Den Beruf fürs Leben gibt es nicht mehr

Arbeitnehmer in Deutschland müssen heute und in Zukunft zu Lasten des Familienlebens permanente berufliche Mobilität beweisen. Zudem gibt es immer mehr zeitlich befristete Jobs. Und berufliche Laufbahnen von der Ausbildung bis zum Ruhestand sind für künftige Generationen kaum mehr möglich. Neue Beschäftigungsformen machen den „Beruf fürs Leben“ zur Ausnahme und den Zweitjob neben dem Teilzeitarbeitsplatz bald zur Regel. Horst Opaschowski weiß: „Die meisten Berufstätigen befürchten für die Zukunft neben wachsender Arbeitsplatzunsicherheit mehr Druck und Stress im Arbeitsleben.“ Eine problematische Perspektive für die neue Generation, die mit Gefordert-, Überfordert- und Ausgebranntsein leben muss.“ Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

Die Arbeitskräfte werden immer weniger

Die berufliche Überlastung kann psychosomatische Erkrankungen zur Folge haben. Mit dem rund um die Uhr gefordert sein, wachsen sie Stressbelastungen im Arbeitsleben. Horst Opaschowski stellt fest: „Dauerstress ohne Entschleunigung ist die Folge. Arbeiten ohne Ende lautet die Zukunftsperspektive.“ Die Arbeit wird immer intensiver und konzentrierter, zeitlich länger und psychisch belastender. Dafür aber auch – aus der Sicht der Unternehmer – immer produktiver und effektiver.

Die neue Arbeitsformel für die Zukunft lautet: 0,5 x 2 x 3. Das heißt, die Hälfte der Mitarbeiter verdient doppelt so viel und muss dafür dreimal so viel leisten wie früher. Zugleich zeichnen sich mehrere Tendenzen ab. In Deutschland geht die Arbeit nicht aus, aber die Arbeitskräfte werden immer weniger. Es fehlen Fachkräfte, insbesondere Akademiker. Hochmotivierte Frauen, erfahrene Ältere und qualifizierte Zuwanderer werden die Lücke schließen müssen. Nur flexible Arbeitszeitmodelle, gezielte Aus- und Fortbildungsangebote können den Fachkräftemangel beheben helfen.

Ein Job allein reicht bei vielen nicht mehr

Immer mehr Berufstätige haben mehrere Jobs. Und wer keinen Hauptberuf mehr hat, wählt aus der Not heraus eine Kombination mehrerer Mini-Jobs. Tendenz steigend. Meldet ein Arbeitgeber Insolvenz an, bleibt zur Sicherheit immer noch der Zweit- oder Drittjob. Zynismus pur? Oder doch Arbeitswirklichkeit? Kommen amerikanische Verhältnisse auf Deutschland zu? Horst Opaschowski erklärt: „Ein Job allein reicht vielen nicht mehr aus, um sorgenfrei leben zu können.“

Ein Jugendlicher, der heute mit Mindestlohn ins Arbeitsleben einsteigt, bekommt im Alter eine Rente unter Hartz IV-Niveau. So verfestigt sich der Eindruck: Arbeiten zum Mindestlohn in einem Hochlohnland lohnt sich nicht. Das kann sich in den nächsten Jahren noch verstärken. Früher war man ohne Arbeit arm. In Zukunft kann man auch mit Arbeit arm sein oder werden. Gemeint ist eine doppelte Arbeit: Geldarmut und Lebensarmut, also Armut durch verpasste Lebenschancen. Quelle: „Wissen, was wird“ von Horst Opaschowski

Von Hans Klumbies