Die Ideale der Revolution sind Freiheit und das Neue

Gelungene Revolutionen mögen politische Verhältnisse umstürzen, alte Systeme hinwegfegen, Personen beseitigen. In der Regel schaffen sie mehr und länger andauernde Probleme, als sie unmittelbar lösen. Konrad Paul Liessmann nennt ein Beispiel: „Der Enthusiasmus, der mancherorts für den sogenannten Arabischen Frühling, den man sich nach dem Modell der europäischen Revolutionen dachte, um sich gegriffen hatte, was so auch Ausdruck einer eklatanten Geschichtsvergessenheit gewesen, letzter Reflex einer unwissenden Revolutionsromantik.“ Nicht nur frisst wie Saturn die Revolution ihre Kinder – wie Pierre Victurnien Vergniaud, einer der Protagonisten der Französischen Revolution, am Gang zum Schafott bemerkte. Sondern sie muss ihre Anhänger immer auch enttäuschen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien. Zudem ist er wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Eine Revolution muss sich als radikaler Wechsel erweisen

Nur der überlebt eine Revolution, der bereit ist, ihre Ideale zu verraten. Es sind nämlich Ideale, welche die Leuchtkraft von Revolutionen bestimmen. Hannah Arendt hat in ihrem großen Essay „Über die Revolution“ aus dem Jahre 1963 diese Ideale benannt. Es handelt sich dabei um die „Idee der Freiheit“ und die „Erfahrung eines Neuanfangs“. Eine Revolution, der es nicht um Freiheit, um individuelle Freiheit, um Freiheit als Selbstbestimmung des Einzelnen geht, ist keine Revolution. Eine Revolution, die nicht die Politik, den Staat, die Gesellschaft neu denken und gestalten will, ist auch keine Revolution.

Konrad Paul Liessmann erklärt: „Eine Revolution ist eben nicht die beschleunigte Variante einer Reformpolitik. Eine Revolution ist nicht das Resultat kontinuierlicher Veränderungen im Bereich des Sozialen, der Wissenschaften oder der Technik. Sondern eine Revolution muss sich als Bruch, als Ende und Neubeginn, als radikaler Wechsel der Perspektive, als der andere Zustand erweisen.“ Für Karl Marx werden bei einer Revolution im „Schoß der alten Gesellschaft“ die Existenzbedingungen der neuen „ausgebrütet“.

Beim Arabischen Frühling ging es nicht um Demokratie

Das, was die Revolution in die Welt setzt, ist gewissermaßen latent schon vorhanden, aber noch nicht Wirklichkeit geworden. Eine Zeit, so behauptete es diese geschichtsmetaphysische Spekulation, muss reif sein für eine Revolution. Die Freiheit und das Neue: Genau wegen dieser Bestimmungen kannte Hannah Arendt übrigens nur zwei Revolutionen, die diesen Namen auch verdienten: die amerikanische Revolution, also der Unabhängigkeitskrieg und die Französische Revolution. Revolutionen, in denen es nur um einen Machtwechsel, einen Austausch der Eliten oder um die Etablierung totalitärer Herrschaftsformen geht – wie etwa in Russland – waren für Hannah Arendt keine Revolutionen.

Folgt man diesen Überlegungen, wäre auch eine islamische Revolution, wie sie etwa im Iran mit dem Ziel stattgefunden hat, eine autokratische, religiös fundierte Herrschaft zu installieren, in diesem Sinne keine Revolution. Dies ist übrigens genau der Grund, warum der arabische Schriftsteller Adonis (Ali Ahmad Said) zu Beginn des Arabischen Frühlings erklärt hatte, dass er nicht an einer Revolution teilnehmen könne, die in einer Moschee beginne. Solch eine Revolution sei keine, da es essenziell weder um Freiheit noch um Demokratie gehe, sondern um bewaffnete Revolten mit unklaren Zielen, aber letztlich unter religiösen Prämissen. Quelle: „Bildung als Provokation“ von Konrad Paul Liessmann

Von Hans Klumbies

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