Die Literatur wird zum Medium der Geschichte

Die Französische Revolution war nicht nur ein zentrales Ereignis der politischen Geschichte Westeuropas, sondern sie hatte grundlegende Bedeutung auch für die Entwicklung der literarischen Theorie und Praxis nach 1789. Die relative Einheitlichkeit der Literaturperiode von Johann Christoph Gottsched bis zu den Stürmern und Drängern, die in der aufklärerischen Funktionsbestimmung der Literatur begründet war, ging in der Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution und deren Rückwirkungen auf Deutschland verloren. Hatte die literarische Intelligenz in Deutschland 1789 den Ausbruch der Revolution noch begeistert begrüßt und als des „Jahrhunderts edelste That“ (Friedrich Gottlieb Klopstock) gerühmt, so nahm die Sympathie nach der Hinrichtung des Königs und den Septembermorden, spätestens aber nach dem Beginn der Jakobinerherrschaft spürbar ab und wich alsbald einem tiefen Abscheu vor den „Greueln“ im Nachbarland.

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Boethius schreibt im Gefängnis sein Werk „Trost der Philosophie“

Anicius Manlius Severinus Boethius, der von 475 bis 525 lebte, war einer der letzten römischen Philosophen. Ähnlich wie seine Landsleute Seneca und Cicero sah er in der Philosophie eine Art Selbsthilfe, eine praktische Methode, das Leben zu verbessern, sowie eine Disziplin abstrakten Denkens. Er übersetzte auch Aristoteles und Platon ins Lateinische. So sorgte er dafür, dass ihre wichtigen Theorien nicht in Vergessenheit gerieten. Nigel Warburton ergänzt: „Als Christ sprach er mit seinen Schriften die frommen religiösen Philosophen an, die im Mittelalter seine Bücher lasen. Seine Philosophie schlug eine Brücke zwischen den alten griechischen und neueren römischen Denken und der aktuellen christlichen Philosophie, die nach seinem Tod jahrhundertelang in Westeuropa Gültigkeit haben sollte.“ Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Wie aus Deutschland eine Tugendrepublik geworden ist

Der Journalist Harald Martenstein vertritt die These, dass der Glaube an das aufgezwungene Gute mit der Hilfe von Gesetzen, Verordnungen und Überwachung durch die modernen Medien einen Terror der Tugend erschafft. Jede Gesellschaft hat Normen, Vorstellungen von Moral, Ideen von Gut und Böse. Gleichzeitig hat es laut Harald Martenstein noch nie eine Gesellschaft gegeben, in der sich alle ständig an diese Normen gehalten hätten. Das vermutet jeder, und jede Gesellschaft akzeptiert dies bis zu einem gewissen Grad. Harald Martenstein fügt hinzu: „Moralische Normen und Gesetze können nämlich keine perfekten Menschen aus uns machen. Sie verhindern lediglich durch Sanktionen, zu denen auch der Gesichtsverlust und die Blamage gehören, dass allzu viele allzu sehr über die Stränge schlagen.“

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