Die Lehre der Stoiker geht auf das Jahr 300 v. Chr. zurück

Eine mit farbenfrohen Fresken geschmückte Säulenhalle – „stoa poikile“ – nicht weit von der Athener Akropolis gab einer antiken Philosophenschule den Namen: der Stoa. Bernd Roeck weiß: „Ihre antike Geschichte umspannt ein halbes Jahrtausend, von der Begründung durch Zenon um 300 v. Chr. bis in die Tage des römischen Kaisers Mark Aurel (161 – 180 n. Chr.).“ Dessen „Selbstbetrachtungen“ sind das letzte bedeutende Zeugnis ihrer vorchristlichen Periode. Die Lehre der Stoiker dürfte dazu beigetragen haben, die Akzeptanz des Christentums im griechisch-römischen Kulturraum herbeizuführen. Umgekehrt werden christliche Theologen in der Philosophie der Stoa mannigfache Punkte der Anknüpfung finden. Zenon hielt den sterblichen Leib gegenüber dem Geist, der dem ewigen Feuer gleiche und damit am göttlichen teilhabe, für unwichtig. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Einsicht und Selbstbeherrschung sind für die Stoiker wichtige Tugenden

Ihre Konsequenz konnte die Haltung des Zenon im Selbstmord finden. Der Stoiker Antiparos zum Beispiel wählte ihn als Ausweg aus einem leidvollen Leben. An diesem extremen Punkt verlieren sich die Parallelen zum Christentum. Auch galt der Stoa die Welt zwar als von „pronoia“, der vorausblickenden, göttlichen Fürsorge, geordnet, aber – das lehrte auch Aristoteles – als ungeschaffen, also ewig. Zeus gilt als die Weltvernunft, „Logos“, und das „schöpferische Feuer“, aus dem alles kommt und in dem alles untergehen wird.

Bernd Roeck ergänzt: „Am Ende der Geschichte steht der reinigende Weltenbrand, stoische Präfiguration des Weltgerichts. Mit ihm endet jedoch nicht alles. Die Geschichte beginnt vielmehr von neuem, eine Vorstellung, die auch andere Kosmologien wie die des Daoismus kennen.“ Leben oder Tod, Ruhm, Lust oder Schmerz, Reichtum, Armut: Das alles erscheint der Stoa als nebensächlich. Worauf es ankommt, sind Einsicht, Selbstbeherrschung, Gerechtigkeit und ein Bewusstsein der Verantwortung, Ergebenheit in die kosmischen Kräfte, in Schicksal und Notwendigkeit.

Stoiker streben den Einklang mit sich selbst an

Leid ist kein Übel, vielmehr Gelegenheit, sich in Tugend zu üben. Ziel stoischer Lebensführung ist wie für die Epikureer das Ertragen der Welt, nicht ihre Gestaltung und Veränderung. Im Leben seine Pflicht zu erfüllen, heißt, im Einklang mit sich selbst zu sein. Gleichmut und Unerschütterlichkeit gelten als herausragende Eigenschaften des Philosophen und Ziel menschlichen Lebens: „nichts fürchten, nichts wollen“, „nihil timere, nihil cupere“. Das Entgegengesetzte, das in der Natur und in der Gesellschaft vorkommt – männlich und weiblich, alt und jung, schwach und stark – fügt sich nach stoischer Auffassung durch Vermischung zur Harmonie.

Entstehen gleicht Vergehen aus, alles hält sich die Waage. Einer der zentralen stoischen Begriffe ist der des „Logos“, der nicht nur Rede und Vernunft, sondern auch das in der Natur einschließlich des Menschen wirkende Prinzip umfasst. Der Logos ist nicht nur göttlich, er ist die Gottheit selbst. Diese göttliche Vernunft durchwirkt die Natur, „physis“, und strukturiert sie als sinnvolles Ganzes bis in letzte Verästelungen. Da dem Menschen die Einsicht in ihre Ration offenstehe, könne er sein Leben so gestalten, dass es sich im Einklang mit dem Ganzen vollzieht. Quelle: „Der Morgen der Welt“ von Bernd Roeck

Von Hans Klumbies