Die Lebensqualität hat sich dramatisch verbessert

Vor dem Erscheinen des Homo sapiens als eigene Spezies vor fast 300.000 Jahren, war das Leben der Menschen bestimmt von Überlebensinstinkt und Vermehrungstrieb. Der Lebensstandard entsprach mehr oder weniger dem Existenzminimum und veränderte sich weltweit im Lauf der Jahrtausende kaum. Oded Galor stellt fest: „Erstaunlicherweise haben sich jedoch unsere Daseinsbedingungen in den letzten paar Jahrhunderten radikal gewandelt. Im Verhältnis zur langen Geschichte unserer Spezies hat die Menschheit praktisch über Nacht eine dramatische und beispielslose Verbesserung der Lebensqualität erfahren.“ Lange herrschte die Ansicht vor, die Lebensstandards seinen schrittweise über die gesamte Menschheitsgeschichte hinweg gestiegen. Doch das ist ein verzerrtes Bild. Oded Galor ist israelischer Wirtschaftswissenschaftler und mehrfach ausgezeichneter Professor an der Brown University, USA. Er forscht vor allem zum Thema Wirtschaftswachstum.

Das Pro-Kopf-Einkommen ist um das 20-Fache gestiegen

Zwar verlief die technologische Entwicklung weitgehend graduell und beschleunigte sich im Lauf der Zeit. Doch dies schlug sich nicht in einer entsprechenden Verbesserung der Lebensbedingungen nieder. Die erstaunliche Steigerung der Lebensqualität in den vergangenen zwei Jahrhunderten ist in Wahrheit das Ergebnis eines plötzlichen Wandels. Im Grunde führten die meisten Menschen noch vor wenigen Jahrhunderten ein Leben, das eher mit dem ihrer fernen Vorfahren und den meisten anderen Menschen vor Tausenden von Jahren vergleichbar war als mit jenem ihrer heute lebenden Nachfahren.

Die Lebensverhältnisse eines englischen Bauern an der Wende zum 16. Jahrhundert waren ähnlich denen eines chinesischen Leibeigenen im 11. Jahrhundert. Doch vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis heute hat sich die Lebenserwartung mehr als verdoppelt. Und das Pro-Kopf-Einkommen ist in den am meisten entwickelten Weltregionen um das 20-Fache gestiegen. Diese Zeitspanne entspricht eigentlich nur einem Wimpernschlag im Vergleich zur gesamten Menschheitsgeschichte.

Die Gesellschaften waren lange Zeit in Armut gefangen

Diese kontinuierliche Verbesserung war derart tiefgreifend, dass man oft aus dem Blick verliert, wie außergewöhnlich diese Periode im Vergleich zur übrigen Menschheitsgesichte ist. Wie lässt sich dieses Rätsel des Wachstums erklären? Die Veränderung in der Lebensqualität, was Gesundheit, Wohlstand und Bildung angeht, ist kaum zu begreifen. Sie stellt sämtliche andere Veränderungen seit dem Erscheinen des Homo sapiens in den Schatten. Im Jahre 1798 legte der englische Gelehrte Thomas Malthus eine plausible Theorie vor. Er beschrieb darin den Mechanismus, der dazu führte, dass die Lebensstandards immerzu stagnierten und somit die Gesellschaften seit unvordenklichen Zeiten in Armut gefangen waren.

Wann immer Gesellschaften dank technologischer Innovationen einen Überschuss an Nahrungsmitteln erwirtschafteten, so die These von Malthus, konnte die daraus resultierende Erhöhung des Lebensstandards nur vorübergehenden Bestand haben. Denn sie führte unweigerlich zu einem entsprechenden Anstieg der Geburtenraten und einer Verminderung der Sterblichkeitsraten. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, dass der nachfolgende Bevölkerungszuwachs die Nahrungsüberschüsse aufzehrte. Die Lebensbedingungen sanken somit auf das Existenzminimum zurück und die Gesellschaften waren wieder so arm wie vor den Innovationen. Quelle: „Die Reise der Menschheit durch die Jahrtausende“ von Oded Galor

Von Hans Klumbies