Die Globalisierung und neue Technologien wie Digitalisierung spalten laut Alexander Hagelüken den deutschen Arbeitsmarkt, schrumpfen die Mittelschicht und treiben die Einkommen auseinander. Die Globalisierung lässt Arbeitsplätze verschwinden wie beispielsweise jene in Schuhfabriken. Sie trifft Arbeitnehmer, die den gut ausgebildeten, aber trotzdem günstigen Asiaten oder Osteuropäern unterliegen. In Deutschland wirkte sich besonders der Fall des Eisernen Vorhangs aus, sagt Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Bis zur Wende nahmen die Reallöhne nämlich zu. Dann kam die Konkurrenz, etwa tschechische Arbeiter, die anfangs ein Zehntel deutscher Löhne verdienten. Joachim Möller erklärt: „Es wurden Arbeitsplätze verlagert. Vor allem wirkte die Drohung mit der Verlagerung: Das reichte schon, um in Deutschland niedrige Löhne durchzusetzen. Das veränderte die Machtverhältnisse zugunsten der Arbeitgeber.“ Alexander Hagelüken ist als Leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für Wirtschaftspolitik zuständig.
Die Löhne deutscher Arbeitnehmer stagnieren
Der Ökonom Branko Milanović stellt fest, dass die Globalisierung die größte Umverteilung von Einkommen seit zweihundert Jahren auslöst. Sie lässt die Gewinne der Unternehmen explodieren, befreit hunderte Millionen Menschen aus der Armut – und setzt im Westen zahlreiche Normalverdiener unter Druck. Sie lässt manche besonders profitieren – und andere verlieren. Alexander Hagelüken fügt hinzu: „Firmen können weltweit Kunden finden und gleichzeitig Gewinne herumschieben, um Steuern zu vermeiden.“
Vermögende können weltweit Anlageprodukte finden und gleichzeitig Geld in Offshore-Paradiese schieben, um Steuern zu vermeiden. Viele deutsche Arbeitnehmer dagegen erleben die Konkurrenz niedriger Löhne sowie Umwelt- und Sozialstandards, während weiter voll die Steuer von ihrem stagnierenden Verdienst abgeht. Der Soziologe Ralf Dahrendorf schrieb schon vor 20 Jahren: „Wettbewerbsfähigkeit in einem unnachsichtigen Weltmarkt verlangt, dass alle Leistungen zum günstigsten möglichen Preis erbracht werden.“
Die Technologie vernichtet ungelernte Jobs
Ralf Dahrendorf fährt fort: „Das heißt vor allem Reduktion der Zahl der Beschäftigten auf das nötige Minimum.“ Es ist daher klar, dass viele Angestellte ihren Job verlieren und – wenn überhaupt – durch Teilzeitbeschäftigte oder Vertragsangestellte ersetzt werden. Von den gewaltigen Gewinnen der Unternehmen profitieren die Arbeitnehmer kaum: Nur jeder Zehnte besitzt Aktien. Wie die Globalisierung teilt auch die moderne Technologie den Arbeitsmarkt in Gewinner und Verlierer auf. Zu den Profiteuren zählt Alexander Hagelüken zum Beispiel Ärzte, Ingenieure oder Manager. Ihr Gehalt steigt oft deutlich.
Gleichzeitig gibt es andere, die stagnieren oder verlieren. Technologie vernichtet ungelernte Jobs, aber auch mittelqualifizierte. Zum Beispiel diejenigen des Fabrikarbeiters oder Sachbearbeiters, die sich oft zur Mittelschicht zählen. Alexander Hagelüken erläutert: „Ihre Tätigkeiten sind von einer gewissen Wiederholung gekennzeichnet, die sie durch Maschinen ersetzbar macht.“ Technologie und Globalisierung ließen allein seit den 90er Jahren über 2,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland verschwinden. Quelle: „Das gespaltene Land“ von Alexander Hagelüken
Von Hans Klumbies