegestaat gehört auch ein gelegentlich mühseliges, aber schwerlich zu kritisierendes Element: die Mehrzahl von Instanzen.

Manchmal haben Schuld und Urteil nichts miteinander zu tun

Denn sie hilft, dass trotz der bei fehlbaren Menschen nie auszuschließenden Möglichkeit des Irrtums sich am Ende doch das Recht durchsetzt. Anders verhält es sich mit dem Phänomen, dass sich im Rechtswegestaat mehr und mehr die Prozessordnungen in den Vordergrund drängen. Natürlich sind sie unverzichtbar, sie erlauben aber auch Missbrauch, manchmal fordern sie ihn sogar heraus. Dann handelt man nämlich legal und hilft trotzdem, dass am Ende das Recht auf der Strecke bleibt. Einen klaren Beleg bieten die so telegenen amerikanischen Geschworenenprozesse.

Otfried Höffe erläutert: „Überdeutlich zeigen sie, dass die tatsächliche Schuld und das finale Urteil zweierlei Dinge sind, zugespitzt gesagt haben Schuld und Urteil nichts miteinander zu tun.“ In anderen Bereichen ist eher die Fülle der zu berücksichtigenden Gerichtsentscheidungen zu beklagen. Innerhalb Europas kommt die ständig wachsende Zahl von EU-Richtlinien und Verordnungen hinzu. Und in anderen Bereichen, etwa bei Ärzten, wachsen die Dokumentationspflichten, so dass man hier und andernorts zu Recht eine die Freiheit einschränkende Bürokratisierung beklagt. „Quelle: „Kritik der Freiheit“ von Otfried Höffe

Von Hans Klumbies