Konsequent gedacht gibt es gar keine Pflicht

Leiden wird oft mit der „Pflicht“ erklärt. Wer seine Pflicht tut, scheint vor jedermann gerechtfertigt – vor anderen und sich selbst. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Pflichtbewusst erfreut man sich allseitiger Wertschätzung: als Mutter, als Vater, als Briefträger, als Beamter, als Soldat. Wer seine Pflicht tut, tut das, was sich gehört.“ Die Pflicht kommt dabei meist im grauen Leinensack der Entbehrung daher und wird begleitet von einer Aura der Selbstaufopferung. Viele Menschen kennen das Gefühl der Pflichterfüllung, einige seufzen unter dieser Last. „Dazu fühle ich mich verpflichtet“ oder „Dafür habe ich mich in die Pflicht nehmen lassen“, sagen jene, die irrigerweise glauben, eigentlich etwas anderes zu wollen. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

Die Pflicht ist häufig eine Ausrede

Diejenigen, die mit ihrem Leben hadern, für sie kommt die Plicht gleichsam von „außen“, sie ist ihnen vom Schicksal aufgedrückt. Dann ist die Plicht häufig eine Ausrede, weil sie es ihnen erspart, eigene Ziele zu definieren und unangenehme Entscheidungen zu treffen. Reinhard K. Sprenger kritisiert: „Sie verkleiden ihre Schwäche als Tugend.“ Der Sprung ins kalte Wasser fällt wegen der Pflichterfüllung aus: „Meine Pflichten erlauben es mir nicht …“ Vor allem glauben sie oft, aus der Pflicht auch Rechte ableiten zu können. Damit kann man dann andere Menschen hochmoralisch erpressen.

Aber konsequent gedacht gibt es gar keine Pflicht. Jede von außen kommende Plicht steht einem Menschen zur Wahl. Andere mögen noch so hochtönende moralische Ansprüche an einen stellen – jeder entscheidet selbst, ob er sich ihnen beugt. Wenn man dann in der Pflicht ist, hat man sie selbst gewählt. Sie ist dann immer Selbst-Verpflichtung, wenn sich auch vielleicht im Kontext von Zwang und Unfreiwilligkeit erlebt wird. Man hat sich vielleicht entschieden, diese Selbstverpflichtung nicht zu mögen.

In der Pflicht steckt ganz tief eingewoben der Hass

Aber dabei übersieht man die Tatsache, dass man die eigene Wahl nicht mag. Man kann sich immer anders entscheiden. Jederzeit! Diese Freiheit kann einem niemand nehmen. Vor allem in Beziehung zu anderen Menschen muss gelten, dass man nie etwas „aus Pflicht“ tut. Reinhard K. Sprenger erläutert: „In der Pflicht steckt ganz tief eingewoben der Hass – Hass auf denjenigen, der Ihren Einsatz fordert und Sie dadurch scheinbar hindert, Ihr Leben zu leben. Er kann Sie zwar nicht hindern, aber Sie möchten ihn gerne dafür verantwortlich machen.“

Reinhard K. Sprenger rät, sich nicht von der Moral ein Bein stellen zu lassen. Denn auch der Brustton moralischer Überzeugung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Verantwortung wählbar ist. Und abwählbar! Es gibt zum Beispiel eine Menge Menschen, die die Verantwortung für ihre Kinder abgewählt haben. Ihnen war ihre Selbstverwirklichung wichtiger als die Kompromisse und Schattenseiten des Elterndaseins. Reinhard K. Sprenger fällt darüber kein moralisches Urteil. Er sagt nicht, dass das gut oder schlecht ist. Quelle: „Die Entscheidung liegt bei dir!“ von Reinhard K. Sprenger

Von Hans Klumbies