Friedrich Schiller setzt auf das Erhabene

Ger Groot weiß: „Wie viele Denker seiner Generation, versucht auch Friedrich Schiller, Immanuel Kant weiterzudenken.“ Für den Romantiker, der er ist, ist es bedeutsam, dass er dabei Immanuel Kants Idee des Erhabenen mehr Beachtung schenkt als dem Schönen. Das Schöne ist der klassische Gegenstand der Ästhetik. In seiner Schrift „Über das Erhabene“ schreibt Friedrich Schiller: „Das Überwältigende in der Natur wird das Milieu, in dem der Mensch die Unendlichkeit, in die er sich hineingestellt sieht, erfährt.“ Diese Unendlichkeit übersteigt seine Vernunft und erschüttert ihn zutiefst in seinem Wesen. Sie schleudert den Menschen aus dem begrenzten Horizont seines alltäglichen Lebens heraus. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Zudem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

Im Wesen des Menschen widersprechen sich zwei Prinzipien

Außerdem öffnet sie ihm die Augen für die wahre Größe des Universums, dessen Teil er ist. Das Ästhetische, nicht das Politische, ist für Friedrich Schiller von diesem Moment an der Weg, auf der sich der Mensch selber zu seiner wahren Größe erzieht. Es ist der Weg, zu sich selbst zu kommen und die Möglichkeiten, die er in sich trägt, zu verwirklichen. In den ersten Ausgaben seiner Zeitschrift „Die Horen“ veröffentlicht Friedrich Schiller einen pädagogischen Entwurf. Er trägt den Titel „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“.

Friedrich Schiller fasst das Wesen des Menschen in zwei im Widerspruch miteinander stehenden Prinzipien. Ein Mensch ist einerseits ein „Ich“: das ist das Prinzip seiner Identität. Aber damit ist das „Ich“ noch keine Realität. Realität wird es erst, indem es sich materialisiert. Das heißt, Identität und materielle Realität bilden zusammen eine sinnlich-rationale Einheit. Friedrich Schiller schreibt: „Nur indem der Mensch unveränderlich bleibt, existiert er.“

Der Mensch besitzt zwei Grundimpulse

Aber Realität gewinnt der Mensch erst dadurch, dass er gleichzeitig auch Welt ist und sich selbst zu „Welt“ macht. Nun heißt es bei Friedrich Schiller umgekehrt: „Nur indem er sich verändert, existiert er.“ Der Mensch ist so als reine Existenzmöglichkeit, „bloß die Anlage zu einer möglichen unendlichen Äußerung“. Er muss, um sich zu verwirklichen, seine Möglichkeiten in der materiellen Welt zur Realität machen. Friedrich Schiller schreibt: „Er soll alles zur Welt machen, was bloß Form ist, und alle seine Anlagen zur Erscheinung bringen.“

Diese beiden Prinzipien projiziert Friedrich Schiller auf zwei Grundimpulse, die er als fundamental für den Menschen erachtet. Nämlich auf einen Formtrieb und einen Stofftrieb. Das klingt für Ger Groot ziemlich triebgesteuert, aber so freudianisch kann Friedrich Schiller das noch nicht gemeint haben. Gleichwohl führt er sein Menschenbild auf ein Zusammenspiel von Kräften zurück. Dieses wird auch im Falle des vernünftigen Formtriebes als ein Impuls gedacht, der die Vernunft gewissermaßen forttreibt. Quelle: „Und überall Philosophie“ von Ger Groot

Von Hans Klumbies